30. August 2014

Tatort: Paradies (Wien)


Season Premier 2014/2015:

Switzerland vs. Austria PART I

Kaum zu fassen. Der Sommer ist vorbei, der Tatort ist zurück und mit ihm das gute, alte Barometer!
Freut euch jedoch nicht zu früh, die Tage werden zwar kürzer, meine Einträge jedoch nicht. Und auch die Qualität des Barometers wird selbstverständlich nicht gesteigert, nur die Kritik wird vielleicht noch etwas schärfer. Erklärtes Ziel bleibt es, den perfekten Tatort zu finden. Auf dem Weg dahin werden jedoch weiterhin sämtliche dilettantischen Ansätze unserer aller geliebten Institution gnadenlos aufgedeckt.
Und so möchte ich mit einer kleinen Geschichte zum helvetischen Beitrag der Tatort-Reihe beginnen.
Kurz vor der Sommerpause veröffentlichten diverse Zeitungen die durchschnittlichen Zuschauerzahlen des Tatorts. Und während die Schweizer Ausgabe zwar hierzulande eine relativ hohe Quote vorzuweisen hat, lockt sie in Deutschland mit Abstand am wenigsten Zuschauer vor den Fernseher. Dass das Schweizer Team im germanischen TV-Markt nicht grad durch die Decke geht, mag für uns Tatort-Fachleute (die wir ja alle sind) keine allzu grosse Überraschung sein, für die Macher der Luzerner Reihe jedoch scheint das absolut unverständlich. Und so liessen die Erklärungen und Stellungsnahmen nicht lange auf sich warten.
Der Leiter „Abteilung Fiktion“ einer bekannten Schweizer Fernsehanstalt wurde in einem Interview z.B. mit folgender Frage konfrontiert:

„Wie erklären Sie sich denn diese schlechte Platzierung?
“

Das Barometer hätte an seiner Stelle ungefähr Folgendes geantwortet:

„Was denken Sie eigentlich wie gerne wir endlich einen anständigen Tatort drehen würden? Aber wie sollen wir das machen, wenn wir im ganzen Land keinen einzigen Drehbuchautor finden, der uns ein einigermassen gutes Script liefern kann? Selbst die besten Schauspieler der Welt könnten bei diesen holprigen Dialogen keine glaubwürdige Szene spielen. Unmöglich. Und selbst wenn. Die Schweiz ist langweilig, Luzern ist langweilig, das Fernsehen ist langweilig, die Schauspieler sind langweilig, das Leben ist langweilig, die Zuschauer sind langweilig... was sollen wir da tun? Uns fehlen die Geschichten, uns fehlt der Mut, uns fehlt es an allem. Wir sind zu neutral-banal.
Aber wir werden weitermachen und unser Bestes versuchen. Vielleich schaffen wir irgendwann einen Einstieg auf dem Niveau, auf welchem der Fasnachts-Tatort beendet wurde. Ab da wurde es nämlich spannend, ab diesem Punkt wären wir richtig gut. Wir könnten es also. Da haben wir mal bisschen was riskiert, aber danach kriegten wir wieder nur noch Schrott geschrieben. Ich werde kämpfen, wir werden kämpfen, wir werden es früher oder später hinkriegen, das sind wir den Zuschauern schuldig. Hiermit verspreche ich jedem einzelnen Gebührenzahler, dass wir an einem Schweizer Tatort arbeiten, der ganz Deutschland vor Freude zum Weinen bringen wird!“

Ungefähr eine solche Antwort wäre doch irgendwie glaubwürdig und der Situation angepasst gewesen. Wir Zuschauer, hätten die Ehrlichkeit sehr geschätzt. Seine Antwort lautete jedoch so:

„Wie erklären Sie sich denn diese schlechte Platzierung?
“

„Die unbefriedigenden Quoten der letzten beiden Filme haben viel mit dem Sendeplatz zu tun. «Geburtstagskind» wurde unmittelbar nach der Sommerpause ausgestrahlt, «Zwischen zwei Welten» am Ostermontag. Auf diesen Plätzen machen nachweislich auch die anderen «Tatorte» schlechtere Quoten.“ ...

Nachweislich? Äääm, nacheweiseliche? Ich frage mich, was er mit nachweislich genau meint.

Ich werde die Aussage zum Ostermontag weder werten noch kommentieren. Ich füge jedoch ein paar Sätze ein, die ich in einer 45-Sekunden Google Recherche nachweislich gefunden habe.

2012
Die Ostermontag-Folge des Tatorts „Kinderland“ war für die ARD ein voller Erfolg. Wie der Westdeutsche Rundfunk (WDR) am heutigen Dienstag bekannt gab, verfolgten bundesweit 10,17 Millionen Menschen die Folge aus Köln. Der Marktanteil lag bei starken 28 %.

(Tatort Köln Durchschnitt 2012-2014: 9,37 Mio.)

