27. Oktober 2013

Tatort: Aus der Tiefe der Zeit (München)



DOMINIK GRAF, Regisseur!

Mehr müsste ich in diesem Barometer eigentlich nicht schreiben. 18 Jahre nach seiner legendären Folge (Frau Bu lacht), ist er wieder zurück beim Tatort.
18 Jahre, in denen er 10mal den Grimme Preise, mehrmals den Bayrischen Filmpreis und viele weiter Auszeichnungen gewann. 18 Jahre, in denen er also äusserst erfolgreich arbeitete, und in denen seine Frau nebenbei noch kurz den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewonnen hat (Nirgendwo in Afrika). 18 Jahre, in denen er unheimlich viel fürs deutsche Kino und fürs deutsche Fernsehen gemacht hat, in denen er mit grossen Stars gedreht hat, aber in denen er sich auch mit völlig unbedeutenden Taugenichtsen rumschlagen musste. Welch unglaubliche Ehre also, dass auch ich kurz mit ihm zusammenarbeiten durfte, obwohl ich gestehen muss, dass dieses Aufeinandertreffen wohl eher unter Flop abgehackt werden muss. Sowohl für ihn, wie auch für mich. Aber trotzdem. Es war äusserst spannend zu sehen, wie ein solcher Mensch tickt, und wie ein solcher Mensch an Dinge rangeht. Nun fühlt es sich natürlich für das Barometer etwas komisch an, quasi ihn einschätzen zu müssen, ihn bewerten zu müssen, eine solche Grösse, eine solche Ikone. Aber es ist nun mal meine Pflicht die Leser über den kommenden Tatort zu informieren. Wer die Filme von Dominik Graf kennt, der weiss, entweder sind sie genial, oder sie sind so verschroben daneben, dass man kaum hinsehen mag. „Bananenfisch“lässt grüssen. Aber Graf ist ein Musterbeispiel der „Spannung des Risikos“, von der ich so oft rede. Er dreht deutsche Filme auf dem Hochseil, ungesichert selbstverständlich. Er geht raus, wagt sich an alles, dreht am Abgrund und kommt genauso zu seinen Meisterwerken. Aber dadurch stürzt er halt manchmal ziemlich tief. Das Spannungsfeld, in dem er damit jedoch arbeiten kann, erreicht immer wieder ein Level, welches in Deutschland Seinesgleichen sucht!
Und genau so wird es mit diesem Tatort. München ist perfekt für ihn. Die Stadt hat eine filmische Qualität auf höchstem Niveau zu bieten, der Tatort gehört seit jeher zu den besten, ist nun aber in der letzten Zeit mit der Suche nach einem neuen Assistenten etwas ins Stocken geraten. Und genau in diesem Moment, genau jetzt, da München dringend einen Impuls braucht, genau zur richtigen Zeit also, wird nun Dominik Graf ein Feuerwerk zünden, welches ganz Bayern 90 Minuten lang erleuchten lassen könnte. Die Frage ist nur, ob in einer traumhaften Choreographie am klaren Münchener Nachthimmel, oder ob all die Knallkörper und Leuchtraketen bereits am Boden völlig unkoordiniert explodieren werden. Diese Frage kann nicht einmal das Barometer beantworten. Ein Dominik Graf-Film kann alles sein. Wirklich alles. Fakt ist, das Schauen seiner Werke ist irritierend, anspruchsvoll und anstrengend zugleich. Man muss mit voller Konzentration dabei bleiben und sollte keine Dinge nebenher erledigen, was ja bei vielen anderen Folgen ohne weiteres gemacht werden kann. Dieses Mal definitiv nicht.
Der tatortübliche Anfang wird täuschen, Graf steigt meistens simpel ein. Im Münchener Westend wird gebaut ohne Ende. In der Immobilien-Branche ist nach wie vor sehr viel Geld zu machen und so erstaunt es nicht, dass ein Bagger bei der Arbeit die Leiche eines Bauleiters ausbuddelt. So weit so gut. Jeder der jemals gebaut hat, kann sich einen brutal ermordeten Bauleiter, zerstückelt und unter dem eigenen Haus vergraben, durchaus vorstellen. Aber hier fängt die Grafsche Skurrilität eigentlich erst an. Das ganze entpuppt sich als Familiengeschichte, mit schrulliger Patriarchin in alter Villa und Scharfschützin aus dem bekannten Münchener Zirkus Krone. Selbstsprechend: Weitere Leichen werden folgen. Eine Art Zirkusvorstellung also, und in der Manege der überdrehten Geschichte stehen die grandiosen Schauspieler, dressiert und inszeniert vom grossen Zampano Dominik Graf. Dompteur und Zirkusdirektor zugleich. Ein Tatort, wie ihr ihn wohl noch nie gesehen habt. Ich bin mir absolut sicher, dass es den einen oder anderen Barometer-Leser gibt, der diese Folge lieben wird. Aber mir ist auch sonnenklar, dass ein nicht minder grosser Anteil sie als absolut ungenügend bewerten werden wird. Dominik Graf, wie er leibt und dreht. Also Langeweile wird sicher keine aufkommen. Er polarisiert, er riskiert und er macht endlich wieder Tatort! München und Graf, das müsste doch eigentlich passen.


