26. August 2018

Tatort: Die robuste Roswita (Weimar)



3 Wochen später:
Temperatursturz, leichter Nieselregen, skandinavischer Sommer.
So sieht ein anständiger Saisonstart aus. Und so ärgerlich es auch sein mag, es bleibt dem Barometer nichts anders übrig, als das Thema „Schweizer Tatort“ noch einmal aufzugreifen. Wenn auch nur kurz.
Man konnte ihn mögen, man konnte ihn verfluchen, alles völlig okay. Aber der unfassbar miesen Termin-Geschichte, wurde ein noch erniedrigendes Kapitel beigefügt. Selbstverständlich erreichte dieser Tatort einen absoluten Zuschauer-Minusrekord. Das war mitten im höchsten Hochsommer genau so zu erwarten. In der Woche danach war aber im Tagi Folgendes zu lesen:

ARD-Programmdirektor Volker Herres sagt: «Natürlich sind das nicht die Zuschauerzahlen, die wir uns für einen «Tatort» in der Hauptsaison wünschen.»
ÄÄÄÄhhhhh, also wie meinte er das jetzt? „Die wir uns in der Hauptsaison wünschen“? In der Hauptsaison??? Diese Aussage, beim einzigen Tatort, der jemals inmitten der Sommerpause ausgestrahlt wurde???
Also, uff, wh. Ih. Ggg. ...
(Ich, 2h später)
Also, macht sich jetzt die ARD auch noch lustig darüber, dass sie die Schweizer verarschen? Mir fehlen wirklich die Worte. Eine solche Demütigung habe ich in meinem ganzen Leben noch nie erlebt. Ganz ehrlich. Als SRF gibt es nur noch die Variante, aus dem Verbund auszutreten. Natürlich wäre das schade, das Barometer würde diesen Schritt extrem bedauern, aber es gibt Dinge im Leben, die man sich einfach nicht bieten lassen darf. Es geht nicht. Punkt. Das ist wirklich Mobbing der allerübelsten Sorte. Anders kann man es nicht nennen.
Natürlich war dieser Tatort kein Meisterwerk, natürlich war die Story sehr flach, aber lieber schaue ich mir diesen Tatort noch 100x am Stück an, als eine Folge mit dem Spacko aus Saarbrücken oder mit der endöden Tante aus Ludwigshafen.
Und natürlich wird das SRF niemals Konsequenzen daraus ziehen, dafür hat keiner die Eier (die sind nur zum gegenseitigen Kraulen da), aber sie müssten. Es wäre die einzig richtige Antwort. Mit allen Konsequenzen.

Und so sehr ich es vermeiden wollte, startet das Barometer nun bereits wieder mit einem brodelnden Groll in die neue Saison, bevor die eigentlich neue Saison überhaupt gestartet ist. Unfassbar.
Tja, und dieser eigentliche Start in die neue Saison macht somit für einmal nicht die Schweiz, sondern Weimar.

Weimar. Hmmm. Womit wir weiterhin inmitten der dilettantischen Programmplanung der ARD sitzen. Arbeiten da eigentlich nur Leute, die komplett weich in der Birne sind?

Ich mochte die völlig skurrilen Geschichten aus Weimar immer. Ich mochte die Kommissare, ich mochte den Wortwitz, und ich mochte die verschrobenen Figuren. Jeweils ein fein absurdes Märchen zu Weihnachten.

Wer sich aber beim Schweizer Tatort über zu viel Theater aufregen musste, braucht hier gar nicht erst einzuschalten. Warum?

„Eine sieben Jahre Verschollene im Schneckenland der Halbwahrheiten – zwischen Genkartoffel-Mafia und granuliertem Schwerenöter, zwischen Hunde- und Kloßliebhabern. Ein bisschen Wilhelm Busch, viele Märchen-Topoi oder auch schon mal ein Schüttelreim, dazu Figuren aus einer anderen Welt.“

Eben, zu Weihnachten wäre so was wunderbar. Über die grau verhangenen Feiertage, inmitten der Saison, passt zur Abwechslung eine Folge aus Weimar perfekt. Aber doch sicher nicht als Saisoneröffnung im Spätsommer. Was soll das eigentlich? Hat doch kein Mensch Bock, zum Start ein Märchen zu gucken.

Erwartungs-Barometer:
4.5 (zum Saisonstart)
5.5 (während den Feiertagen)

Für den Moment bleibt das Barometer noch ein Anhänger, der skurrilen Weimar Welten. Aber wenn die jetzt auch anfangen ihre Produktion hochzufahren (das ist schon die 3. Folge seit Weihnachten, dann verlieren sie ihre sonderbare Art und sie verlieren auch das Barometer. Also bitte, liebe Weimarer Künstler, haltet euch zurück. Eine Folge am Ende des Jahres ist genau das, was es braucht. Alles Weitere zerstört den Mythos.

6 => Glaub ich bald nicht mehr dran...
1 => Ist noch zu gut für die TATORT PROGRAMMPLANUNG!!!!!!

Die Note danach: 4
Der verschrobene Humor ist irgendwie weg, die Magie auch. 
Weimar ist mittlerweile fast nur noch Münster.
Ob nun im Sommer oder im Winter.

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5. August 2018

Tatort: Die Musik stirbt zuletzt (Luzern)



Relativ unschwer zu erkennen, hat das Barometer in den letzten Jahren die Lust am Tatort und auch an sich selber kontinuierlich verloren.
Aber da ich mittlerweile eine Art nostalgische Bindung zu diesem Geschwafel entwickelt habe und diese Errungenschaft nicht einfach komplett beerdigen möchte, habe ich mich entschieden, dass ich das Barometer in einer ähnlichen Kurzform weiterführen werde, wie zuletzt mit dem Winterschlaf und der vorgezogenen Sommerpause.
Prinzipiell werde ich zu den Folgen jeweils nur noch einen kurzen Kommentar abgeben, mehr nicht. Nur wenn es dringendst eines längeren Textes bedarf, werde ich auch mal ein bisschen mehr schreiben, werde also in alter Barometerform auftauchen.
Wie zum Beispiel heute:

Unfassssssssssssssbar! Wirklich unfassbar. Beim Mutterhaus dieses neuen Tatorts schafft man es tatsächlich alles, aber auch wirklich alles irgendwie schön zu schwafeln. Das Gen, sich selber auch mal zu hinterfragen, wurde offensichtlich mit einem Pülverli im Kantinenfrass komplett weggezüchtet. Bereits die Tatsache, dass die Schweizer sehr oft den ersten Termin der Saison kriegten, welcher aufgrund des meist sehr guten Wetters, äusserst unbeliebt ist, hätte eigentlich Beweis genug sein sollen, dass die ARD auf den Schweizer Tatort scheisst. Immer und immer wieder. Aber als ob das nicht Demütigung genug wäre, platzieren die frechen Hunde nun den Luzerner einfach mitten in der Sommerpause, bei 35°, die einem auf die Birne knallen. Wohlverstanden, danach ist für drei Wochen wieder Tatort-Pause, also folgt ab Morgen eigentlich einfach der zweite Teil des Sommerbreaks. Man muss sich das erst einmal vorstellen. Unter aller jeder Saukanüle. Aber die Verantwortlichen dieses Tatorts fühlen sich wahrscheinlich geehrt, ja geradezu privilegiert, dass die Deutschen ihnen einen ganz persönlichen Termin erfunden haben, und dass man die neue Saison jetzt quasi als Gluthitze - Sneak Peak eröffnen darf. Meine Fresse. Kapiert ihr es nicht? Seit ich denken kann, startet die Tatort-Saison Ende August oder gar Anfang September. Und das ist auch in diesem Jahr so. Ihr kriegt einfach einen fiktiven Ausstrahlungstermin inmitten des fucking Hochsommers!
5. August. Es ist der FÜNFTE AUGUST!!!!!
Was muss man einem blind verliebten Menschen eigentlich noch alles antun, damit er endlich kapiert, dass die Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruht? Was muss in einem professionellen TV-Kopf vorgehen, dass man so was gegen aussen immer noch schönreden kann? Unfassbar.
Und es ist auch wirklich schade! Denn während die ARD unsere Luzerner Perle einmal mehr aufs Übelste verarscht, und in Deutschland viele Kritiker wieder die scharfen Geschütze auffahren, jubelt man hierzulande über das fantastische Experiment.
Wie bereits in allen wichtigen Medien zu lesen, wurde der Film in einem Take gedreht. Kein Schnitt, gar nix, 90min am Stück. Zweifellos ein spannender Ansatz. Zwar eine bekannte Art Filme zu machen, aber beim Tatort so noch nie zum Einsatz gekommen. Klar, als Schweizer Drehbuchautor sollte man sich vielleicht überlegen, ob man nicht besser erst einmal 2-3 gute Bücher mit echten Dialogen hinkriegen möchte, bevor man solch schwierige Experimente wagt. Denn beim aktuellen Stand des Luzerner Tatorts deuten die Experimente halt doch eher auf eine Verschleierung der miserabel geschriebenen Scripts.

Aber wisst ihr was, mir ist es einmal mehr zu blöde auf diesen CH-Tatort Bashing Zug aufzuspringen, ich mochte es schon in der Schule nicht, gegen Schwächere zu prügeln. Erst recht, da die ach so Grossen ja meistens selber ziemlich weich in der Birne waren. Und genau so ist es hier. Wer bei Münster tanzt vor Freude, Schreckliches wie Saarbrücken zu verantworten hat und die Odenthal seit 100 Jahren ermitteln lässt, sollte prinzipiell die kritische Fresse halten, und definitiv andere Ausstrahlungstermine verteilen, wenn man in der Schweiz endlich einmal etwas wagt.
Darum werde ich den Mut zu diesem Experiment wesentlich höher gewichten, als die oft katastrophalen Zeilen in hingeschluderten Schweizer Drehbüchern.
Dieser Film ist eine äusserst gewagte Sache und genau das Hochseil-Risiko, welches das Barometer immer wieder fordert. Und auch wenn der eigentliche Star natürlich der Kameramann ist, so ist dieser Versuch auch für die Schauspieler/innen ein unheimlich schwieriger Akt. Du kannst nichts, aber auch gar nichts mit Schnitt oder mit Einstellung kaschieren. Wenn die Kamera drauf ist, ist sie drauf.  Splitternackt, Entlarvung pur. Keine Chance auf einen Fehler.

Erwartungs-Barometer: 5.5 (mit Hitze-Bonus)

Auch wenn man am Ende wahrscheinlich für den Schweizer Mief in Story, Dialogen und beim Schauspiel wieder ein paar helvetische Augen zudrücken muss und Regisseure bei solchen Experimenten ab und an eine Schippe zu viel drauflegen, wird sich das Barometer also weder von der Hitze noch von der Arroganz der ARD die Vorfreude auf diesen Tatort und auf die fiktive Saisoneröffnung nehmen lassen. Ich erwarte ein absolutes Schweizer Highlight!
Was hier mit einem zahlenden Tatort-Mitglied abgezogen wird, ist kaum mehr zu unterbieten und bedarf wegen übelstem Mobbing eigentlich eines Strafverfahrens. Wie gesagt, nur die grössten Idioten prügeln auf die Schwachen. Aber schwach wird heute hoffentlich gar nichts.

6 = Tatort an eindunkelnden Spätherbsttagen
1 = Tatort an heissglühenden Hochsommerabenden


PS: Barometer-Tipp am Rande. Für einmal könnt ihr entspannt die hochdeutsche Version auf dem Ersten schauen, da es keine synchronisierte Version ist. Es wurde sowohl eine Fassung auf Schweizerdeutsch als auch eine auf Hochdeutsch gedreht, und ihr müsst nicht zwischen katastrophaler Synchronisation und miserablen Dialekt-Dialogen entscheiden!
Gut, am spannendsten wäre es natürlich beide Versionen zu sehen. Da es ja je ein eigener Take ist, sind es eigentlich zwei verschiedene Filme. 


Die Note danach: 5
Ufff. Was für ein Stück Schweizer Tatort-Geschichte. Zweifelsohne werden die Kritiken komplett gespalten sein. Die Frage ist nämlich, ob man diesen Tatort aus Sicht der Machart oder aus Sicht der Geschichte anschaut.
Die Inszenierung war tatsächlich ganz grosses Kino. Selbst die Erzähl-Ebene hab ich irgendwann geschluckt. Nur der Dschungel-Kurztrip in die Vergangenheit war die erwartete Schippe zu viel, aber ansonsten hat mich dieser Tatort mit seiner Machart überzeugt. Wirklich fantastisch gemacht.
Aber, und genau so war es zu befürchten, wer prinzipiell an einem spannenden Krimi und an einer guten Geschichte gefallen findet, der wurde heute definitiv massiv enttäuscht. Vor lauter technischen Finessen, und exakten Anweisungen, hat man völlig vergessen, eine gute Story zu schreiben. Auch das hat das Barometer ja ziemlich genau so erwartet. Ein normal gedrehter Tatort hätte mit dieser Geschichte am alleruntersten Ende der Rangliste gekratzt. Und ich vermute, dass der grösste Teil der Zuschauer nicht wirklich daran interessiert ist, ob dieser Film nun 2000 Einstellungen oder keinen Schnitt hat. Die Leute wollen unter dem Strich doch einfach eine geschmeidige Geschichte sehen, denn eine komplett geschmeidige Kamerafahrt. Klar, beides wäre die Perfektion, das jedoch scheint mir kaum machbar.
Aber ich für mich verzichte für ein solch raffiniertes Experiment auch gerne einfach mal auf eine raffinierte Story. Zumal ja 80% aller Tatorte eh keine raffinierten Geschichten auftischen.
Zudem hat für mich als grosser Fan des Schauspiels dieser Tatort aus einem ganz andern Grund zu überzeugen gewusst. In der Dynamik der Kamera konnten die Darsteller/innen endlich einmal grandios aufspielen. Natürlich wird den wahren Filmkritikern sicher die Vertiefung der Figuren fehlen, die schlicht nicht möglich war bei diesem Tempo, aber für mich hat dieser Tatort teilweise eine Authentizität hingekriegt, wie ich sie so in der Schweiz noch kaum je gesehen habe. Pures Theater halt. Jede Figur konnte sich so richtig austoben, und teilweise gar improvisieren. Der Film sprühte vor Spielfreude. Also den Gubser habe ich noch nie so echt erlebt. Die Dialoge waren um Welten besser, als in andern Schweizer Tatorten.
Ich muss jedoch dazu sagen, dass dies nur für die hochdeutsche Version zählt. Ich habe die schweizerdeutsche gleich im Anschluss geschaut und habe es kaum ausgehalten. Für das Barometer also auch gleich noch der endgültige Beweis, dass die Dialekt-Dialoge jeweils miserabel geschrieben sind, und dass die Schauspieler darum oft überhaupt nichts dafür können, wenn es schlecht gespielt wirkt.
Nun gut. Langer Rede, kurzer Sinn.
Auch wenn der eigentliche Inhalt bedenklich schwach war, auch wenn die Geschichte die Schweizer Schwächen exzessiv offenbarte, als Kunstwerk, ist dieser Tatort ein absolutes Meisterstück.
Schade, dass die Quoten aufgrund des Ausstrahlungstermins miserabel sein werden. Aber wisst ihr was, liebe deutsche Fernsehzuschauer/innen? Ihr habt es nicht anders verdient. Wer sich immer noch ab Münster ergötzen kann und denen Mal für Mal Rekordzahlen beschert, dem steht ein solches Theater-Tatort-Bijou gar nicht zu.

Das Barometer jedenfalls war ganz zufrieden, aber klar, wie immer mit den vielen zugedrückten helvetischen Augen.

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