12. Oktober 2014

Tatort: Im Schmerz geboren (Wiesbaden)


Hinsetzen. Innehalten. Kopf frei machen. Jetzt heisst es ganz, ganz tief durchatmen, liebe Barometerleser/innen. Ffffffffffff.
Nochmals atmen. Ffffffff. Und nochmals. Ffffffff. Lasst die Gedanken ziehen, versucht loszulassen, versucht eure Mitte zu finden. Und immer weiter atmen. Ffffffff. Fffffff. Ffffffff. Erst wenn ihr ganz nahe bei euch seid, erst wenn ihr euch wirklich gehen lassen könnt, erst wenn alles andere vergessen scheint, seid ihr bereit für diesen Tatort! Atmet tief. Fühlt euch frei. Ganz leicht. Schwebt. Geniesst!

Mein Herz pocht wie wild. Es pocht durch meinen ganzen Körper, ich fühle es bis runter in meine Knie, welche sich der Konsistenz von grüner Grütze nähern. Die sonst solch zierlichen Schmetterlinge reissen mir mit einer immensen Wucht ganze Löcher in meinen Bauch. Die Magenschmerzen, die ich immer habe, wenn ich so nervös bin, sind kaum auszuhalten. So kann ich doch kein Barometer schreiben. Mein Verstand spielt verrückt, wie damals bei den ersten schüchternen Treffen. Wie damals, als mich diese so verliebte Unsicherheit bzw. diese so unsichere Verliebtheit zu zerreissen drohte. Heute entscheidet sich alles. Ich werde sie heute endlich darauf ansprechen und dann ist die Katze aus dem Sack. Sie liebt mich genau so unsterblich wie ich sie. Sie wird mir um den Hals fallen und mich mit nach Rosenblüten duftenden Küssen überschütten, oder sie wird mich mit einem in tausend Stücke zerbrochenen Herzen zurück lassen und mir sagen, dass das mit uns leider nichts werden wird. Dass sie mich lieber als Kollegen möchte, oder unsere gute Freundschaft nicht aufs Spiel setzen möchte, oder irgend sonst so ne scheiss billige Ausrede, die mein Leben zerstören wird. Aber sie muss mich doch einfach lieben. So was spüre ich doch. Das ist doch gegenseitig. Das ist doch pure Magie. Oder ist sie einfach nur nett? Mag sie nur meine Anwesenheit? Nein, das muss die grosse Liebe sein. Heute ist der Tag. Irgendwie liegt heute etwas in der Luft. Irgendwie ist heute alles anders. Heute beginnt eine neue Tatort-Zeitrechnung.
Zum ersten Mal seit ich das Barometer schreibe, wage ich eine perfekte Folge zu prognostizieren. Sehr zurückhaltend zwar, aber heute könnte wirklich was werden. Aber eben, genauso gut, kann die ARD mein Herz einmal mehr aus meiner Seele reissen und es ohne mit der Wimper zu zucken in die kackbraunen Fluten des Rheins werfen. Und wer Wiesbaden kennt, der weiss, was Herzen im kackbraunen Rhein bedeuten, der weiss, dass dieser Tatort auch einfach eine Eins werden kann. Aber heute ist alles möglich. Heute werde ich es ihr sagen. Heute werde ich endlich den Mut aufbringen, sie zu fragen, ob sie mit mir gehen will. Heute wird der beste Tag meines Lebens.

Ihr wisst wie sehr ich es mag, wenn der Tatort auch mal richtig was riskiert. Und genau das hat Wiesbaden mit dem Tumor im Kopf von Felix Murot nun schon drei Mal gemacht. Sie haben abgedrehte Dinge gedreht, absurde Geschichten erfunden, sie versuchten das ganze Tatort-Genre auf den Kopf zu stellen. Ganz neue Wege sind sie gegangen. Meinen allergrössten Respekt dafür. Sie haben riskiert, sehr viel riskiert, aber aus meiner Sicht leider drei Mal alles verloren. Dachte ich zumindest bis jetzt. Ich wusste ja nicht, dass diese drei Folgen vielleicht alle nur als Vorgeplänkel, für das Jahrhundertwerk gedacht waren. Als ob die drei Folgen eine Art Lernprozess gewesen seien. Drei komplizierteste Beziehungen, die überhaupt nicht funktionierten, drei Mädels, die mich irgendwann sitzen gelassen, und die eben, dieses eine Herz quasi dreimal zerrissen haben. Alles war nur ein Pfad des Schmerzes um heute die ganz grosse Liebe zu erfahren. All dieses Leid, all der Liebeskummer, macht ab heute Sinn. Diese drei Folgen haben uns gequält, sie haben uns mit gigantischem Stuss und überhaupt nicht funktionierenden Geschichten malträtiert, nur damit wir heute den perfekten Tatort auf einer Ebene erleben können, wie es sie sonst nicht gegeben hätte. Heute liegt etwas in der Luft, heute macht plötzlich alles Sinn.
Es gibt absolut nichts, was nicht dafür, oder dagegen sprechen sollte. Wss?!? Ja, genau.
Ein Western soll es sein. Ein Tatort-Western! Kopiert die ganz grossen Regisseure. Anlehnung an Sergio Leone, an Quentin Tarantino. Filmzitate an jeder Ecke. Vollstes Risiko. Für einen Tatort bestimmt das dünnste je begehbare Eis. Wenn das nicht zum Scheitern verurteilt ist. Ich wusste doch, dass sie auf einen andern Typen steht. Ich wusste es. Bitte nicht wieder dieses unendliche Liebesleiden. Sie bringt mich um. Oder doch nicht? Im Leben kann auch einfach mal etwas klappen. Ganz simpel. Aus dem Nichts. Plötzlich ist einfach mal etwas perfekt. Punkt. Das gibt es. Ein Western in Wiesbaden. 47 Tote, Tatort Rekord. (Til, die Muschi ist mit seinen 19 ein schlechter Witz dagegen.) Wiesbaden wird aus dem Nichts zur ganz grossen Liebe. Ulrich Tukur spielt sein Meisterstück. Und noch besser Theatergott Ulrich Matthes den diabolischen Bösewicht! Ohne Witz, ich weiss von Frauen, welche sich bei -10 Grad und eisigem Ostwind morgens um 5 Uhr in die VVK-Reihe des Deutschen Theaters in Berlin gestellt haben, nur um in sämtlichen seiner Vorstellungen in der ersten Reihe sitzen, und sich von ihm bespucken lassen zu können. So nahe wollten sie ihm sein. Da kommt also eine geballteste Ladung an Tatort auf uns zu. Ein Tornado im Hessischen Wilden Westen. Ein Experiment auf allerhöchstem Niveau. Das wird kein Film, das wird ein Kunstwerk! Heute gewinnen wir gemeinsam die ganze Welt, oder wir scheitern dermassen kläglich, dass es äusserst schwierig werden wird, irgendwann im Leben nochmals so zu lieben.

Erwartungs-Barometer: 6 oder eben 1
Die Note danach: ...
Was für ein grandioses Theaterstück, was für ein traumhaftes Märchen, was für ein Kunstwerk! Jedoch alles andere als ein Tatort. Aber was soll ich sagen, man kann sich die Liebe nicht aussuchen. Sie sucht einen aus. Ich wusste heute liegt was in der Luft. SIE HAT JA GESAGT! ... 6

Ich bin weder Fan von Western, noch vom Tatort aus Wiesbaden. Aber man kann sich die Liebe nicht aussuchen. Sie sucht einen aus.
Der Hessische Rundfunk beschenkt uns mit dem Jahrhundert-Experiment. Kommissar Murot ermittelt in einem deutschen Western. Vollstes Risiko. Alles oder nichts!
Sie liebt mich. Sie liebt mich nicht.
Sie liebt mich. Sie liebt mich nicht.
Sie liebt mich. Sie liebt mich nicht.
Sie liebt mich...

0 = Vielleicht der heutige Tatort
6 = Vielleicht der heutige Tatort


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