8. Januar 2017

Tatort: Land in dieser Zeit (Frankfurt)


Nun waren sie also vorbei, die Tatort-Festtage, die gar keine waren. Nun war auch er vorbei, der Tatort-Start ins neue Jahr, ohne richtigen Tatort.
Während ich aber am Pistenrand eines Baby-Skilifts stand, hatte ich kaum Zeit mich mit den Problemen des Tatorts zu befassen. Gegen zwanzig verschiedene Elternteile umkreisten das Geschehen wie ein aufgebrachter Hühnerhaufen, der dringend ein paar Eier legen sollte. Alles war dabei: Von alternativ mit kratzigem Wollpulli in mutigen Farben bis überehrgeizig in scharf schwarzem Turbo-Wetless-TripleCortex*-200%atmungsaktivem-Speedjump-Skianzug. Aus allen Ecken der Schweiz waren sie angereist, und auch einen nicht zu unterschätzenden Populationsanteil von Tüdschen stand aufgereiht im knackigen Kunstschnee. Und doch waren wir alle irgendwie vereint. Ein Wort, brachte uns alle zusammen. Ganz nah, als wären wir alle eine einzig grosse Familie!

„Nein Theo, mach Pizza! Mach Pizza!“
„Lara wäisch du muesch d Piiizaa mache, gäll.“
„Super Joy. Pizza. Genau soo muäsch. Pizza.“
„Aaaaaaaaaachtung, Luca! Piiiiiizzzzzaaaa“
„Tim. Also so wird das nie was. Tim. Du musst doch die Pizza machen. Tii-iim. Pizza bitte.“
„Pizza, Pizza, Pizza...“
„Pizza machen, Pizza machen.“

Für einen kurzen Augenblick wähnte ich mich inmitten einer Gruppentherapie-Sitzung von eigentlich nicht mehr therapierbaren Schwerst-Psychopaten.
Gottseidank verschwand just in diesem Moment die Sonne hinter den nahen Bergspitzen und es wurde merklich kühler. Punkt 15.32 Uhr starteten in einem Umkreis von 500m mit einem lauten Knall sechs Mega-Monster-Schneekanonen zu ihrer langweiligen Tagesaufgabe, und verpulverten auch noch das restliche Bergwasser in den Himmel. Die hysterischen Stimmen verstummten im Gedonnere der Maschinen und die komplett überforderten Balgen verschwanden im wirren Schneegestöber. Prophylaktisch schrie ich noch ein paar Mal „Pizza, Pizza“ in den Nebel und das Getöse. Irgendein Goof wird sich schon betroffen fühlen, dachte ich mir, und konnte mich danach endlich wieder meinen gemütlichen Tagträumen widmen. Ich sah mich am Abend in meinem rustikalen Blockhaus am Kamin sitzen. Draussen schneite es kirschgroße Flocken echten Schnee, und ich schrieb auf meinem nigelnagelneuen 11’Zoll Air mit ultrascharfem 5K Display über die konstant hohe Qualität des Tatorts.

- Schnitt -

Nun sitze ich da, es schneit tatsächlich draussen. Nicht kirschgroß, aber zumindest endlich echt, und in einer wunderbaren Ruhe. Der Kamin ist weg, Retina war nur ein Traum, das Blockhaus ist eine muffige und völlig überteuerte 1,5 Zimmer Ferienwohnung der Unia mit pickelhartem Ausziehsofa. Und was ist mit der Qualität des Tatorts? Ich weiss es nicht. Ich weiss es wirklich nicht.
Eigentlich hat es sein Gutes, dass erst Dortmund und danach auch noch Saarbrücken verschoben wurden. So kriegt die ARD nun, eine Woche später als geplant, eine unerwartete Chance, das 2017 doch noch ordentlich zu starten. Es wäre eine versöhnliche Geschichte für das Barometer.
Aber, und schon muss ich wieder auf die Euphorie-Bremse stehen, ich vermute, dass auch diese Möglichkeit vertan werden wird.
Natürlich, Frankfurt hat ein relativ hohes Grundniveau, und das werden sie auch dieses Mal nicht unterschreiten. Aber so richtig zünden und das neue Jahr grandios einläuten wird auch diese Folge nicht. Nachdem der Tatort aus Frankfurt ja eben erst den relativ spannenden Versuch mit einem Sci-Fi-Theaterstück gesendet hat, wechselt er jetzt wieder in das äusserst klassische „Rassismus, Flüchtlinge, Nazis, Blablabla“-Fach.
Natürlich sehr aktuell und äusserst tragisch, keine Frage, aber will ich darüber Tatort Nr. 247 sehen? Eher nein.
Die Kritiken werden sicher gut ausfallen, weil halt so Deutschland im Mikrokosmos und so, aber für das Barometer klingt die Geschichte, als würde sie sich nach guten Ansätzen mal wieder viel zu sehr verzetteln. An die Klischees will ich gar nicht erst denken.
Gespannt darf man hierzulande jedoch sein, ob der neue Schweizer Boss* in Frankfurt den alten Schweizer Boss gut ersetzen wird. Tut zum eigentlichen Krimi aber herzlich wenig zur Sache.

Erwartungs-Barometer: 4,5

Zugegeben, dank der Absage von Saarbrücken konnte das Schlimmste gerade noch abgewendet werden. Aber unter dem Strich scheint es genau so weiterzugehen wie im letzten Jahr. Ein paar gute Szenen, Schauspieler, die sich wirklich abmühen, um was aus dem Drehbuch rauszuholen, aber im Endeffekt halt doch zu uninspirierte Scripts, um dem mittelmässigen Tatort-Alltagstrott zu entkommen. Ich verstehe diese Gleichgültigkeit nicht. Die ihrige nicht, und die barometrige irgendwie auch nicht. Egal. Ich hab jetzt eh Hunger.

1 = Pizza machen, Pizza machen.
6 = Pizza machen, Pizza essen.

Die Note danach: 4
Von wegen lechts und rinks. Die Guten sind hier durchwegs gut, die Bösen sind böse und der Tatort bleibt äusserst bescheiden.


Falls dieser Blog nicht euren Vorstellungen entspricht, könnt ihr ihn unter folgendem Link löschen:


* Seit "Macht und Rebell" ist der für mich gestorben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen