18. Mai 2014

Tatort: Alle meine Jungs (Bremen)


Der Tatort aus Bremen war ja immer eine Art Geheimtipp des Barometers. Im Stillen, ohne gross in den Medien aufzutauchen, haben die ihr Ding sehr solide und immer wieder richtig gut durchgezogen. In der letzten Zeit reichte jedoch genau dieses bescheidene Erfolgsgeheimnis den Hansestädtern irgendwie nicht mehr aus. Gute Tatorte, ohne grosse Aufregung, scheinen heute nicht mehr gewünscht. Dabei sind es genau diese, die mittlerweile fehlen, weil ein Jeder irgendeine Granate platzieren möchte, welche sich im Endeffekt ja sowieso nur als weiterer Blindgänger entpuppt. Und so konnte auch das Team aus Bremen irgendwann dem Spektakel nicht mehr widerstehen und hat angefangen absurde Privatgeschichten und noch absurdere Kriminalgeschichten einzubauen. Das ganze gipfelt nun in dieser Folge. Die Kommissare müssen wegen einem Mordfall im Bremer Müllabfuhr-Milieu ermitteln, welches aus lauter Verbrechern besteht. Ein knallharter Tatort in einer Parallelgesellschaft, von welcher der Normalbürger gar nie was mitbekommt, könnte ja durchaus spannend sein. Ich bin immer für neue Schauplätze und groteske Einfälle. Aber ich befürchte, dass die orange leuchtenden Figuren dermassen überzeichnet sein werden, dass das eher eine Müllmann-Mafia à la Münster Tatort sein wird, als eine authentische Geschichte mit tragisch spannenden Figuren, wie in den früheren Bremer Tatorten. Aber wer soll es Bremen auch übel nehmen? Es ist doch genau das, was das Publikum heute will. Alles überzeichnet, alles overactet, alles eine Schippe brutaler oder natürlich alles klamaukig. Nur ja keinen cm Anspruch, damit wäre der Grossteil der Deutschen Fernsehzuschauer am Sonntagabend komplett überfordert. Und den will man sicher nicht verärgern. Irgendwann konnte halt auch Bremen der magischen 10 Millionen Zuschauergrenze nicht mehr widerstehen. Und die erreicht man nur noch mit Action, Comedy oder Spektakel, sicher nicht mit guten Drehbüchern. Der Beweis dafür: Der Karriere-Plan des Bremer Tatorts scheint aufzugehen. Je mehr Bremen von diesem alten, sympathischen Weg abkam, desto höher wurde die Quote! Mit über 9 Millionen sind sie mittlerweile sehr nahe dran, geknackt haben sie sie aber noch nie. Mal sehen, ob es die Müllmänner richten werden.

Erwartungs-Barometer: 4
Quote: 9,7 Millionen
Drehbuch: Wirr
Plot: WTF?
Motiv: ???
Highlight: Der Schweizer Roeland Wiesnekker
Barometer Prognose: Exakt
Die Note danach: 4

Ich gebe zu, bei Köln letzte Woche habe ich mich vertan. Er war nicht ganz so schlecht gespielt und die Geschichte war wesentlich besser als gedacht. Und so hoffe ich natürlich sehr, dass mich mein Gefühl auch diese Woche wieder täuscht. Im Endeffekt wollen wir ja möglichst gute Tatorte, und erst in zweiter Linie möglichst exakte Barometer-Prognosen. Wer weiss, vielleicht schafft ja mein gutes altes Bremen den Spagat zwischen 10 Millionen und feinem Drehbuch. Das wäre die wahre Sensation!

0 = Das moderne Modernes
6 = Das gute alte Modernes


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10. Mai 2014

Tatort: Ohnmacht (Köln)


Wie vor einer Woche erwähnt: Nach dem guten Münchener Tatort befindet sich das Barometer nun bereits in einem Sommer-Sparmodus. Für die restlichen Folgen bis zur Sommerpause lohnt es sich nicht mehr viel Aufwand zu betreiben, obwohl es Köln ja eigentlich verdient hätte. Immerhin hat sich der WDR bei den letzten zwei Folgen aus Köln ziemlich Mühe gegeben. Franziska war extraklasse, und die Feuerteufel Mama auch relativ gut.

