Als ich noch zu Schule ging, sind meine Eltern mit uns ein
paar Mal nach Italien ans Meer gefahren. Es sollte jeweils sowas wie das
Highlight des Jahres werden, weiter fuhr oder flog man in unserer Kindheit ja
eigentlich noch nicht. Keine Ahnung wieso, aber irgendwie waren diese Reisen
nach Italien nicht so mein Ding, und ich habe auch nie mehr gross an diese
Zeiten gedacht. Nun habe ich aber kürzlich, viele Jahre später, selber einen
solchen Urlaub unternommen, und während der langen Fahrt gen Süden, sind all
die Bilder von damals, all die Erinnerungen wieder hochgekommen. Wie ich als
Knirps hinten im Auto sass und mir die Reise unendlich lange vorkam. Wie man
müde war, und doch nicht schlafen konnte. Wie es nach der blauen Stunde
kontinuierlich heller wurde und mit der Morgensonne auch die unerträgliche Hitze
kam. All die italienischen Spinner auf der Autobahn, die selbst bei doppelter
Sicherheitslinie und Gegenverkehr zu waghalsigen Überholmanöver ansetzen. Es
war damals alles schon genau so, wie es heute noch immer ist. Und während der
Fahrt, als ich nun Zeit hatte über all das nachzudenken, ist mir plötzlich
aufgefallen, dass mich diese Reisen irgendwie ans Tatort-Schauen, bzw. ans
Tatort-Barometer-Schreiben erinnern.  
Man sitzt in diesem Auto, fragt sich immer und immer
wieder, wie lange es wohl noch dauern wird, bis diese mühsamen Stunden in
dieser beklemmenden Enge vorbei sind und man endlich mal wieder das Meer zu
sehen kriegt. Es ging ja nur darum. Im Gegensatz zu andern Reisen, ist bei
einer Italienreise der Weg nie das Ziel. Das Meer ist das Ziel, und alles
andere nimmt man auf sich, um eben an dieses Ziel zu gelangen. Da schauen wir
uns also Sonntag für Sonntag irgendwelche mühsamen Folgen an, nur um irgendwann
wieder einen richtig guten Tatort zu sehen. Der Weg kann kaum das Ziel sein.
Der perfekte Tatort ist das Ziel. Oder zumindest ein guter Tatort ist das Ziel,
alle anderen nimmt man in Kauf, um irgendwann da anzukommen. Das wirklich
Frustrierende jedoch ist, dass man nach der anstrengenden Fahrt, verschwitzt
und total übermüdet irgendwo in einem Feriendörfchen ankommt und neben all der
Freude über den Gelati-Stand gleich um die Ecke, schnell mal merken muss, dass
man im Endeffekt ja doch nur ans Mittelmeer gefahren ist, und nicht an den
Atlantik oder den Pazifik. Man freut sich also Woche für Woche auf eine gute
Folge, nimmt dafür all den Müll in Kauf, nur um am Schluss festzustellen, dass
auch eine gute Folge halt doch nur ein Tatort ist, und dass das Mittelmeer nie
ein richtiger Ozean werden wird. 
Nun gut, wie immer im Leben, spielt auch hier die Perspektive
eine grosse Rolle. Denn vielleicht will man ganz einfach nur ans Mittelmeer, es
gibt auch da wunderschöne Plätze. Vielleicht ist ein guter Tatort im richtigen
Moment eben genau das, was wir brauchen. Vielleicht wollen wir am Sonntagabend
gemütlich vor dem Fernseher sitzend, gar nicht von den gigantischen Wellen des
Atlantiks oder des Pazifiks beeindruckt werden. Vielleicht genügt ein schöner
Mittelmeer-Tatort durchaus, um uns zu entspannen, bevor es am Montag bereits
wieder auf den Rückweg oder zur Arbeit geht. Und aus diesem Blickwinkel lohnt
sich die Fahrt dann eben doch. Da nimmt man halt die grundgestörten Autofahrer
in Kauf und schaut sich halt auch 3 - 4 schleppend anstrengende Tatorte an,
bevor man mal wieder einen richtig guten zu sehen kriegt. Immerhin ist das
Mittelmeer ja doch auch ein Meer. Von beachtlicher Grösse und wunderschön! Die
Fahrt nach Italien also, war nie das Ziel, aber sie gehörte nun mal dazu.
Genauso wie die schlechten Tatorte, auf der Suche nach dem perfekten, eben auch
irgendwie dazu gehören! 
Und so dreht sich die Grundstimmung des Barometers einmal
mehr innert kürzester Zeit um 180 Grad, zu einem wunderschön versöhnlichen
Happy-End! Alles gut, könnte man nun also meinen. Aber einen Punkt habe ich
noch nicht erwähnt: Die aktuelle Folge kommt aus Ludwigshafen. 
Es bleibt einem unterwegs an die italienische Küste nicht
viel anderes übrig, als irgendwann bei einer italienischen Autobahnraststätte
raus zu fahren. Und da war ich wieder. Der kleine Knirps von damals. Kaum aus
dem Auto, drückt einem die Hitze den übermüdeten Kopf schier auf den von
Schlaglöchern übersäten Asphalt (oder was davon noch übrig ist). Zum Atmen ist
es zu heiss, zu stickig, zum Reden viel zu laut. Jede Sekunde donnert ein Fiat
an einem vorbei, der selbst im 5ten Gang schier zu explodieren droht. Überall
stehen sie rum, die Gestrandeten, bleichgesichtigen aus dem Norden. Alle
verfolgen sie dasselbe Ziel wie du. Verzweifelt redest du dir ein, keinen Teil
davon zu sein. Aber es bringt nichts. Egal ob in Trainerhosen, in zu kurzen
Hosen oder wie du, in am Oberschenkel klebenden, verschwitzen Jeans. Der
Anblick ekelt dich an. Die Sonne aber ist so grell, dass du versuchst so
schnell wie möglich durch das viel zu enge Drehkreuz in den Innenbereich zu
gelangen. Aber es wird nicht besser, denn spätestens da, ist auch die letzte
Erinnerung wieder zurück. Autogrill. Gibt es was Übleres? Es sieht genauso aus
wie vor 25 Jahren. Da wurde nichts gemacht. Drinnen ist es nicht mehr nur der
Anblick dieser Menschenmasse, drinnen riecht man sie auch. Und das italienische
Autobahnraststätten-Klo riecht man auch. Nicht nur wenn man sich darauf
befindet, auch wenn man an der Stehbar ein völlig überteuertes, süsses
Croissant von vorgestern isst, oder sich eine 4 Meter lange Salami, welche für
149 Euro anstatt für 180‘000 Lire zu haben ist, anschaut. Wer kauft so einen
Scheiss? Und auch wenn mir das keiner glaubt, im Radio läuft Eros Ramazotti.
Mir wird speiübel, genau wie damals. So schnell wie möglich irgendwas
reinstopfen, eine lauwarme Cola für den Weg, damit man die restlichen 300km
auch noch irgendwie überstehen wird, und dann zurück auf die Mörderpiste A12
Richtung Toscana. Alles wie damals also. Das Erlebnis „Italienischer Autogrill“
ist nach wie vor zutiefst verstörend, aber auch das gehört dazu, es bleibt
einem nichts anderes übrig, als eine bis zwei Raststätten pro Reise mitzunehmen
und so bleibt uns auch nicht viel anderes übrig, als eine bis zwei Folgen aus
Ludwigshafen pro Saison mitzunehmen. Das Erlebnis „Tatort Ludwigshafen“ ist
zutiefst verstörend, aber auch das gehört halt dazu. So schnell wie möglich
wieder nach draussen. Wir sind ja schon bald am Mittelmeer, und das reicht
irgendwie auch völlig aus. Wer will da noch den Atlantik oder den Pazifik
sehen?
Erwartungs-Barometer: 3
Die Note danach: 3.5
(Was wurde eigentlich aus den tickenden Bömbchen? Odenthal oder Kopper entschärft?) 
Mag sein, dass das eine der besseren Folgen aus
Ludwigshafen sein wird, aber es ist und bleibt ein italienischer Autogrill. Der
Geruch, der bleibt, auch 25 Jahre später. Das Team aus Ludwighafen, das bleibt,
auch 25 Jahre später. Dermassen verstaubt und altbacken. Internet-Mobbing unter
Jugendlichen!?! Wow. Wieder eine dieser möchte-gern „die böse Welt anklagenden
Geschichten“, die ja ach so nahe am Leben dran sind, während sich die Frau
Odenthal und der Herr Kopper mühsamst vom seit 4 Wochen nicht mehr gereinigten
Klo zur von Teutonen beschlagnahmten Espressotheke bzw. ganz einfach von Szene
zu Szene schleppen. Mir wird speiübel, genau wie damals.
0 = Eine nicht friiiiische Spaghetti alla Vongole
6 = Eine friiiische Spaghetti alla Vongole
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1 Kommentar:
Jeder Autogrill ist ein Gourmettempel im Vergleich zu dem, was uns heute zugemutet wurde.
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