Nun waren sie also vorbei, die Tatort-Festtage, die gar
keine waren. Nun war auch er vorbei, der Tatort-Start ins neue Jahr, ohne
richtigen Tatort. 
Während ich aber am Pistenrand eines Baby-Skilifts stand,
hatte ich kaum Zeit mich mit den Problemen des Tatorts zu befassen. Gegen zwanzig
verschiedene Elternteile umkreisten das Geschehen wie ein aufgebrachter
Hühnerhaufen, der dringend ein paar Eier legen sollte. Alles war dabei: Von alternativ
mit kratzigem Wollpulli in mutigen Farben bis überehrgeizig in scharf schwarzem
Turbo-Wetless-TripleCortex*-200%atmungsaktivem-Speedjump-Skianzug. Aus allen
Ecken der Schweiz waren sie angereist, und auch einen nicht zu unterschätzenden
Populationsanteil von Tüdschen stand aufgereiht im knackigen Kunstschnee. Und
doch waren wir alle irgendwie vereint. Ein Wort, brachte uns alle zusammen.
Ganz nah, als wären wir alle eine einzig grosse Familie!
„Nein Theo, mach Pizza! Mach Pizza!“
„Lara wäisch du muesch d Piiizaa mache, gäll.“
„Super Joy. Pizza. Genau soo muäsch. Pizza.“
„Aaaaaaaaaachtung, Luca! Piiiiiizzzzzaaaa“
„Tim. Also so wird das nie was. Tim. Du musst doch die
Pizza machen. Tii-iim. Pizza bitte.“
„Pizza, Pizza, Pizza...“
„Pizza machen, Pizza machen.“
Für einen kurzen Augenblick wähnte ich mich inmitten
einer Gruppentherapie-Sitzung von eigentlich nicht mehr therapierbaren
Schwerst-Psychopaten.
Gottseidank verschwand just in diesem Moment die Sonne
hinter den nahen Bergspitzen und es wurde merklich kühler. Punkt 15.32 Uhr
starteten in einem Umkreis von 500m mit einem lauten Knall sechs Mega-Monster-Schneekanonen
zu ihrer langweiligen Tagesaufgabe, und verpulverten auch noch das restliche Bergwasser
in den Himmel. Die hysterischen Stimmen verstummten im Gedonnere der Maschinen
und die komplett überforderten Balgen verschwanden im wirren Schneegestöber.
Prophylaktisch schrie ich noch ein paar Mal „Pizza, Pizza“ in den Nebel und das
Getöse. Irgendein Goof wird sich schon betroffen fühlen, dachte ich mir, und
konnte mich danach endlich wieder meinen gemütlichen Tagträumen widmen. Ich sah
mich am Abend in meinem rustikalen Blockhaus am Kamin sitzen. Draussen schneite
es kirschgroße Flocken echten Schnee, und ich schrieb auf meinem
nigelnagelneuen 11’Zoll Air mit ultrascharfem 5K Display über die konstant hohe
Qualität des Tatorts.
- Schnitt -
Nun sitze ich da, es schneit tatsächlich draussen. Nicht kirschgroß, aber zumindest endlich echt,
und in einer wunderbaren Ruhe. Der Kamin ist weg, Retina war nur ein
Traum, das Blockhaus ist eine muffige und völlig überteuerte 1,5 Zimmer Ferienwohnung
der Unia mit pickelhartem Ausziehsofa. Und was ist mit der Qualität des
Tatorts? Ich weiss es nicht. Ich weiss es wirklich nicht.
Eigentlich hat es sein Gutes, dass erst Dortmund und
danach auch noch Saarbrücken verschoben wurden. So kriegt die ARD nun, eine
Woche später als geplant, eine unerwartete Chance, das 2017 doch noch
ordentlich zu starten. Es wäre eine versöhnliche Geschichte für das Barometer.
Aber, und schon muss ich wieder auf die Euphorie-Bremse
stehen, ich vermute, dass auch diese Möglichkeit vertan werden wird.
Natürlich, Frankfurt hat ein relativ hohes Grundniveau,
und das werden sie auch dieses Mal nicht unterschreiten. Aber so richtig zünden
und das neue Jahr grandios einläuten wird auch diese Folge nicht. Nachdem der
Tatort aus Frankfurt ja eben erst den relativ spannenden Versuch mit einem Sci-Fi-Theaterstück gesendet hat, wechselt er jetzt wieder in das äusserst klassische
„Rassismus, Flüchtlinge, Nazis, Blablabla“-Fach.
Natürlich sehr aktuell und äusserst tragisch, keine
Frage, aber will ich darüber Tatort Nr. 247 sehen? Eher nein.
Die Kritiken werden sicher gut ausfallen, weil halt so
Deutschland im Mikrokosmos und so, aber für das Barometer klingt die Geschichte,
als würde sie sich nach guten Ansätzen mal wieder viel zu sehr verzetteln. An die Klischees will ich gar nicht erst denken.
Gespannt darf man hierzulande jedoch sein, ob der neue
Schweizer Boss* in Frankfurt den alten Schweizer Boss gut ersetzen wird. Tut zum
eigentlichen Krimi aber herzlich wenig zur Sache.
Erwartungs-Barometer: 4,5
Zugegeben, dank
der Absage von Saarbrücken konnte das Schlimmste gerade noch abgewendet werden.
Aber unter dem Strich scheint es genau so weiterzugehen wie im letzten Jahr. Ein
paar gute Szenen, Schauspieler, die sich wirklich abmühen, um was aus dem
Drehbuch rauszuholen, aber im Endeffekt halt doch zu uninspirierte Scripts, um
dem mittelmässigen Tatort-Alltagstrott zu entkommen. Ich verstehe diese
Gleichgültigkeit nicht. Die ihrige nicht, und die barometrige irgendwie auch nicht.
Egal. Ich hab jetzt eh Hunger.
1 = Pizza machen, Pizza machen.
6 = Pizza machen, Pizza essen.
Die Note danach: 4
Von wegen lechts und rinks. Die Guten sind hier durchwegs gut, die Bösen sind böse und der Tatort bleibt äusserst bescheiden.
Von wegen lechts und rinks. Die Guten sind hier durchwegs gut, die Bösen sind böse und der Tatort bleibt äusserst bescheiden.
Falls dieser Blog nicht euren Vorstellungen entspricht,
könnt ihr ihn unter folgendem Link löschen:
* Seit "Macht und Rebell" ist der für mich gestorben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen