6. Oktober 2013

Tatort: Freunde bis in den Tod (Ludwigshafen)



Als ich noch zu Schule ging, sind meine Eltern mit uns ein paar Mal nach Italien ans Meer gefahren. Es sollte jeweils sowas wie das Highlight des Jahres werden, weiter fuhr oder flog man in unserer Kindheit ja eigentlich noch nicht. Keine Ahnung wieso, aber irgendwie waren diese Reisen nach Italien nicht so mein Ding, und ich habe auch nie mehr gross an diese Zeiten gedacht. Nun habe ich aber kürzlich, viele Jahre später, selber einen solchen Urlaub unternommen, und während der langen Fahrt gen Süden, sind all die Bilder von damals, all die Erinnerungen wieder hochgekommen. Wie ich als Knirps hinten im Auto sass und mir die Reise unendlich lange vorkam. Wie man müde war, und doch nicht schlafen konnte. Wie es nach der blauen Stunde kontinuierlich heller wurde und mit der Morgensonne auch die unerträgliche Hitze kam. All die italienischen Spinner auf der Autobahn, die selbst bei doppelter Sicherheitslinie und Gegenverkehr zu waghalsigen Überholmanöver ansetzen. Es war damals alles schon genau so, wie es heute noch immer ist. Und während der Fahrt, als ich nun Zeit hatte über all das nachzudenken, ist mir plötzlich aufgefallen, dass mich diese Reisen irgendwie ans Tatort-Schauen, bzw. ans Tatort-Barometer-Schreiben erinnern.  
Man sitzt in diesem Auto, fragt sich immer und immer wieder, wie lange es wohl noch dauern wird, bis diese mühsamen Stunden in dieser beklemmenden Enge vorbei sind und man endlich mal wieder das Meer zu sehen kriegt. Es ging ja nur darum. Im Gegensatz zu andern Reisen, ist bei einer Italienreise der Weg nie das Ziel. Das Meer ist das Ziel, und alles andere nimmt man auf sich, um eben an dieses Ziel zu gelangen. Da schauen wir uns also Sonntag für Sonntag irgendwelche mühsamen Folgen an, nur um irgendwann wieder einen richtig guten Tatort zu sehen. Der Weg kann kaum das Ziel sein. Der perfekte Tatort ist das Ziel. Oder zumindest ein guter Tatort ist das Ziel, alle anderen nimmt man in Kauf, um irgendwann da anzukommen. Das wirklich Frustrierende jedoch ist, dass man nach der anstrengenden Fahrt, verschwitzt und total übermüdet irgendwo in einem Feriendörfchen ankommt und neben all der Freude über den Gelati-Stand gleich um die Ecke, schnell mal merken muss, dass man im Endeffekt ja doch nur ans Mittelmeer gefahren ist, und nicht an den Atlantik oder den Pazifik. Man freut sich also Woche für Woche auf eine gute Folge, nimmt dafür all den Müll in Kauf, nur um am Schluss festzustellen, dass auch eine gute Folge halt doch nur ein Tatort ist, und dass das Mittelmeer nie ein richtiger Ozean werden wird.
Nun gut, wie immer im Leben, spielt auch hier die Perspektive eine grosse Rolle. Denn vielleicht will man ganz einfach nur ans Mittelmeer, es gibt auch da wunderschöne Plätze. Vielleicht ist ein guter Tatort im richtigen Moment eben genau das, was wir brauchen. Vielleicht wollen wir am Sonntagabend gemütlich vor dem Fernseher sitzend, gar nicht von den gigantischen Wellen des Atlantiks oder des Pazifiks beeindruckt werden. Vielleicht genügt ein schöner Mittelmeer-Tatort durchaus, um uns zu entspannen, bevor es am Montag bereits wieder auf den Rückweg oder zur Arbeit geht. Und aus diesem Blickwinkel lohnt sich die Fahrt dann eben doch. Da nimmt man halt die grundgestörten Autofahrer in Kauf und schaut sich halt auch 3 - 4 schleppend anstrengende Tatorte an, bevor man mal wieder einen richtig guten zu sehen kriegt. Immerhin ist das Mittelmeer ja doch auch ein Meer. Von beachtlicher Grösse und wunderschön! Die Fahrt nach Italien also, war nie das Ziel, aber sie gehörte nun mal dazu. Genauso wie die schlechten Tatorte, auf der Suche nach dem perfekten, eben auch irgendwie dazu gehören!
Und so dreht sich die Grundstimmung des Barometers einmal mehr innert kürzester Zeit um 180 Grad, zu einem wunderschön versöhnlichen Happy-End! Alles gut, könnte man nun also meinen. Aber einen Punkt habe ich noch nicht erwähnt: Die aktuelle Folge kommt aus Ludwigshafen.
Es bleibt einem unterwegs an die italienische Küste nicht viel anderes übrig, als irgendwann bei einer italienischen Autobahnraststätte raus zu fahren. Und da war ich wieder. Der kleine Knirps von damals. Kaum aus dem Auto, drückt einem die Hitze den übermüdeten Kopf schier auf den von Schlaglöchern übersäten Asphalt (oder was davon noch übrig ist). Zum Atmen ist es zu heiss, zu stickig, zum Reden viel zu laut. Jede Sekunde donnert ein Fiat an einem vorbei, der selbst im 5ten Gang schier zu explodieren droht. Überall stehen sie rum, die Gestrandeten, bleichgesichtigen aus dem Norden. Alle verfolgen sie dasselbe Ziel wie du. Verzweifelt redest du dir ein, keinen Teil davon zu sein. Aber es bringt nichts. Egal ob in Trainerhosen, in zu kurzen Hosen oder wie du, in am Oberschenkel klebenden, verschwitzen Jeans. Der Anblick ekelt dich an. Die Sonne aber ist so grell, dass du versuchst so schnell wie möglich durch das viel zu enge Drehkreuz in den Innenbereich zu gelangen. Aber es wird nicht besser, denn spätestens da, ist auch die letzte Erinnerung wieder zurück. Autogrill. Gibt es was Übleres? Es sieht genauso aus wie vor 25 Jahren. Da wurde nichts gemacht. Drinnen ist es nicht mehr nur der Anblick dieser Menschenmasse, drinnen riecht man sie auch. Und das italienische Autobahnraststätten-Klo riecht man auch. Nicht nur wenn man sich darauf befindet, auch wenn man an der Stehbar ein völlig überteuertes, süsses Croissant von vorgestern isst, oder sich eine 4 Meter lange Salami, welche für 149 Euro anstatt für 180‘000 Lire zu haben ist, anschaut. Wer kauft so einen Scheiss? Und auch wenn mir das keiner glaubt, im Radio läuft Eros Ramazotti. Mir wird speiübel, genau wie damals. So schnell wie möglich irgendwas reinstopfen, eine lauwarme Cola für den Weg, damit man die restlichen 300km auch noch irgendwie überstehen wird, und dann zurück auf die Mörderpiste A12 Richtung Toscana. Alles wie damals also. Das Erlebnis „Italienischer Autogrill“ ist nach wie vor zutiefst verstörend, aber auch das gehört dazu, es bleibt einem nichts anderes übrig, als eine bis zwei Raststätten pro Reise mitzunehmen und so bleibt uns auch nicht viel anderes übrig, als eine bis zwei Folgen aus Ludwigshafen pro Saison mitzunehmen. Das Erlebnis „Tatort Ludwigshafen“ ist zutiefst verstörend, aber auch das gehört halt dazu. So schnell wie möglich wieder nach draussen. Wir sind ja schon bald am Mittelmeer, und das reicht irgendwie auch völlig aus. Wer will da noch den Atlantik oder den Pazifik sehen?

Erwartungs-Barometer: 3
Die Note danach: 3.5
(Was wurde eigentlich aus den tickenden Bömbchen? Odenthal oder Kopper entschärft?)

Mag sein, dass das eine der besseren Folgen aus Ludwigshafen sein wird, aber es ist und bleibt ein italienischer Autogrill. Der Geruch, der bleibt, auch 25 Jahre später. Das Team aus Ludwighafen, das bleibt, auch 25 Jahre später. Dermassen verstaubt und altbacken. Internet-Mobbing unter Jugendlichen!?! Wow. Wieder eine dieser möchte-gern „die böse Welt anklagenden Geschichten“, die ja ach so nahe am Leben dran sind, während sich die Frau Odenthal und der Herr Kopper mühsamst vom seit 4 Wochen nicht mehr gereinigten Klo zur von Teutonen beschlagnahmten Espressotheke bzw. ganz einfach von Szene zu Szene schleppen. Mir wird speiübel, genau wie damals.

0 = Eine nicht friiiiische Spaghetti alla Vongole
6 = Eine friiiische Spaghetti alla Vongole

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1 Kommentar:

Schreibtischtäter hat gesagt…

Jeder Autogrill ist ein Gourmettempel im Vergleich zu dem, was uns heute zugemutet wurde.

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