Heute
werde ich, zu eurem Leide, ein etwas ausführlicheres Barometer schreiben müssen. Denn
schon wieder muss ich mein Konzept neu überdenken. Es geht um Grundsatzfragen.
Immerzu strebe ich nach der absoluten Glaubwürdigkeit und nach Authentizität
pur. Aber an dieser Messlatte scheitert der Tatort immer wieder kläglich. So
auch Dortmund. Da ich nun aber von einigen Lesern (durchaus auch solche, denen
ich einen sehr guten Filmgeschmack attestiere) gesagt gekriegt habe, wie gut
sie „Mein Revier“ fanden, habe ich mir selbstverständlich meine Gedanken
darüber gemacht, ja machen müssen. Wahrscheinlich sollte ich sonntags einfach
DOK-Filme schauen, wenn mir die Glaubwürdigkeit dermassen wichtig ist. Denn
hätte ich all die absurd-schlechten Nebengeschichten beim letzten Tatort ausblenden
können, wäre der wirklich ganz gut gewesen. Vielleicht muss ich den Tatort
einfach von einer etwas andern Seite bewerten. Vielleicht sollte ich meinen
Blickwinkel ändern. Vielleich sollte ich dieser Glaubwürdigkeit, dieser
absoluten Echtheit etwas weniger Gewicht einräumen bei meiner Vorbeurteilung
bzw. eben oft Vorverurteilung. Vielleicht sollte ich diese Dinge einfach mal wieder
komplett ausblenden, um mich trotz Ungereimtheiten richtig auf den Tatort
einlassen zu können. Es scheint, als habe ich mich da etwas verrannt. Aber das
Gute ist, dass sich dieses Barometer-Projekt in einem stetigen Prozess
befindet. Nur weil ich fest gefahren bin, nur weil es in meinem Kopf immer nur
schwarz und weiss gibt, heisst das noch lange nicht, dass das Barometer nicht
total agil sein kann, sich nicht verändern kann. Im Gegenteil. Das Barometer
geht mit der Zeit, reagiert auf jeweilige Situationen, auf die Wahrnehmung der
Leser und erfindet sich somit immer wieder neu. Und so werde ich also
versuchen, meinen Durst nach Echtheit mit irgendwelchen Reportagen zu stillen,
um dafür der totalitären Glaubwürdigkeit bei meiner Bewertung wesentlich
weniger Gewicht einzuräumen.  
Das
klingt doch gut, wenn nur nicht ausgerechnet Berlin vor der Türe stehen würde.
Denn die Erwartungen, die ich an die Nordstadt in Dortmund gehabt habe, sind
ein klitzekleiner Furz, gegen die Erwartungen, die ich an eine Stadt wie Berlin
und somit auch an den Tatort aus Berlin habe! Wenn ich sagte, dass in Dortmund
ein grosses Potential verschenkt wurde, dann finde ich keinen passenden
Vergleich, um auszudrücken, welch Potential die Berliner in ihrem Tatort verschleudern.
Und da ist Glaubwürdigkeit und Echtheit noch das geringste Problem. 
Vor
drei Wochen habe ich im Münchener Barometer Berlin als Vergleich beigezogen:
„In
Berlin z.B. werden mittlerweile sicher mehr Filme gedreht. Da passiert mehr. Der
Berliner Film wächst rasant, in Berlin ist die Szene, in Berlin wird gepröbelt,
in Berlin wird erfunden, in Berlin werden Fässer aufgemacht.“
Hab
ich damals geschrieben. So ist es also in der Hauptstadt. Da sind die Leute,
die Geschichte und Geschichten schreiben wollen, Schauspieler, die sich für die
Kunst auf der Bühne das Herz raus reißen, Regisseure, die in der U-Bahn um Geld
betteln, damit sie auch nur einen Bruchteil ihrer Ideen verwirklichen können.
Die Stadt könnte jederzeit explodieren (oder implodieren?), vor lauter
kreativer Energie. In jedem Bissen Imrem-Kebab schmeckt man die Unendlichkeit,
an jeder Ecke riecht man die Welt, wenn einem mal wieder der energetisch
geladene Ostwind um die Ohren pfeift. Jeder Straßenköter schafft es, aus Berlin
ein Paradies zu machen, alle schaffen es Berlin auf irgendeine Art und Weise zu
nutzen, zu ihrer eigenen Stadt zu machen! Nur der Berliner Tatort fühlt sich
Mal für Mal wie grüne Grütze an. Wie Ratingen oder Schweinfurt. Ich glaube, es
gibt keinen Tatort, der dermaßen an der Stadt vorbei zielt, wie der Berliner.
