15. September 2013

Tatort: Kurzer Prozess (Wien)


Wien ist wieder da! Ok, Wien war nie weg. Aber in letzter Zeit haben sie es doch etwas übertrieben. Immer noch mehr Tote, immer noch mehr Mafia, immer noch neuere Gruppierungen, welche es anzugreifen galt, immer noch mehr Kriegsverbrecher und zu guter Letzt ein Kopfschuss für den Hauptermittler. Nun gut. Zumindest waren all diese wilden Folgen immer noch auf einem Level, von welchem manch andere Stadt nur träumen könnte. Leicht plumpig auf hohem Niveau, könnte man es simpel umschreiben. Nach all den fantastischen Wiener Jahren, war man sich einfach an einen Tick mehr Genialität gewohnt. Und dieser könnte nun zurück sein.
Eine bulgarische Ex-Prostituierte fällt einem brutalen Brandanschlag zum Opfer, ausgeführt von einem 12-jährigen (wohl selber ein Opfer). Bibi Fellner trifft diese Nachricht mitten ins Herz, denn sie hatte der Frau fest versprochen, sie vor ihren Verfolgern zu schützen.
Wien bedient sich also einmal mehr der knallharten Ostblock-Realität, welcher sich, die zum Osten nächstgelegene westeuropäische Grossstadt, kaum entziehen kann. 6000 illegale Huren (davon viele aus Bulgarien), müssen in Wien unter übelsten Bedingungen anschaffen gehen, und die Polizei schaut einfach weg.
Die Folge klingt doch ziemlich ähnlich, wie all die andern, die in der letzten Zeit aus Österreich gespielt wurden, und trotzdem glaube ich, dass sie anders werden wird, dass sie besser werden wird. Viele Emotionen, sehr authentisch, nahegehender dargestellt und dadurch eben auch packender für den Zuschauer. Der Junge und vor allem Bibi werden diesen Fall tragen müssen. Es geht um sie, um ihre Gefühle, um ihr Versprechen. Ihr Spiel wird entscheiden, wie glaubwürdig dieser Tatort am Ende daherkommen wird. Während ich immer schon ein bekennender Moritz Eisner Fan war, mochte ich die Kommissarin Fellner nie so richtig. Nicht, dass sie jeweils schlecht gespielt hätte, aber sie passte mir einfach als Figur nicht so. Und ich weiss auch, dass es einige Barometer-Leser gibt, die sie gar nicht leiden können. Nun, eigentlich muss sie uns ja nicht gefallen, sie muss einfach nur glaubwürdig sein. Das ist alles was zählt. Und sie hat nun also die ganz grosse Chance, zu beweisen, dass sie in einem Tatort nicht nur nebenher keifen kann, sondern dass sie mittlerweile ein wichtiger Bestandteil dieser Reihe geworden ist und vielleicht am Ende Wien gar wieder ganz nach oben bringen kann. Und falls nicht, sollte man nicht vergessen, dass an ihrer Seite ja immer noch der Moritz ermittelt. Ich freue mich extrem.

Erwartungs-Barometer: 5,5
Die Note danach: 5

Sowohl die Regie, wie auch das Drehbuch versprechen einiges. Österreichs Kaisermahl ist angerichtet. Wenn Fröiläin Neuhauser auch nur einigermassen glaubwürdig spielen und nicht irgendwelche nervigen Bibi-Faxen machen wird, dann setzt Wien zum Saisonstart schon eine äusserst beachtliche Duftnote. Könnte also durchaus sein, dass wir die Tatorte 2013/14 bis weit in den Winter rein an dieser Folge messen werden müssen/dürfen.

0 = Backändlsalat ohne Backhändl
6 = Bist deppert oder was? Des is halt a Salat mit em Backhändl oben drauf.

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8. September 2013

Tatort: Gegen den Kopf (Berlin)



Es lässt mich einfach nicht los, dieses ganze Sommerpause-Drama. Wahnsinn, wie lange nun der diesjährige Sommer gedauert hat, oder findet ihr nicht? Aber jetzt, gerade rechtzeitig zum Wochenende, hab ich ihn gespürt, den ersten herbstlichen Windstoss. Wie er mir kätzchenartig um die Ohren schmiegte, und ich ihn geradezu genüsslichst eingesogen habe. Jetzt ist sie also doch noch vorbei, diese Sommerpause und jetzt fühlt sich das auch irgendwie so an. Als kurzen Einschub zu erwähnen ist, dass der Luzerner Tatort selbst mitten im Hochsommer, als wir unsere Wohnzimmer mit schweren, schwarzen Filztüchern abdunkeln mussten, um erst einmal zu erkennen, wo überhaupt der Fernseher steht, weil die grelle Sonne selbst um 20.15 Uhr noch dermassen stark durch die Fenster knallte, eine äusserst beachtliche Quote erreichte und somit den gubserischen Aufwärtstrend massiv unterstrich. Von hier aus nun also liebe Grüsse an die ARD, ihr Penner.
Sieg auf ganzer Linie, kann man als Schweizer nun also für einmal sagen. Selten genug. Das fühlt sich richtig gut an, auch wenn der Tatort unter dem Strich kein Meisterwerk war.
Jetzt aber ist der Sommer endgültig Geschichte. Der ganze Druck der Saison-Eröffnung liegt nun also auf Berlin. Wie passend. Berlin, die Stadt, die immer wieder riesige Lasten auf sich nehmen muss, die Stadt, die es gewohnt ist, tagtäglich unter dem Druck einer ganzen Nation zu stehen. Berlin, die Stadt, die unter jeglichem Druck noch immer komplett versagt hat. Sei es im Leben oder sei es im Tatort. Nun, was für andere Städte Mal für Mal den Niedergang bedeuten würde, spielt für Berlin schlicht keine Rolle. Druck? Last? Erfolg? Das interessiert da oben keine Sau. Der Druck kommt doch sowieso immer nur von aussen, nie aus Berlin selber und schon gar nicht aus derer Mitte. Was andere von dieser Stadt halten, wie Auswärtige über Berlin denken, ist doch selbst dem Wowi piepegal. Die wählen ihn ja nicht. Insofern interessiert es leider auch niemanden, dass nicht nur die Stadt, sondern eben auch der Tatort aus der Hauptstadt mal für mal total versagt.
Ich weiss, wenn es um Berlin geht, wiederhole ich mich im Barometer auffällig oft. Das tut mir leid, aber ich kann die Fakten nicht ändern. So viele gute (und arbeitslose) Filmschaffende würden wortwörtlich auf der Strasse rum liegen, wären für ein Butterbrot zu kriegen und die fantastischen Geschichten gäbe es an jeder Ecke gleich noch obendrauf, umsonst selbstverständlich. Ist ja Berlin. Wenn sich nur mal einer richtig kümmern würde, wenn es nur mal einem richtig wichtig wäre. Es bräuchte nur einen Menschen in Berlin, in der richtigen Position, der sich dieser Sache von Herzen annehmen würde, dem diese Sache auch was bedeuten würde, und das tatoranische Hauptstadt-Meisterstück wäre erschaffen. Ist alles da, Berlin ist voll davon, nur interessiert es keine Sau. Die Kohle von der ARD fliesst ja sowieso und warum sollte man sich da auch bemühen? Man nehme irgend ein Drehbuch, welches wahrscheinlich für Wiesbaden oder so geschrieben wurde, verfilme es mit dem altbekannten Team (scheissegal, wenn es nicht zur Stadt passt, Berlin ist eh die Welt, da passt doch alles), und beendet die Arbeit so schnell wie irgendwie möglich, damit man das ganze Restbudget in irgendeiner hippen Strandbar an der Spree, an einer Film-ist-abgedreht-Party verballern kann, nur um danach auch noch das Notfall-Reserve-Budget, welches selbstverständlich bereits vor Drehbeginn beantragt worden ist, im Cookies versaufen zu können. Egal. Es ist so egal. Wer interessiert sich in Berlin schon für die Qualität? Wen interessieren in Berlin schon die Zuschauer? Und wer mir diese Theorie nicht glauben will, dem empfehle ich den Besuch eines der aktuellen Stücke von Marthaler an der Volksbühne.
Berlin also eröffnet nun die neue Saison. Oder beendet die Zwischenpause nach der Sommerpause, je nach Blickwinkel. Eine Ehre, eine Last oder was auch immer. In Berlin interessiert das ja, wie erwähnt, sowieso keine Sau.
Und während der RBB aus meiner Sicht in den letzten Jahren völlig an der Berliner Realität vorbei sendete, nehmen sie sich nun einem Thema an, welches allgegenwärtig ist in der Hauptstadt, beziehungsweise eigentlich überall. Jugendgewalt in der U-Bahn!
So aktuell wie heikel. Erst vor kurzem hat sich Leipzig daran die Zähne ausgebissen. Die Leipziger Folge hat damals extrem gut angefangen, ging unter die Haut, aber die Macher haben der Realität zu wenig getraut, und so hat einer der jugendlichen Tätern, in einer völlig absurden Sniper-Aktion, kurzerhand noch einen Polizisten erschossen. Was die ganze Story leider extrem unglaubwürdig machte und auch dieses arg beklemmende Realitätsgefühl völlig verspielte. Der Versuch jedoch war spannend und zeigte, wie unglaublich schwierig es ist, einer solch banalen Geschichte zu vertrauen und wie unglaublich schwierig es ist, ein Verbrechen, welches jederzeit und überall einfach passieren kann, glaubwürdig darzustellen. Die jungen Darsteller spielten die anspruchsvollen Rollen sehr gut. Der Grat zwischen gelangweilten Bubis und kaltblütigen Mördern ist sicher sehr schwer zu finden. Nein, an dieser Hürde scheiterte Leipzig nicht. Es war das Drehbuch – einmal mehr.
Nun also versucht es Berlin, ausgerechnet der Anti-Drehbuch-Tatort aus Berlin, und das Resultat scheint so ganz typisch für diese Stadt. Es ist komplett offen. Es kann gut sein, dass die krassen Figuren von irgendwelchen Süddeutschen Einwanderern geschrieben, besetzt und inszeniert wurden, von Leuten, die Neukölln bisher nur vom Hören sagen kennen, obwohl sie seit 15 Jahren im Prenzlberg in einer netten Industrieloft wohnen, in der die 18m hohe Decke eigentlich genügend Raum für eine vernünftige Vorstellungskraft lassen müsste. Es kann also ein lächerlicher Versuch werden, der sowohl an der Geschichte, als auch an dem so schwer zu spielenden Alltags-Verbrechen gnadenlos scheitern werden wird, zumal ich auch schon wieder was von Regional-Presse gelesen habe, die sofort an dem Fall dran ist. (Da zieht sich bei mir jede Pore zusammen. Im Schweizer Tatort tauchte ja auch wieder so ein Fotograf auf und stürzte den Film, bzw. eigentlich eher mich, fast ins Elend. Einfach nur peinlich. Egal.)
Es kann jedoch genauso gut auch sein, dass Berlin in dieser Angelegenheit absolut den richtigen Ton treffen wird, uns eine der ganz üblen Seiten Berlins dramatisch näher bringen und uns mit beklemmenden Gefühlen in die dunkle Nacht entlassen werden wird. Es kann gut sein, dass das einer der ganz raren Tatorte werden wird, in dem man sehen kann, was mit dieser Serie eigentlich möglich wäre. Es kann absolut sein. Denn sowohl das Drehbuch wie auch die Regie wurden von Stephan Wagner übernommen. Er hat eben den Grimme-Preis für „Der Fall Jakob von Metzler“ gewonnen. Und das war schon sein zweiter. Was wenn vielleicht genau er diese Person ist, die ich eingangs des Barometers beschrieben habe. Vielleicht ist genau er dieser Mensch, dem die Qualität vom Berliner Tatort was bedeutet. Genau die Person, die es gebraucht hat, um all die gleichgültigen Talente zu einer sich kümmernden Einheit zu formen. Einer, dem endlich mal nicht alles scheissegal ist. Einer, dem es wichtig ist, was aus dem Berliner Tatort wird. Vielleicht ist er es: Der Messias des Berliner Tatorts.
Vielleicht auch nicht. Es kann also eine 1,5 oder eine 5,5 geben. Und da sind wir wieder. Selbst das spielt keine Rolle. Das ist eben Berlin. Denn ganz egal was es werden wird, Mega-Erfolg oder Riesen-Flop, interessieren tut es in Berlin eh keine Sau! Oder doch?

Erwartungs-Barometer: 5
Die Note danach: 5

Mein Optimismus, was diese Liebe betrifft, bleibt unverbesserlich. Mit dem Wissen all meiner Enttäuschungen, legt sich das Barometer zum wiederholten Male für den Glauben an den Durchbruch, der in Berlin wirklich jeden Moment passieren kann, fest. Naiv, ich weiss, aber Liebe tut weh.

0 = Die Berliner Szene wandert nach Belgrad ab.
6 = Die Berliner Szene wandert nach Kreuzberg ab.

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