19. September 2015

Tatort: Die letzte Wiesn (München)


Es war ja zu befürchten. Irgendwann wird auch der Münchner Tatort nicht mehr um das Münchner Oktoberfest rum kommen. Während ich ja ein bekennender Anhänger des bayrischen Qualität-Tatorts bin, war ich nie ein Fan der Wiesn. Spätestens seit ich vor langer Zeit mit bettelarmen Rumänen auf der „Münchner Rutschn“ tagelang Rutsch-Teppiche an besoffene Fettsäcke und verwöhnte Gören verteilt habe, ist mir die Lust an diesem Spektakel definitiv abhanden gekommen. Ganz übel, wie die Zigeuner-Besitzerfamilie mit ihrer Patriarchen-Hexe diese härtest arbeitenden Saisoniers abgezockt hat. Darüber würde es sich lohnen eine Geschichte zu machen, aber das wäre natürlich viel zu wenig hübsch fürs Fernsehen.
Ich hätte also locker auf einen Oktoberfest-Tatort verzichten können, muss mich als seriöses Barometer nun aber selbstverständlich professionell damit auseinandersetzen.
Grundsätzlich muss man ja bei München immer davon ausgehen, dass es ein guter Tatort werden wird.
Die Geschichte um K.O.-Tropfen und einem anschließenden Verbrechen klingt jedoch sehr dürftig und wurde gerade bei uns in der Schweiz sicher schon wesentlich besser erzählt.
Zumal ja ein Mitglied der Barometerredaktion zu Weihnachten selber Opfer einer GHB-Attacke wurde und danach fast die Treppe zum Himmel runter geflogen ist. Die Untersuchungsergebnisse der Haarprobe stehen jedoch nach wie vor aus. Aber egal. Zurück zum Tatort.
In einem der Bierzelte wird eine ganze Gruppe von Feierbiestern vergiftet, eines davon überlebt dieses Ereignis nicht. Doch wem gilt dieser Angriff? Vielleicht der Wirtin, welche angelblich ihre Mitarbeitet äusserst mies behandelt?
Was...? Aber halt jetzt. Also vielleicht doch genau meine Rutschn-Hexen Story, nur im attraktiven Festzelt erzählt? (Zumindest diese alte Dreckschachtel damals, hätte es mehr als verdient, vergiftet zu werden.)
Oder treibt sich einfach ein Spinner auf dem Festplatz um? Die Spannung also hält sich in Grenzen und selbstverständlich werden sowohl die Kommissare, wie auch ihr Chef irgendwie in den Wiesn-Trubel involviert sein. Ob nun als Verächter, wie ich einer bin, oder als Oktoberfest-Liebhaber, wie 6 Millionen andere jedes Jahr.
Irgendwann kommt man in München um die Wiesn schlicht nicht mehr rum. Und genau wie die Abgeneigten das Fest in Kauf nehmen müssen, müssen wir nun halt diesen Tatort in Kauf nehmen. Am nächsten Morgen wird alles wieder besser. Oder nach einem Wiesn Besuch vielleicht auch erst am übernächsten.

Erwartungs-Barometer: 4.5

Dieser Tatort wird seine Momente haben. Die Faszination rund um das grösste Volksfest der Welt, der fast dokumentarische Stil und der feine Humor der beiden Kommissare werden definitiv überzeugen, aber ich vermute, dass die Geschichte dieses Mal nicht ganz genügen wird. Zu klischeehaft, zu billig, zu belämmert. Alkohol macht Birne hohl, wie der Trailer so schön sagt!

0 = Oktoberfest
6 = Die restliche Zeit in München

Die Note danach: 5.16666667
Wie vorausgesagt, war die Geschichte um einen psychopatischen U-Bahnfahrer, der bei seiner toten Omas Taube wohnt und mit schwarzem Pulli und Kopfhörer auf dem Oktoberfest abhängt, dürftig bis ganz mies.
Fakt ist aber, dass dieser Tatort dermassen gut inszeniert war, dass die Wiesn dermassend gut in Szene gesetzt wurde, und dass das bayrische Schauspielensemble, allen voran Mirsolav Nemec (einmal mehr), dermassen grandios überragend auftrat, dass es im Schnitt trotzdem für eine wirklich gute Note reicht. Sehen bestimmt nicht alle so, aber es kennen ja auch nicht alle die Zigeuner-Hexe von der Münchner Rutschn.
Schauspieler: 6
Inszenierung: 6
Geschichte: 3.5


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13. September 2015

Tatort: Hinter dem Spiegel (Frankfurt)


Man kann uns mobben, man kann uns schikanieren, man kann uns demütigen. Irgendwann jedoch siegt immer die Gerechtigkeit!
Fast 9 Mio. Zuschauer wollten den Schweizer Tatort letzten Sonntag in Deutschland sehen (normal sind es etwas über 6), das grenzt wahrrlisch an ein Wunder! Dem miesen Wetter und den guten und mutigen Kritiken sei Dank. Länger lässt sich das Deutsche Volk von der ARD also nicht mehr für dumm verkaufen, sie haben unsere Qualität entdeckt, Flücki ist im Tatort-Olymp angekommen! Bravo.

Und wisst ihr was? Diese positive Stimmung wird heute im Barometer gleich durchgezogen (zumindest fast). Es kommt gar noch besser. Was habe ich geschimpft und geflucht über die Versenkung des besten Kommissaren-Duos aller Zeiten. Was habe ich um Joachim Król und Nina Kunzendorf getrauert und geweint. Und natürlich hat Frankfurt selber bemerkt, welch unverzeihlichen Bock sie damit geschossen haben, aber im Gegensatz zum Softie-Barometerlein haben sie keine Sekunde rumgeflennt, sondern einen dreifach Rückwärtssalto mit Doppelschraube gestreckt aufs Parkett gelegt, und zwar 1A gestanden. Sie haben dermassen unerwartet reagiert, dass selbst das Barometer nur noch staunen konnte. Keine Cowboy-Lady, keine Psycho-Kommissare, keine Alkoholiker, keine Clowns, rein gar nichts. Sie haben schlicht und einfach normale Kommissare erfunden. Einfach so. Wahnsinn. Zwei gute Schauspieler, die zwei ganz normale Leute spielen. Also nicht, dass das Barometer genau so was schon seit Jahren wünscht, näääääiiiiin, natürlich nicht.
Aber völlig okay. Klaut nur weiter seine Ideen, darum schreibe ich es ja auch! Bin immer wieder hoch erfreut, dass die ARD heimlich mitliest. Eine stinknormale Sensation also hat man in Frankfurt erfunden. Eine, die vorzüglich funktioniert.
Bereits die erste Folge gefiel mir gut, und diese jetzt soll gar noch besser werden.
Eine verzwickte Russenmafia-Geschichte im Frankfurter Rotlichtmilieu mit unerwarteten Wendungen. Richtig spannend. Das ganze gespickt mit einem exzellenten Cast. Alles perfekt also?
Jein. Leicht beunruhigend klingt nämlich der Nebenstrang, in welchem die Kommissarin in der Vergangenheit ihres Partners rumstöbert. Angeblich wird das Verhältnis der beiden Ermittler schon mal arg auf die Probe gestellt. Getrübtes Vertrauen also. Hmmm. Vielleicht doch alles nicht ganz normal? Vielleicht doch noch eine üble Geschichte von früher, doch noch Alkoholiker? Zumindest auf der Volksbühne in Berlin spielte er ja eigentlich meistens einen Besoffenen. Darum war ich schon sehr überrascht, dass man ihn als braven Durchschnitts-Typen besetzt hat. Also vielleicht doch noch ein Problem-Kommissar? Doch nicht den Mut zur kompletten Spiessigkeit in Frankfurt? Wäre ja auch zu schön (oder zu einfach) wenn alles mal normal bleiben würde. Wir werden sehen.

Erwartungs-Barometer: 5 oder gar 5.5 (Je nach Umsetzung des Nebenstranges...)

Heute also kann das Barometer fast nur Gutes berichten. Das fühlt sich für den ersten Moment zwar genau so öde an, wie ein normales Kommissarenpaar bestehend aus zwei normalen Menschen, aber bei genauerem Betrachten, merken wir wie erfrischend doch beides ist bzw. wäre.

0 = Quiz „Welcher Tatort Kommissar bist du“ machen und Charlotte Lindholm sein.
6 = Mut zur Normalität... oder natürlich Abnormalität in der Qualität über der Normalität.

Die Note danach: Story 4.5 / Schauspieler 5.5
Ich weiss, das Unglaubwürdige sollte hier Programm sein, aber für mich hat dieses Retro-Absurde nur bedingt funktioniert. Ganz normal gefielen sie mir besser. 


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5. September 2015

Tatort: Ihr werdet gerichtet (Schweiz)


Auszug aus dem letzten Barometer vor der Sommerpause:

„Meine allerallerschlimmste Befürchtung habe ich euch noch gar nicht kundgetan. Meines Wissens ist eine weitere Schweizer Folge (Der Sniper) bereits abgedreht und sendefertig. Irgendwann wird die ARD diese Folge zeigen müssen. Und welcher ist der nächstmögliche Sendetermin? Jetzt stellt euch also mal vor, das Jahr 2015 wäre das erste Jahr, in welchem nicht nur ein Schweizer Tatort inmitten, sondern auch noch einer am Ende der Sommerpause kommen würde. Stellt euch also mal vor, dass in diesem Jahr gleich beide Arschlochtermine durch den Schweizer Tatort belegt werden würden. Gleich nacheinander. Letzter aus Luzern und erster gleich wieder aus Luzern. Das wäre wirklich noch die Steigerung von „Schweizer Tatort auf ARD, während die Deutsche Fußballnationalmannschaft auf ZDF um die EM spielt“. Nein, nein, so dermassen unter aller Sau können die Verantwortlichen aus Deutschland mit uns nicht umgehen. Wirklich nicht. So nieder kann kein Mensch handeln. Wir sind doch Freunde. Ich mag doch Deutschland so sehr. Nein, bitte macht das nicht mit uns. Es reicht doch jetzt. Noch tiefer (schon auf den Knien liegend) können wir nicht mehr sinken. Oder? Ich darf nicht dran denken. Scheisse, wäre das mies. Brrrrr. Mir läuft es grad eisest kalt über den Rücken. Gut, zumindest habe ich nun meine ersehnte Abkühlung, nach welcher ich so lechzte. Aber nein. Das werden sie mit einem Partner sicher nicht machen. Im Herzen sind wir doch alles Brüder und Schwestern. Also nur noch diese Folge jetzt, danach werden sie schon merken, dass die Qualität wirklich besser wurde und wir werden endlich fair behandelt werden...“

Tja, voon wegen Brüder und Schwestern ihr verfluchten Hurrrrrrensöhne und -töchter bei der ARD-Programmplanung.

Und so ist die Stimmung beim Barometer bereits wieder im Minusbereich, bevor die neue Saison überhaupt angefangen hat. Was äusserst schade ist, denn ich bleibe dabei. Die Folgen aus der Schweiz sind zwar immer noch keine Meisterwerke, aber sie sind bei Weitem nicht mehr die Schlechtesten. Selbst die Kritiken in Deutschland sind mittlerweile beeindruckend.




Nur schade, dass bei diesen beschissenen Sendeterminen kein Mensch in Deutschland mitbekommt, was der Gubser nun so treibt. Ok, zumindest haben sich die Penner vom Ersten in diesem Jahr um eine Woche verschätzt. Dachten wohl, dass die Hitze bis zu diesem Wochenende hält. Ha, ihr Vollspastis. Jetzt ist es doch schon beachtlich kühler geworden, und das erhöht die Chance massiv, dass dieser Tatort zumindest annähernd die Beachtung kriegen wird, die er verdient.
Ein Heckenschütze auf den Dächern Luzerns klingt zwar leicht absurd, aber ich bin mir sicher, dass auch diese Folge das bemerkenswerte Niveau der letzten Schweizer Folgen halten kann. Zumal der Schweizer Regisseur Florian Froschmeyer vor nicht all zu langer Zeit bereits in einem Berliner Tatort den Berlinern gezeigt hat, wie man ihre Stadt inszenieren könnte. Also wird er es Zuhause ja bestimmt auch hinkriegen.

Erwartungs-Barometer: 5

Und am Ende ist die Vorfreude auf eine hoffentlich gute Schweizer Folge zum Saisonstart doch wesentlich grösser, als der Ärger über die ewige Verarschung der ARD. Was kümmert uns, wie viele Brüder und Schwestern in Deutschland einschalten werden. Hauptsache wir sind dabei!

0 = Zum dritten Mal in Folge: Die ARD!!!!
6 = Die ersten kühlen Herbsttage

Die Note danach: 5+


Nachtrag zum Barometer:

Nachdem das Barometer dieses Thema gefühlte 200mal aufgegriffen hat, hat nun auch ein äusserst aufmerksamer Journalist in diese Richtung ermittelt:

Mobbing beim Tatort?

Am besten gefällt mir dieser Abschnitt:
"Die ARD bestreitet, trotz dieser Auffälligkeiten den Schweizer Tatort zu mobben: «Die Platzierung der Schweiz zum Ende und Anfang der Tatort-Saison 2015 ist reiner Zufall und keine planerische Absicht oder Vorsatz.»"
Wieso schaffen sie es mich immer und immer wieder zu schockieren. Die Tatsache alleine ist schon dermassen unter aller Sau, aber dann auch noch solche Aussagen! Das war wohl nix mit Brüder und Schwestern.


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