Das Problem ist nur, dass genau diese Qualität der letzten zwei Folgen, die Chancen auf eine erneut gute Folge praktisch gegen Null sinken lässt. Wir alle wissen mittlerweile, wie unglaublich schwierig es ist, ein gutes Drehbuch zu schreiben. Zwei einigermaßen gute Scrips in Serie, so wie es Köln gelungen ist, grenzen schon an ein kleines Wunder. Jedoch nun auch noch ein drittes in Folge ist schlicht unmöglich. Und so brauche ich gar nicht erst mit irgendwelchen Spekulationen und Vermutungen zu kommen, sondern kann mich auf die Fakten verlassen. Mathematisch kann dieser Tatort nur schlecht werden.

Und das wird er auch. Jugendgewalt. U-Bahn-Prügler. Hochaktuell. Ein Junge wird tot geschlagen, Kommissar Ballauf ist per Zufall!!! auch vor Ort, versucht zu helfen, wird selber verkloppt und vor eine einfahrende U-Bahn geschmissen. Was? Und danach löst er den Fall auf halb legalem Weg!!!, weil er natürlich als Zeuge nicht ermittlungsberechtigt ist. Klar wird das Thema sehr beklemmend sein, zu oft passieren genau solche Dinge, überall, aber der Tatort wird trotzdem scheitern. Und zwar für einmal nicht nur an dem Drehbuch, sondern vor allem auch an der schauspielerischen Leistung. Es tut mir wirklich sehr leid, aber wie soll ein Klaus J. Behrendt eine solch schwierige Geschichte authentisch spielen? Und obwohl angeblich ein Prügel-Mädel ziemlich glaubwürdig daher kommen soll, bin ich absolut sicher, dass auch die Prügel-Kids schauspielerisch nur schwer zu ertragen sein werden.
Natürlich ist es unfair und völlig vermessen, den Schauspielern die Hauptschuld für einen miesen Tatort zu geben. Oft ist ein Drehbuch so schlecht, dass es auch die Darsteller nicht retten können. Oder der Regisseur ist einfach nicht im Stande, die Schauspieler richtig zu führen und das Beste aus ihnen rauszuholen. Aber hier? Wir haben ja den Vergleich zwischen Kommissar Bär und Kommissar Ballauf seit Jahren. Und Ballauf als Hauptfigur, völlig aufgebracht, weil er von einer U-Bahn überrollt wurde?  ...
„Manchmal gibt es eben Scheisstage“, sagen die Kommissare gleich selber zum Schluss.

Erwartungs-Barometer: 3,5
Die Note danach: 4,5
Besser als erwartet. Natürlich geht das Thema unter die Haut, aber die Story halt doch mit einigen Hängern und eben Ballauf...

Köln würde besser einfach einmal pro Jahr eine Franziska-Niveau-Folge raus lassen, anstatt nun gesellschaftskritisches Mittelmass ab Fliessband zu liefern.
Aber sehen wir doch diesen Tatort einfach als Musterbeispiel, als eine Art Schulfernsehen zum Thema „Die Schwierigkeiten und Tücken im Beruf des Schauspielers – Teil 1“. Ihr werdet staunen, was es da alles zu beobachten gibt.

0 = Ballaufen
6 = Bären


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3. Mai 2014

Tatort: Am Ende des Flurs (München)







Ich will keine Sekunde verschwenden. Absolut keine Zeit verlieren. Das ist es. Das ist Tatort! Genau für diese so selten gewordenen Folgen, tun wir uns all die Scheisse an. So muss ein Tatort sein, so macht uns Tatort Freude. So beweist der Tatort, warum er zum besten gehört, was das deutsche TV zu bieten hat. Völlig unerwartet, mitten in der alltäglichen Tatort-Lethargie, haut mein geliebtes Team aus München, welches fast verloren schien, einen raus. Endlich mal wieder, muss man sagen. Endlich! Und mit einer Sekunde ist alles anders. Es fühlt sich so gut an. So echt. Eine solch tiefe Freude! Mit einer Sekunde sind wir hellwach, sind wir bereit. Diese raren Momente dürfen wir auf keinen Fall verpassen. Wenn es drauf ankommt, sind wir da. Ist das Barometer da.
Fast wie wenn du mit deinen besten Freunden eine Nacht lang durchgesoffen hast und dich taumelnd und lethargisch im Halb-Koma auf den Heimweg machen willst und plötzlich fällt einer deiner Jungs bei Minus Temperaturen in den See. Du hörst dieses Klatschen. Diese eine Sekunde. Und du hast keine Ahnung, wie dein Körper das schafft, aber du bist mit einer Sekunde wieder hellwach. Du bist da. Du bist bereit. Als hättest du keinen einzigen Tropfen Alkohol im Blut. Mit einer Sekunde sind all deine Sinne schärfer als je zuvor und du funktionierst, als ob du nie etwas anderes gemacht hättest, als Freunde aus eiskalten Gewässern zu ziehen. Du bist da, du bist bereit. So nüchtern wie nie.
So fühlt sich das an. Dieses endöde Tatort Wachkoma, in dem wir uns mittlerweile befinden, aber dann kommt München. Dann hörst du dieses Klatschen in der Isar, und du weißt, jetzt ist der Moment. Jetzt lohnt es sich bereit zu sein. Mit einer Sekunde sind all deine Sinne schärfer als je zuvor und du funktionierst, als ob du nie etwas anderes gemacht hättest, als gute Tatorte zu schauen! Du bist da, du bist bereit. So nüchtern, wie nie.

Gerade die Bayern haben uns in der letzten Zeit ja gewaltig verarscht. Die letzten zwei Folgen (Dominik Graf-Debakel und peinlichster Internet-Youtube-Enthüllungs-Star-Schrott) waren eine absolute Katastrophe und ich machte mir ernsthafte Sorgen um die ansonsten seit Jahrzehnten soliden Tatorte aus München. Himmeltraurig, was da produziert wurde. Aber die Leute im Filmland Bavaria sind schlicht zu gut, um nicht selber zu merken, dass das in eine desaströs falsche Richtung läuft und als gäbe es nichts Einfacheres, legen sie nun eine Folge vor, die in der Jahresrangliste 2014 vermutlich sehr weit oben zu finden sein wird. Einfach so. „Wir hoben a bissl gschlammpt, ober, jetz nach der Brotzeit, hoben wir wieder a Datort gmacht, ge“. In München geht das. So viel Talent schwirrt da rum. Einfach mal wieder kurz aufs Wesentliche konzentrieren und schon kommt dabei ne Bombe raus. Wenn auch eine aus sehr tiefer Seele.

„Bei jedem Menschen gibt es einen Punkt, an dem er einsam ist. Lisa Brenner kannte ihn. Als man an einem grauen Morgen ihre Leiche vor einem Hochhaus findet, heruntergestürzt aus dem 12. Stock, hinterlässt sie eine Reihe von Männern, die sie verehrt und geliebt haben. Lisa war ihnen allen so nah und zugetan, dass am Ende keiner wusste, ob wirklich er gemeint war.“ © BR

Gut, das Barometer findet natürlich auch bei diesem Tatort Spuren, die auf eine Notenreduktion hindeuten könnten. Dass ausgerechnet einer der Kommissare einer der Liebhaber war, ist wieder einer dieser Zufälle, die ich eigentlich nicht mehr akzeptieren wollte. Und die schleppend mühsame Suche nach dem neuen Assistenten geht nun mit einem 21jährigen Milchbubi in die nächste Runde. Wir alle wissen ja mittlerweile, wie Teams an der versuchten Jugendlichkeit scheitern können. Aber wer weiss, vielleicht kann München diese beiden Hänger geschickt kaschieren? Zumal das vermeintliche Milchbubi extrem talentiert sein soll. Ob die Geschichte bis ganz zum Schluss durchhalten kann, wird sich weisen. Aber Drehbuch, Machart und Schauspieler werden jedenfalls auf sehr hohem Level agieren.

Erwartungs-Barometer: 5,5
Die Note danach: Gute 5

Vergelt´s Gott. München ist zurück. Und wie! „Mit einem Feuerwerk vom aller feinsten“ wie ich so gerne zu pflegen sage. Ein bombastisches, aber ein leises. Ein grandioses, aber ein bescheidenes. Genau so, wie ich es liebe. Diese Folge ist ein absolutes Muss, danach kann ich mich, bzw. können wir uns alle eigentlich in die frühzeitige Sommerpause verabschieden. Mehr als 2-3 Knallfrösche und Frauenfürze wird es vor dem Sommer nicht mehr zu sehen geben.

0 = Wie von einem Fake-Feuerwehrmann an einer 80’s Party.
6 = Wie von der Blaulichtparty der Jungpolizei München.


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