Erwartungs-Barometer: Sehr schwer… Eine vorsichtige 5
Die Note danach:
Ich werde diesen Tatort nicht benoten. 
Natürlich gibt es auch hier wieder extrem schlaue Kritiker, die den sensationell fanden:
„Dominik Graf ist der beste deutsche TV-Krimi-Regisseur. Entsprechend gut war sein Münchner «Tatort» «Aus der Tiefe der Zeit»“.  „Manchmal muss man einfach dazu stehen und sagen: passt. Chapeau. Gut gemacht.“  usw.
Waaaaaaaaaaaassssssss???????????? Das Barometer lässt sich doch nicht verarschen. Da hat man dermassen gute Schauspieler und so viel Filmpotential zu Verfügung und dreht eine solche Scheisse.
Ganz ehrlich, vor 18 Jahren hätte man mit dieser Machart vielleicht noch ein bisschen provozieren können, heute jedoch wirkt es wie eine Persiflage. Etwas wirre Schnitte, 1000 Zooms, bisschen Hektik und nicht mal eine gute Story, die mal wieder in der SS enden muss. Unter aller Sau. Natürlich kann man mir vorwerfen, dass ich ihn einfach nicht verstanden habe, dass er zu hoch war, für ein simples Gemüt wie mich, quasi der David Lynch-Effekt. Aber nein, ich nehme mir die Arroganz raus, dass es das nicht sein kann. Dieser Film und der Gedanke dahinter waren einfachst zu durchschauen. Das war Effekthascherei auf schlechtestem Niveau und hatte mit Filmkunst wirklich absolut nichts zu tun, sorry. Jeder Schauspieler musste noch irgendeine Requisite mit sich rum schleppen, Perücken tragen oder einen Spagat machen. Was im Theater geklaut wird, passt noch lange nicht einfach so in einen Tatort. Selbstverständlich noch ein paar blutige Titten, jede Szene völlig überladen und bereits einen Vorspann, als würde gleich die erste Folge von Dallas gespielt. Wie gesagt, eine Inszenierung, die schon vor 18 Jahren altbacken und elitär gewirkt hätte, heute ist sowas nur noch lächerlich und anstrengend nervig. Heute kann man mit solch peinlich billigen Aktionen nicht mal mehr Kinder schocken. Aber klar, dass ein paar intellektuelle Filmfuzzis bei sowas den Handstand machen vor Freude, ist ja der Dominik Graf, gell. Jammerschade für alle die guten Schauspieler, und mein tiefstes Beileid an all die Zuschauer, die auf sowas noch reinfallen. Ich bin zum Glück nur im Vorfeld drauf rein gefallen…



Die Meinungen werden also komplett auseinander gehen. Das Barometer jedoch muss sich auf eine Note festlegen. Ich für mich freue mich extrem auf diesen Tatort, befürchte jedoch, dass er mit Geschichten und Dialogen ziemlich überladen sein wird. Fast als wollte Graf all die Ideen, die er während der 18jährigen Tatort-Abwesenheit hatte, nun in eine einzige Folge packen. Es wird definitiv ein anstrengender Abend werden. Man muss versuchen sich drauf einzulassen. Das ist sicher nicht einfach, aber belanglose Tatort-Episoden gab es ja in der letzten Zeit zur Genüge.

0 = Eine Art Polizeifunk im Bananenfisch
6 = Eine Art Polizeifunk mit dem Teigfuss


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20. Oktober 2013

Tatort: Die chinesische Prinzessin (Münster)

Kürzlich hatte ich die ganz grosse Ehre den mysteriös genialen Kriminaltango persönlich kennen lernen zu dürfen. Es war mir wirklich eine Freude und irgendwie passend zu dem Zufallstreffen, fand es in einer Location statt, welche für mich an arroganter Negativ-Energie kaum zu überbieten ist. Ein Lokal, welches es in der Hand hätte eine ganze Stadt in Bewegung zu versetzen, welches zwar mit DJ und Musik auftrumpft, so eingängig, dass die Leute förmlich zu platzen drohen, vor lauter Drang sich bewegen zu wollen, welches aber gleichzeitig mit taghellem Licht und bewusst schlechtem Konzept jegliche Möglichkeiten auf eine richtig gute Party unterbindet. Der Vergleich mag absurd klingen, aber ich muss dabei immer irgendwie an Hakan Yakin denken. Welch unglaubliches Talent ihm Emine doch in die Wiege legte! Ein solch riesiges Potential, welches er aber leider nicht annähernd ausgeschöpft hat. Zu sehr war er den andern überlegen, als dass er noch was für seinen Fussball hätte tun müssen. Ein zu grosses Genie und manch fussballaffiner Barometer-Leser pflichtet mir sicher bei, wenn ich sage, dass er der beste Fussballer hätte werden können, den die Schweiz je gesehen hat, wenn er durch Einsatz und Fitness sein volles Potential ausgeschöpft hätte. Und genau so fühlt sich dieses Lokal an. Zu gut läuft es, ganz ohne Bemühungen. Ohne Konkurrenz wichtigtut man sich ein bisschen durch die Kultur. Doch aus purer Ignoranz gegenüber dem Besucher, verpufft hier Wochenende für Wochenende ein unheimliches Potential. Mit dem Tatort hat das alles herzlich wenig zu tun, aber wie der Zufall es eben wollte, traf ich den Kriminaltango genau hier und lustigerweise auch gleich noch an einem Kurzfilmfestival, welches uns mehrheitlich mit Schwachsinn berieselte. Und während dem ganzen Kennenlern-Prozess versuchte mir der Tango (von subtil bis ziemlich direkt) zu vermitteln, dass ich doch etwas positiver durch die Welt gehen sollte. Es würde sich lohnen, konnte ich zwischen den Zeilen lesen. Nun gut, das Barometer ist nicht prinzipiell negativ. Es ist zwar äusserst streng, es ist sehr fordernd, aber jederzeit offen für ein Meisterwerk. So sehr ich etwas verfluchen kann, so sehr kann ich auch etwas aus tiefster Seele lieben, einen Film verehren, einen Schauspieler vergöttern. Er oder es muss einfach nur gut sein. Das ist alles.
Und genau dieses Gute habe ich mit dem Kriminaltango dann doch noch gefunden. Die Nacht hatte ihre beste Zeit bereits hinter sich gelassen, als ich völlig unverhofft zu der wohl besten Crêpe meines Lebens kam. Einfach so. Mit zartem Schinken, würzigem Käse und frischen Kräutern. Das alles serviert von einer Art Peter Pan mit seiner Elfe. Wie in einem absurden Traum. Der Essensstand war eigentlich längst geschlossen, es war so dunkel, dass wir ihn nicht einmal wahrgenommen haben. Aber gerade als wir vorbei gehen wollten, gingen mit einem Knall die Lichterketten an, fröhliche Musik spielte auf, und die Platte dampfte für uns. Fast als hätte jemand einen Schalter „Crêpe-Stand ON“ gedrückt. Fast als wollte mir der Kriminaltango sagen: „Siehe mein Sohn, es geht auch so!“
Und so habe ich mir das irgendwie zu Herzen genommen, habe mir feste vorgenommen einfach mal wieder wesentlich positiver an das Barometer ran zu gehen. Einfach mal wieder das Gute zu suchen und zu sehen. Und was könnte da besser passen, als der Tatort aus Münster? Wie habe ich die unnützen Blödeleien in den letzten Jahren verflucht? Mit aller Kraft habe ich auch den letzten Fan von Thiel und Boerne davon zu überzeugen versucht, dass Münster einfach nur noch Schrott ist. Aber just in diesem Moment der kriminaltangoischen Bewusstseinserweiterung lese ich über diese neue Folge: „Mit mehr Ernst bei der Sache als zuletzt“! Willst du mir damit was sagen, Tango? Genau darum habe ich ja nun seit Jahren gebettelt. Die waren ja nicht immer so schlecht. Im Gegenteil. Als dieses Team in Münster angefangen hat, war das eine hervorragende Sache. Etwas neues, mit ganz grossen deutschen Schauspielern. Spannende Fälle mit gutem Humor angereichert. Genau das, was dem Tatort damals oft gefehlt hat. Aber je erfolgreicher Münster wurde, desto einfacher machte man es sich. Desto mehr liess man das Potential einfach verpuffen (das wird jetzt aber kein Link zurück zu der Hakan Geschichte. Wäre zu gesucht und auch total kontraproduktiv für meine gute Stimmung, die ich ja schaffen will), desto mehr driftete man in eine Ecke ab, die wirklich kaum mehr als Krimi zu bezeichnen war. Total unrealistisch und nur noch billiger Klamauk. Aber nun, auf meiner Suche nach der positiven Energie, scheint es mit Münster wieder steil aufwärts zu gehen. Warum sollte es nicht einfach mal wieder genauso klappen wie in den ersten Folgen? Die Schauspieler sind nach wie vor top, filmisch war Münster immer auf höchstem Niveau und nun scheint auch das Drehbuch wieder mit feiner Feder geschrieben worden zu sein. Von Grimme Preisträger Orkun Ertener. Man munkelt sogar, dass diese Geschichte eine Art Neustart des Duos aus Münster sein könnte! Alles also schreit nach der positiven Wende. Sowohl in Münster, wie auch im Barometer!

Erwartungs-Barometer: 5.5
Die Note danach:  4
Tja, Tango. Die Crêpe war wirklich sensationell, wie in einem Märchen, aber die Unrealität zu Münster holt mich wieder in die Realität zurück. Der war doch Quatsch, oder?

Seit langer Zeit also, freue ich mich mal wieder auf einen Tatort aus Münster. Natürlich wird die münsteranische Grundstimmung beibehalten, und natürlich kann nicht alles ändern, es wird eine Komödie bleiben. Aber niemand sagt ja was gegen eine Krimi-Komödie, sie muss einfach nur gut sein! Und jetzt, da ich mich auf das Positive fokussiere, vertraue ich fest auf die Seele der Stadt. Auf die römische Schlange, die unter Münster ihre positive Energie freisetzt, gell Kriminaltango!
PS: Enttäusch mich bitte nicht…

0 = Wie die Schweiz gegen Togo ohne Hakan
6 = Wie die Schweiz gegen Togo mit Hakan

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6. Oktober 2013

Tatort: Freunde bis in den Tod (Ludwigshafen)



Als ich noch zu Schule ging, sind meine Eltern mit uns ein paar Mal nach Italien ans Meer gefahren. Es sollte jeweils sowas wie das Highlight des Jahres werden, weiter fuhr oder flog man in unserer Kindheit ja eigentlich noch nicht. Keine Ahnung wieso, aber irgendwie waren diese Reisen nach Italien nicht so mein Ding, und ich habe auch nie mehr gross an diese Zeiten gedacht. Nun habe ich aber kürzlich, viele Jahre später, selber einen solchen Urlaub unternommen, und während der langen Fahrt gen Süden, sind all die Bilder von damals, all die Erinnerungen wieder hochgekommen. Wie ich als Knirps hinten im Auto sass und mir die Reise unendlich lange vorkam. Wie man müde war, und doch nicht schlafen konnte. Wie es nach der blauen Stunde kontinuierlich heller wurde und mit der Morgensonne auch die unerträgliche Hitze kam. All die italienischen Spinner auf der Autobahn, die selbst bei doppelter Sicherheitslinie und Gegenverkehr zu waghalsigen Überholmanöver ansetzen. Es war damals alles schon genau so, wie es heute noch immer ist. Und während der Fahrt, als ich nun Zeit hatte über all das nachzudenken, ist mir plötzlich aufgefallen, dass mich diese Reisen irgendwie ans Tatort-Schauen, bzw. ans Tatort-Barometer-Schreiben erinnern.  
Man sitzt in diesem Auto, fragt sich immer und immer wieder, wie lange es wohl noch dauern wird, bis diese mühsamen Stunden in dieser beklemmenden Enge vorbei sind und man endlich mal wieder das Meer zu sehen kriegt. Es ging ja nur darum. Im Gegensatz zu andern Reisen, ist bei einer Italienreise der Weg nie das Ziel. Das Meer ist das Ziel, und alles andere nimmt man auf sich, um eben an dieses Ziel zu gelangen. Da schauen wir uns also Sonntag für Sonntag irgendwelche mühsamen Folgen an, nur um irgendwann wieder einen richtig guten Tatort zu sehen. Der Weg kann kaum das Ziel sein. Der perfekte Tatort ist das Ziel. Oder zumindest ein guter Tatort ist das Ziel, alle anderen nimmt man in Kauf, um irgendwann da anzukommen. Das wirklich Frustrierende jedoch ist, dass man nach der anstrengenden Fahrt, verschwitzt und total übermüdet irgendwo in einem Feriendörfchen ankommt und neben all der Freude über den Gelati-Stand gleich um die Ecke, schnell mal merken muss, dass man im Endeffekt ja doch nur ans Mittelmeer gefahren ist, und nicht an den Atlantik oder den Pazifik. Man freut sich also Woche für Woche auf eine gute Folge, nimmt dafür all den Müll in Kauf, nur um am Schluss festzustellen, dass auch eine gute Folge halt doch nur ein Tatort ist, und dass das Mittelmeer nie ein richtiger Ozean werden wird.
Nun gut, wie immer im Leben, spielt auch hier die Perspektive eine grosse Rolle. Denn vielleicht will man ganz einfach nur ans Mittelmeer, es gibt auch da wunderschöne Plätze. Vielleicht ist ein guter Tatort im richtigen Moment eben genau das, was wir brauchen. Vielleicht wollen wir am Sonntagabend gemütlich vor dem Fernseher sitzend, gar nicht von den gigantischen Wellen des Atlantiks oder des Pazifiks beeindruckt werden. Vielleicht genügt ein schöner Mittelmeer-Tatort durchaus, um uns zu entspannen, bevor es am Montag bereits wieder auf den Rückweg oder zur Arbeit geht. Und aus diesem Blickwinkel lohnt sich die Fahrt dann eben doch. Da nimmt man halt die grundgestörten Autofahrer in Kauf und schaut sich halt auch 3 - 4 schleppend anstrengende Tatorte an, bevor man mal wieder einen richtig guten zu sehen kriegt. Immerhin ist das Mittelmeer ja doch auch ein Meer. Von beachtlicher Grösse und wunderschön! Die Fahrt nach Italien also, war nie das Ziel, aber sie gehörte nun mal dazu. Genauso wie die schlechten Tatorte, auf der Suche nach dem perfekten, eben auch irgendwie dazu gehören!
