5. Februar 2012

Tatort: Kein Entkommen (Wien)



Und es ist ausgerechnet Österreich! Österreich rettet uns den fast schon verloren gegangenen Sonntagabend! Was in vielen Deutschen Bundesländern nur halbwegs und in der Schweiz schon grad gar nicht gelingen mag, schaffen die Österreicher mit einer Leichtigkeit. Es ist wirklich erstaunlich, wie die Össis immer wieder grossartige Tatort-Folgen produzieren. Dabei wäre dieses Land dem Unsrigen doch eigentlich gar nicht so unähnlich. Beide mit Alpen übersät, beide haben ähnlich viele Einwohner, wir sind uns sprachlich nah, haben ähnlich viel Provinz und beide haben viele schöne, aber langweilige kleine Städte. Was also haben die Österreicher, was wir nicht haben?
Genau, eine richtige Stadt. Eine Grossstadt. Eine Weltstadt. Österreich hat sie, diese eine grossartige Stadt. Eine Stadt mit Geschichten und Geschichte, mit Gegensätzen, Ecken und Kanten. Österreich hat sie, diese Millionenstadt, die sprudelt von kreativen Ideen, diese Stadt im stetigen Wandel, diese spannende Stadt an der Grenze zu Osteuropa. Wie sollen da Saarbrücken, Ludwigshafen, Konstanz, Zürich oder gar Luzern mithalten können? Natürlich haben die Österreicher auch etwas Glück, dass Wien damals für ein viel grösseres Reich gebaut wurde. Die Stadt ist heute eigentlich zu gross, für dieses kleine Land. Aber es kommt ja nicht allein auf die Grösse einer Stadt an. Es geht vielmehr um die Energie, die in einer Stadt steckt. Auf das Leben einer Stadt. Klar, es spielen lange nicht alle Tatorte aus Österreich in Wien selber, aber genau darum geht es eben auch. Es braucht die Stadt nicht zwingend als Schauplatz, sondern als Muse. Die Schweiz hätte sie auch, die vielen spannenden Schauplätze an denen absurde Verbrechen geschehen könnten, aber im Gegensatz zu Österreich fehlt es uns an einer Quelle. Einer Quelle aus der das Gute raus sprudelt. Es fehlt an Ideen, an Drehbüchern, an Schauspielern, an Regisseuren, es fehlt an allem. Wien bietet das. Wien ist ein Paradies dafür. Und Wien ist zudem auch unheimlich mutig. Das Wiener-Tatort-Team lässt sich weder von der ARD, noch von irgendwelchen andern Leuten rein reden. Wenn sie provozieren wollen, dann tun sie das auch. Und es gibt selten eine Folge aus Österreich, die nicht irgendeiner Gruppierung vor den Kopf stösst. Am Montag danach wird meist nicht nur in Österreich, sondern im ganzen deutschsprachigen Raum heiss debattiert. Ob nun die Katholiken aufschreien, wenn der Jesusdarsteller ans Kreuz genagelt wird, die Bauherrn jammern, wenn die Schwarzarbeiter aus Mazedonien thematisiert werden oder wenn die Polizei mit Klage droht, weil eine ungarische Verbrecherin den Österreichischen Geheimdienst lächerlich macht. Zwar funktioniert lange nicht alles in den Drehbüchern, aber mutig sind sie immer. Und auch für morgen sieht es nicht anders aus. Der Tatort spielt im Milieu der serbischen Mafia. Ehemalige Kriegsverbrecher, die nun in Wien Verräter jagen. Knallhart sei er, viel zu brutal und er habe mit der Realität nichts zu tun, hört man schon im Vorfeld aus der serbischen Gemeinde. Mit 125‘000 Serben, ist Wien quasi die viert grösste serbische Stadt und ihr Aufschrei ist vorprogrammiert. Den Machern wird schon vor der Ausstrahlung massiver Rassismus vorgeworfen. Aber eben, es ist ihnen egal, auf wessen Kosten die Spannung aufgebaut wird. Wien will einfach unterhalten, und das wird auch dieses Mal wieder gelingen. Ich vermute zwar, dass die Dramaturgie unter der Last des Themas und des Tempos leiden wird. Es wird also sicher keiner der besten aus Österreich, und zudem ist für mich auch die Vize-Kommissarin immer ein ziemlicher Wehrmutstropfen, aber unter dem Strich schafft Wien einmal mehr, wovon viele andere Städte nur träumen können. Einen guten Krimi, einen Tatort, der uns endlich wieder mit einem einigermassen guten Gefühl in die sonntägliche Nacht entlässt.

Erwartungs-Barometer: 4,5 (für Österreich) / 5 (für allgemein)
Die Note danach: 4,5

Empfehlung: Zwar nur ein durchschnittlicher Tatort aus Österreich, aber immer noch weit über dem allgemeinen Tatort-Durchschnitt!

0 = ungefähr so viel Erwartung wie von einem Backhendel Salat!
6 = ungefähr so viel Erwartung wie von Fly Nikki Flugbegleiterinnen!

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