2013
Das Erste sicherte sich am Ostermontag den Primetime-Sieg, denn der neue «Tatort» aus München unterhielt 9,30 Millionen Zuschauer und war somit der erfolgreichste Tatort aus Bayern in den letzten Jahren. Er brachte es auf 26,1 Prozent Marktanteil.

(Tatort München Durchschnitt 2012-2014: 9,06 Mio.)

2014
Kein anderer “Tatort” lockte in den vergangenen anderthalb Jahren so wenige Zuschauer an wie “Zwischen zwei Welten”, der neueste Fall für Reto Flückiger. Auch damals, im August 2012, war es ein “Tatort” aus der Schweiz, der knapp über der 7-Mio.-Marke hängen blieb.

Hmmmmm.... Egal.

Okay, mit dem Sendeplatz nach der Sommerpause gebe ich ihm absolut Recht. Genau das hat ja das Barometer vor einem Jahr auch schon nachweislich kritisiert. Den Sommer zu beenden ist definitiv sehr schwierig und gute Quoten sind nachweislich wirklich nicht zu holen.

Und trotzdem wird auch in diesem Jahr eine Stadt die Saison eröffnen müssen. Es wird WIEN sein!
Spannender könnte die angerissene Quoten-Geschichte für den Betrachter und für das Barometer also nicht werden. Der Krimi fängt an, bevor auch nur eine Sekunde neuer Tatort gesendet wurde. Was machen die Österreicher auf diesem katastrophalen Sendeplatz? Scheitern auch sie? Oder beweisen sie nach der Sommerpause gar Ostermontag-Qualitäten? Das ist ein Event, das ist ein packendes Drehbuch, da müssen wir dran bleiben. Und als wäre das nicht Spannung genug, lässt die ARD eine Woche danach gleich die neue Schweizer Folge aus der Kiste. Als hammerharten Direktvergleich. Und da sagt mir einer noch, dass die beim Ersten nicht wissen, wie man dramatischste Spannung erzeugen kann. Was brauchen wir den Tatort selber, wenn das Drumherum ein solcher Thriller ist. Österreich muss in den sauren Apfel beissen und die Saison eröffnen, während die Schweiz den wesentlich besseren September-Termin gekriegt hat. Die zwei kleinen Alpenfurz-Länder liefern sich auf deutschen Boden, eine Quoten-Schlacht auf allerhöchstem Niveau. Wahnsinn. Wer schiesst hier wohl wem den sauren Apfel von der Birne? Es ist angerichtet. Lasst die Tatort- Saison beginnen!

Anmerkung:
Versteht mich nicht falsch, nichts würde ich mir sehnlicher wünschen, als dass die Schweiz endlich mal einen richtig Kracher in den Himmel lässt. Ich habe gar eine Lanze für Luzern gebrochen. Habe Deutschland kritisiert, dass sie lieber mal ihre eigenen grottenschlechten Folgen ausmisten sollten, bevor sie uns als löchrigen Käse betiteln. Aber leider wurde auch ich damals ein weiteres Mal enttäuscht. Vielleicht sollte man in dieser besagten Fernsehanstalt für einmal, nur für ein einziges Mal etwas selbstkritischer walten, in Anbetracht dessen, dass man seit Jahren nachweislich die schlechtesten Quoten einfährt, egal auf welchem Sendeplatz.

Erwartungs-Barometer: 5
Die Note danach: Knappe 4.5
Wie gesagt: Unspektakulär, überzeichnet, unglaubwürdig, jedoch gute Dialoge und gut gespielt. 
Unter dem Strich: Ein nachweislich bescheidener Auftakt.

Ach ja, fast vergessen. Der eigentliche Krimi kommt ja auch noch, wie erwähnt aus Wien und noch nicht aus Luzern. Obwohl diese Story eigentlich eher nach Vierwaldstädtersee klingt. Bibis Vater stirbt in einem Pflegeheim auf dem Lande und hinterlässt unerwartet viel Geld. Die Kommissare ermitteln in ihrem Urlaub auf eigene Faust und ein alter Freund begibt sich undercover in das Altersheim.
Nachdem die Fellner und der Eisner nun gegen jede erdenkliche Mafia dieser Welt gekämpft haben, gibt es nun also eine äusserst gemächliche Rentner-Folge zur Saison-Eröffnung. Uns erwartet also kein Großstadt-Feuerwerk, dafür wahrscheinlich ziemlich überspitzte Figuren. Und trotzdem freue ich mich sehr darauf!
Denn wenn jemand unspektakuläre Geschichten gut erzählen kann, wenn jemand selbst komplett überzeichnete Charaktere glaubwürdig darstellen kann, dann ist es Wien. Niemand grantelt so schön, niemand spielt so echt, und niemand schreibt momentan so gute Dialoge wie sie, egal auf welchem Sendeplatz.

0 = Saisonbeginn - Termin
6 = Ostermontag - Termin

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