Und so dreht sich die Grundstimmung des Barometers einmal mehr innert kürzester Zeit um 180 Grad, zu einem wunderschön versöhnlichen Happy-End! Alles gut, könnte man nun also meinen. Aber einen Punkt habe ich noch nicht erwähnt: Die aktuelle Folge kommt aus Ludwigshafen.
Es bleibt einem unterwegs an die italienische Küste nicht viel anderes übrig, als irgendwann bei einer italienischen Autobahnraststätte raus zu fahren. Und da war ich wieder. Der kleine Knirps von damals. Kaum aus dem Auto, drückt einem die Hitze den übermüdeten Kopf schier auf den von Schlaglöchern übersäten Asphalt (oder was davon noch übrig ist). Zum Atmen ist es zu heiss, zu stickig, zum Reden viel zu laut. Jede Sekunde donnert ein Fiat an einem vorbei, der selbst im 5ten Gang schier zu explodieren droht. Überall stehen sie rum, die Gestrandeten, bleichgesichtigen aus dem Norden. Alle verfolgen sie dasselbe Ziel wie du. Verzweifelt redest du dir ein, keinen Teil davon zu sein. Aber es bringt nichts. Egal ob in Trainerhosen, in zu kurzen Hosen oder wie du, in am Oberschenkel klebenden, verschwitzen Jeans. Der Anblick ekelt dich an. Die Sonne aber ist so grell, dass du versuchst so schnell wie möglich durch das viel zu enge Drehkreuz in den Innenbereich zu gelangen. Aber es wird nicht besser, denn spätestens da, ist auch die letzte Erinnerung wieder zurück. Autogrill. Gibt es was Übleres? Es sieht genauso aus wie vor 25 Jahren. Da wurde nichts gemacht. Drinnen ist es nicht mehr nur der Anblick dieser Menschenmasse, drinnen riecht man sie auch. Und das italienische Autobahnraststätten-Klo riecht man auch. Nicht nur wenn man sich darauf befindet, auch wenn man an der Stehbar ein völlig überteuertes, süsses Croissant von vorgestern isst, oder sich eine 4 Meter lange Salami, welche für 149 Euro anstatt für 180‘000 Lire zu haben ist, anschaut. Wer kauft so einen Scheiss? Und auch wenn mir das keiner glaubt, im Radio läuft Eros Ramazotti. Mir wird speiübel, genau wie damals. So schnell wie möglich irgendwas reinstopfen, eine lauwarme Cola für den Weg, damit man die restlichen 300km auch noch irgendwie überstehen wird, und dann zurück auf die Mörderpiste A12 Richtung Toscana. Alles wie damals also. Das Erlebnis „Italienischer Autogrill“ ist nach wie vor zutiefst verstörend, aber auch das gehört dazu, es bleibt einem nichts anderes übrig, als eine bis zwei Raststätten pro Reise mitzunehmen und so bleibt uns auch nicht viel anderes übrig, als eine bis zwei Folgen aus Ludwigshafen pro Saison mitzunehmen. Das Erlebnis „Tatort Ludwigshafen“ ist zutiefst verstörend, aber auch das gehört halt dazu. So schnell wie möglich wieder nach draussen. Wir sind ja schon bald am Mittelmeer, und das reicht irgendwie auch völlig aus. Wer will da noch den Atlantik oder den Pazifik sehen?

Erwartungs-Barometer: 3
Die Note danach: 3.5
(Was wurde eigentlich aus den tickenden Bömbchen? Odenthal oder Kopper entschärft?)

Mag sein, dass das eine der besseren Folgen aus Ludwigshafen sein wird, aber es ist und bleibt ein italienischer Autogrill. Der Geruch, der bleibt, auch 25 Jahre später. Das Team aus Ludwighafen, das bleibt, auch 25 Jahre später. Dermassen verstaubt und altbacken. Internet-Mobbing unter Jugendlichen!?! Wow. Wieder eine dieser möchte-gern „die böse Welt anklagenden Geschichten“, die ja ach so nahe am Leben dran sind, während sich die Frau Odenthal und der Herr Kopper mühsamst vom seit 4 Wochen nicht mehr gereinigten Klo zur von Teutonen beschlagnahmten Espressotheke bzw. ganz einfach von Szene zu Szene schleppen. Mir wird speiübel, genau wie damals.

0 = Eine nicht friiiiische Spaghetti alla Vongole
6 = Eine friiiische Spaghetti alla Vongole

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