Seit jeher versuche ich eine Erklärung dafür zu finden, aber es gelingt mir
nicht. Es stecken sicher die falschen Leute dahinter. Leute, die Berlin nicht
als das sehen, was es ist (oder wie ich es sehe). Wahrscheinlich sind es Leute,
aus Süddeutschland, die von der ARD nach Berlin umgesiedelt wurden. Leute,
denen Berlin zu gefährlich, zu dreckig, zu egal ist. Leute, die rausgeputzte
Fussgängerzonen mögen und nun in Berlin einen Tatort produzieren sollen. Nur so
ist diese unendliche Schande irgendwie erklärbar. Denn bei keinem Tatort
klaffen Anspruch (meinerseits) und Realität so weit auseinander. Natürlich
musste auch ich akzeptieren, dass in Berlin längstens nicht alles so läuft, wie
es laufen sollte. Aber dass die Berliner es auch nach 20 Jahren nicht schaffen
einen Flughafen zu bauen, das kann man rational erklären. Auch die sehr vielen
anderen Dinge, die da schief laufen kann man auf irgendeine Art verstehen, aber
dass sie es einfach nicht hinkriegen, einen Tatort zu produzieren, der
zumindest ein bisschen von Berlins riesigem Herzen transportieren kann, das ist
und bleibt mir ein ewiges Rätsel. 
Nach
so viel Text sollte eigentlich alles gesagt sein. Es geht um Synthetische
Drogen in Nachtclubs und dunkle Geheimnisse. Natürlich klingt das zumindest
nach einem Versuch Berlin zu nutzen, aber es klingt irgendwie auch wieder
verdächtig danach, dass hinter diesem Drehbuch erneut ein Zwangsumgesiedelter
aus dem idyllischen Schwarzwald steckt.
Was
das alles nun mit der Glaubwürdigkeit in Dortmund zu tun hat? Woher soll ich
das wissen? Das ist Berlin. Und wenn es um Berlin geht, bin ich weder objektiv,
noch nüchtern, geschweige denn auf irgendeine Art zurechnungsfähig. Die totale
Ambivalenz. Ich verzeihe Berlin immer und immer wieder. Denn jetzt, ja jetzt
könnte doch alles besser werden (obwohl ich mich an keinen einzigen guten
Tatort aus Berlin erinnern kann). Aber wie sagte ich vor einer Woche so schön:
Ich bin mir sicher, dass „ein geniales Konzept für den Dortmunder
Berliner Tatort fixfertig auf dem Silbertablett bereit liegen würde, und ich
wünschte mir so so sehr, dass es einfach einer nehmen und verfilmen würde. Es
wäre doch so simpel. Man müsste das Leben nur laufen lassen. Eine einfache,
bewegende und packende Geschichte aus diesemr zwar tragischemn,
aber eben auch äusserst spannendemn Viertel Stadt. Es braucht so
wenig, um die Zuschauer mitzureissen. Einfach ehrlich und echt müsste es sein.“
Und
so sehr ich weiss, wie ich enttäuscht sein werde, so sehr weiss ich, dass es jederzeit
geschehen kann/könnte. Einfach so. In Berlin ist alles möglich!
  
Erwartungs-Barometer:
Eine 5 wünschte ich mir
sehnlichst.
Bei einer 4 könnte die
Wahrheit liegen.
Eine 3 würde mich auch nicht
überraschen.
Die Note danach: 3,5
Die Note danach: 3,5
Auch wenn der eigentlich
tragisch gemeinte Titel mit Berlin nichts zu tun hat, so könnte er für diese Stadt besser nicht
passen.
0
= ungefähr so viel Erwartung wie von Max‘ Music Productions und seinem Telefon!
6
= ungefähr so viel Erwartung wie von Max‘ Palast und der Dieffenbachstrasse!
Falls
der neue Barometer-Blog nicht euren Vorstellungen entspricht, könnt ihr ihn
unter diesem Link löschen:
1 Kommentar:
Ach herrje. Wenn man uns doch nur ein halbwegs glaubhaftes Motiv präsentieren würde.
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