28. August 2016

Tatort: HAL (Stuttgart)


Uiuiui, war das eine dröge Start-Episode letzten Sonntag. Köln mal wieder völlig uninspiriert. Gut, es war nicht anders zu erwarten. Wäre der Tatort besser gewesen, hätte ihm die ARD kaum den Arschloch-Termin gegeben. Aber lassen wir Vergangenes ruhen. Wir stecken in Woche zwei der neuen Saison und können vielleicht schon ein erstes Highlight bejubeln.
Stuttgart geht nämlich erfreulicherweise genau den umgekehrten Weg von Köln. Lange fand ich Stuggi äusserst dürftig, aber so kontinuierlich wie Köln schlechter wurde, wurden die schwäbischen Folgen besser. In der letzten Zeit teils richtig gut. Und während in Köln selbst die Kommissare irgendwie gelangweilt und abgelöscht durch die Kulissen torkeln, sprudeln die zwei Herren aus Stuttgart mittlerweile vor Spielfreude. Die besseren Drehbücher beflügeln die zwei, die Rollen von Kommissar Bootz und Lannert bereiten ihnen sichtlich Spass. So was überträgt sich selbstverständlich auch auf den Zuschauer. Es ist aber nicht nur die Qualität, die besser wurde. Urplötzlich wagt sich der SWR auch an schwierige Themen und zeigt sich bei der Umsetzung jeweils ziemlich risikofreudig. So stach ihr Flüchtlings-Tatort aus all den andern Flüchtlings-Tatorten raus. Die Inszenierung ging unter die Haut. Mit Mut zur Konfrontation hat Stuttgart eine schmerzhafte Authentizität hingekriegt.
Aber auch mit dem Tatort zum realen Bahnhofprojekt lieferten sie ein deftiges Stück Tatortgeschichte ab. Selbst echte Politiker mussten sich danach vor der Öffentlichkeit rechtfertigen. Nichts mit vornehm süddeutscher Zurückhaltung. Inszeniert wurde die „Stuttgart 21“-Folge damals übrigens von Niki Stein, welcher nun auch bei dieser neuen Folge Regie führte. Ein sehr kontroverser Filmemacher, dessen Werke immer wieder heiss diskutiert werden. Das wird auch mit diesem Tatort nicht anders sein, da er uns mit einem Novum überraschen wird. Ein Science Fiction Tatort!?! Zwar kennen sicher die Meisten von euch die Geschichte eines Computer-Programms, das sich selbstständig macht und zur Gefahr für die Menschen wird, aber im Tatort haben wir so was noch nie gesehen. Klingt also erst einmal ziemlich absurd, aber eben auch ziemlich interessant.

Erwartungs-Barometer: 5

Science Fiction und Tatort, welch schwierige Fusion! Stuttgart aber ist genau das Team, das momentan solche Dinge wagt. Es kann in die Hosen gehen, keine Frage. Aber lieber volle Kanne scheitern, als Kölner Grütze, die vor durchschnittlicher Langeweile weder scheitern noch gelingen kann.
Aber was rede ich hier von „volle Kanne scheitern“, eigentlich erwarte ich ja ein „Gelingen“.

1 = Sehr schlecht
6 = Sehr gut

Die Note danach: 5
An Hollywood Sci-Fi gemessen, wirkte die ganze Inszenierung natürlich etwas lächerlich. Selbst die Pappkulissen der Future-Firma sahen eher aus wie das Tell-Star-Studio von 1980. Aber auf unserem Tatort-Level war das doch eine gelungene Idee und eine beachtliche Inszenierung. Mir hat diese Folge gefallen. Auch wenn es durchaus schleierhaft scheint, dass sich das System am Ende nach einer simplen Frage der Chefin, selber ans Messer geliefert hat. Natürlich war der Feind vernichtet, aber Bluesky sollte sich ja selber schützen und mittlerweile intelligent genug sein, um zu kapieren, dass sich ein Geständnis eher negativ auf seine Zukunft auswirken wird. Aber das zeigt halt einmal mehr, dass im Endeffekt Computerprogramme auch nur so intelligent sein können wie die Autoren, welche sie ins Drehbuch geschrieben haben.

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21. August 2016

Tatort: Durchgedreht (Köln)


Das vielleicht heissdiskutierteste Thema im Barometer überhaupt, dieser schlimmstmögliche Termin, dieser erste Sonntag nach der Sommerpause. Wenn du als Sender für deinen Tatort diesen Termin kriegst, kannst du davon ausgehen, dass die ARD dir am liebsten ins nächste Drehbuch kacken würde. Und ein kurzer Blick auf die Saison-Eröffnung der letzten Jahre sagt einiges aus:

- 2010 Ludwigshafen
- 2011 Luzern
- 2012 Luzern
- 2013 Luzern
- 2014 Wien (Luzern jedoch eine Woche später, während die Deutsche Fussball-Nationalmannschaft als frischgebackener Weltmeister ihr erstes EM-Quali-Spiel absolvierte.)
- 2015 Luzern

Und nun, 2016 wie aus heiterem Himmel, so scheint es, trifft es Köln. Und zwar mit voller Wucht. Eine solche Schmach hätte sich auf dem hohen WDR-Ross wohl kaum einer jemals vorstellen können. Ausgerechnet ihr langjähriges Steckenpferd kriegt vom Muttersender eine solch üble Watsche ins Gesicht gepfeffert. Auch wenn das niemals jemand zugeben würde, aber der Schock am Rhein sitzt dramatisch tief. Für das Barometer hingegen kommt diese Entwicklung nicht wirklich überraschend. Natürlich gibt es weit schlechtere Tatort-Teams, aber gemessen am Potential, gemessen an den Möglichkeiten, welche in Köln vorhanden sind, liefern die seit Jahren nur noch ganz dürftige Kost. Köln produziert nach wie vor am meisten Tatorte, aber sie sind so beliebig, dass die ARD schlicht und einfach einen Warnschuss in Richtung Dom abfeuern musste. Aus Barometersicht absolut in Ordnung. Wir wollen wieder das Niveau von früher, wir wollen wieder diese Leidenschaft von damals und nicht nur Dienst nach Vorschrift.

Der Tatort aus Köln ist ja irgendwie eine Art Zweckfreundschaft aus der Vergangenheit. Wer kennt sie nicht, diese Freundschaften, die sich aus irgendeiner Situation ergeben haben? Sei es während eines Projekts, im Sport, im Militär oder wo auch immer. Du erlebst etwas Spezielles mit einem bestimmten Menschen, teilst etwas mit dieser Person und irgendwie werdet ihr in diesem Moment zu echt guten Freunden. Aber wenn du später zurück im richtigen Leben bist, merkst du rasch, dass das Übergeordnete eigentlich das Einzige war, was euch wirklich zusammen gehalten hat. Natürlich, du wirst diese Person immer irgendwie mögen, aber für eine tiefe Freundschaft wird es nicht reichen.
Und so trifft man sich hie und da mal auf der Strasse, weiss nach einem kurzen „Hallo, und wie geht es dir?“ kaum mehr was zu reden und verabschiedet sich alsbald schon wieder mit einem etwas mulmigen Gefühl. Man stand sich doch so nahe.
Und so gab es diese ganz spezielle Zeit. Die Zeit als ich angefangen habe den Tatort zu schauen, als ich angefangen habe mich mit dem Tatort auseinanderzusetzen. Damals war Köln eine feste Grösse. Köln hat mich immer wieder mit raffinierten Drehbüchern, mit simplen Geschichten aus dem Leben überzeugt. Und weil sich damals meine Freunde eher mit Scary Movie und American Beauty denn mit Tatort beschäftigt haben, sass ich oft am Sonntag alleine vor dem Fernseher und war entzückt ob den Kölner Qualitätsfolgen. Sie hatten etwas ganz Spezielles. Und so wurden wir irgendwie Freunde. Eine Zweckfreundschaft, aber eine richtig gute. Fast als würden zum Ende des Tatorts nicht die Kommissare an der Wurstbude am Rhein stehen, sondern der Kölner Tatort und ich. Tja, irgendwann war die Zeit vorbei. Das Tatortschauen wurde zum Alltag und die Folgen aus Köln immer schlechter. Wenn ich ihm heute auf der Strasse begegne, weiss ich kaum noch was ich sagen soll. „Hallo Tatort, wie läuft das Leben? Gut. Und sonst. Alles gut.“ Und ihm geht es bestimmt genau so. Natürlich werden wir die guten Zeiten nie vergessen, aber irgendwie sind wir jeweils beide froh, wenn das Gespräch schnell vorbei ist, wenn 21.45 Uhr ist und wir wieder weiterziehen können. Damals war Köln richtig gut, damals hatten wir uns richtig viel zu sagen, wir haben uns blind verstanden, heute jedoch funktioniert es nicht mehr. Weder diese Tatort-Reihe, noch unsere Freundschaft.
Okay, es gibt sie, die ganz seltenen Ausnahmen. Vielleicht trifft man genau einer dieser Freunde per Zufall an einem Geburtstagsfest, an einer Hochzeit oder sonst irgendwo beim Feiern. Und irgendwie will es, Jahre später, der Moment, dass die gute alte Zeit noch einmal aufgelebt wird. Nur für einen Abend. Vielleicht ein richtig guter Absturz, eine richtig gute Party. Noch einmal drückt diese Hingabe von damals durch. Noch einmal fühlt man wieder genau diese Passion, die einen damals verbunden hat. Noch einmal kann man zusammen lachen, diskutieren, geniessen, loslassen. Genau wie damals. Für einen kurzen Moment ist man sich wieder ganz nah.
An genau diesem Abend, sendete Köln „Franziska“. Ich sass wieder ganz alleine vor dem Fernseher, gefühlte 15 Jahre jünger und es roch wie damals, als ich den Tatort aus Köln geliebt habe, als wir richtig gute Freunde waren. Aber so was passiert vielleicht einmal, danach jedoch trifft man sich wieder zufälligerweise auf der Strasse und weiss kaum fünf vernünftige Sätze zu wechseln. So ist der Tatort aus Köln. Und genau so wird auch diese Folge. Ein Mädchen beobachtet den Mord an Mutter und Bruder. Viel Klaviermusik, einfühlsame Kommissare und eine Kinderzeichnung mit dem Mord. Ich glaube alleine aus Köln kamen schon 34 gleich klingende Drehbücher. Aus dem gesamtdeutschen Raum sicher 150.

Erwartungs-Barometer: 4.25

Spätesten wenn die ARD dir diesen hundsmiserablen Luzern-Sendeplatz verpasst, müsstest du wirklich massiv über die (Dreh)Bücher gehen. Mal sehen, ob sich vielleicht dadurch endlich mal wieder was tut in Köln. Es wäre zu hoffen. Ganz abgeschrieben habe ich ihn nicht. Zu nahe standen wir uns damals an der Wurstbude.

1 = Im Finale verlieren.
6 = Im Bronzespiel gewinnen.

Die Note danach: 3.5
Köln und ich, wie konnte das jemals Freundschaft sein? 


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