Eigentlich besteht die
Barometerredaktion aus lauter kleinen, nichtsnutzigen Wichten (in meinem Kopf),
die in ihrem ganzen Leben noch nichts Sinnvolles auf die Beine gestellt haben
und aus ihren verkümmerten Höhlen bösartige Sachen raus schreien. Wer oder was
gibt mir eigentlich das Recht so arrogant über etwas zu urteilen, von dem ich
doch eigentlich keine Ahnung habe? Warum sollte es mir zustehen so etwas Komplexes,
wie einen Tatort, dermassen kritisch zu bewerten, wenn ich doch selber nie im
Leben auch nur einen Teil davon hinkriegen würde?
Solche Fragen
beschäftigen mich immer wieder. Es sind Grundsatzfragen. Haben Fussballfans das
Recht, Spieler zu kritisieren, auch wenn sie selber früher selbst auf dem
Pausenplatz nicht einmal ein Tor zustande gekriegt haben? Darf ich Sportler
bewerten, darf ich Theater bewerten, darf ich prinzipiell etwas bewerten, auch
wenn ich es selber niemals besser hinkriegen würde? Jeder macht es, jeder
wertet und bewertet, aber steht es uns wirklich zu? 
Es lässt sich natürlich
mit Geld argumentieren. Wenn ich Eintritt bezahle, will ich, dass sich die
Schauspieler auf der Bühne oder die Fussballspieler auf dem Platz ihren Arsch
aufreissen. Und wenn Stars so viel Geld kassieren, sollen sie gefälligst erst
recht ihren Arsch aufreissen. Wenn wir schon Billag oder GEZ zahlen müssen,
sollen sich gefälligst auch die Leute, welche unser Geld verpulvern, ihren
Arsch aufreissen. Sind alles einleuchtende Argumente, aber mir scheint das zu
einfach. Ich bin mir sicher, dass jeder von uns schon Tage hatte, an denen er
sein Geld nicht wirklich wert war. Mir geht es viel mehr um den Job im
Allgemeinen. Meine einzige Erwartung an den Tatort und an die Welt ist
schlicht, dass die Leute ihren Job richtig machen. Es muss nicht immer ein Sieg
sein, nicht immer ein grandioses Resultat oder ein super Film, aber ich
erwarte, dass die Leute den Umständen entsprechend ihren Job richtig machen.
Das erwarte ich auch von mir. Und wenn ich das nicht tue, dann will ich
unbedingt kritisiert werden. Und beim Tatort ist es nun mal so, dass der
Zuschauer die Möglichkeit hat zu vergleichen. Das ist fies, aber so sind die
Gegebenheiten. Die Voraussetzungen scheinen überall ähnlich. Eine Stadt, paar
Kommissare und ein gewisses Budget. Wenn ich sehe, was Kiel daraus machen kann,
verglichen mit dem, was Konstanz aus einer praktisch gleichen Situation macht,
muss ich doch davon ausgehen, dass die in Konstanz ihren Job einfach nicht
richtig machen. Dass sie schlicht nicht ihr Bestes geben. Natürlich stellt sich
auch hier sofort die Frage, woher nehme ich das Recht zu denken, dass ich
beurteilen kann, dass die nicht ihr Bestes gegeben haben? Vielleicht bauen ja
die Drehbuchautoren aus Konstanz hauptberuflich genial raffinierte
Kühlaggregate, die besten in ganz Deutschland. Vielleicht sind sie grossartige
Fischer und niemand holt so geschmeidig Welse aus dem Bodensee wie sie.
Vielleicht sind sie Autisten, können mit Zahlen umgehen wie keine andern.
Vielleicht sind es schwere Legastheniker und die Drehbücher, welche sie
schreiben, grenzen an wahre Wunder. Vielleicht haben sie beim Schreiben so viel
mehr geleistet, als selbst der optimistischste Logopäde ihnen zugetraut hätte.
Und nun komme ich, und sage, dass sie ihren Job nicht richtig gemacht haben.
Das ist schon heikel. Vielleicht sind es analphabetische Sommeliere, welche
zwar jeden Wein alleine am Geruch erkennen können, in ihrem Leben jedoch noch
nie einen Satz geschrieben haben. Sie hätten also mehr als nur ihr Bestes
gegeben. Und ehrlich gesagt, würde das auch irgendwie das Drehbuch dieses
Tatorts erklären. Natürlich wird eine Leiche am Bodenseeufer gefunden. So weit,
so bekannt. Aber danach spielt die Geschichte plötzlich während der Badischen
Revolution im Jahre 1848 und die einzig spannende Frage ist, ob die Klara Blum
damals auch schon ermittelt hat. Ein Mord heute und ein Mord von damals also,
dazu jede Menge langweiliges Gelaber über teure Weine, ein Schlückchen
Steuerflüchtlinge und eine grosse Karaffe voll Bodensee. Also Konstanz-Tatort
at his best. Eine weitere dramatische Havarie auf hoher See. 
Selbstsprechend wäre
diese Geschichte aus der Feder eines richtigen Drehbuchautors ein absolutes
Desaster. Aber für einen Sommeliere mit massiver Schreib- und Leseschwäche wäre
das natürlich eine ganz starke Leistung, und diese gälte es nicht zu kritisieren,
sondern mit höchstem Respekt zu würdigen. Gut, wenn es so wäre, müsste man
fairerweise sagen, dass dafür der Produzent bei der Auswahl der Drehbuchautoren
seinen Job definitiv nicht richtig gemacht hat. Vielleicht hat die ganze
Chefetage des SWR versagt, vielleicht hat das Catering das ganze Team
vergiftet, oder vielleicht hatte die Casting-Tante einen äusserst schlechten
Tag, als sie sämtliche Nebenrollen besetzt hat. Oder was auch immer. Fakt ist,
wenn ich den Tatort aus Konstanz sehe, dann weiss ich mit 100%iger Sicherheit,
dass mindestens eine Person ihren Job definitiv nicht richtig gemacht hat. Und
genau das gilt es zu kritisieren. Ich denke, dass das dem Zuschauer auch
zusteht. Selbst wenn ich selber keine Ahnung vom Häuserbauen habe, so denke
ich, dass ich einen Bauleiter kritisieren darf, wenn bei der Schlüsselübergabe
keine Türschlösser eingebaut sind. Oder auch einen Fliesenleger sollte man
kritisieren dürfen, wenn beim ersten Aufhängen eines Handtuches, der
Handtuchhalter inklusive den ganzen Fliesen dahinter auf dem Boden landen, auch
wenn ich es selber vielleicht nicht besser hinkriegen würde. Aber es ist ja
auch nicht mein Job. Und mein Job ist es auch nicht den Tatort aus Konstanz zu
produzieren. 
Wie erwähnt, schlüssig
kann ich diese Fragen nicht beantworten, auch wenn ich sie mir beim Schreiben
immer wieder stelle. Während sich andere Kritiker in ihrer Sicherheit suhlen,
so schwingt bei mir immer auch eine Art von Unsicherheit mit. Wie kann ich
einen Tatort kritisieren, wenn ich selber noch nicht mal zwei sinnvolle Sätze
eines Drehbuches schreiben könnte. Ja, wie? Unangenehme Fragen, da muss ich
ehrlich sein, aber sie gehören dazu.
Um mein ungutes Gefühl
jetzt nicht überzubewerten, kann ich doch zumindest mit gutem Gewissen sagen,
dass das Barometer auf der andern Seite auch das Positive bis in die Unendlichkeit
würdigen kann. Wenn jemand seinen Job wirklich gut macht, dann wird das vom
Barometer aus tiefstem Herzen geschätzt, geachtet und gefeiert. So kann ich
selbst bei Konstanz mit Freude verkünden, dass es durchaus Leute gibt, die
ihren Job gut machen. Nämlich jene, die entschieden haben, dass diese
Tatort-Reihe 2016 endlich abgesetzt und im Bodensee versenkt werden wird.
Erwartungs-Barometer: 2.5
Nur noch vier dieser abgrundtief schlechten
Bodensee-Katastrophen müssen wir ertragen. Noch vier Mal schlüsselfertige
Häuser ohne Türschlösser, noch vier Mal Fussballspieler, die lustloser nicht
auftreten könnten und noch vier Drehbücher aus legasthenischer oder gar
analphabetischer Feder, danach ist endlich Schluss. Richtig guter Job, kann ich
nur sagen und werde mich jetzt wieder der Frage widmen, ob es mir überhaupt
zusteht, diesen Eintrag zu veröffentlichen. 
0 = Kleine,
nichtsnutzige Wichte.
6 = Leute, welche
ihren Job richtig machen.
Die Note
danach: 2
Also nach einer solchen Folge
stellt sich mir nicht mehr die Frage, ob man einen Tatort bewerten darf,
sondern viel eher, ob man einen solchen Dreck überhaupt bewerten will.
Falls dieser
Barometer-Blog nicht euren Vorstellungen entspricht, könnt ihr ihn unter
folgendem Link löschen:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen