17. Juni 2017

Tatort: Borowski und das Fest des Nordens (Kiel)


Irgendwie traurige Tage, irgendwie ein äusserst deprimierender Tatort, der uns erwartet. Paradoxerweise könnte ausgerechnet diese trist brutale Folge für uns Zuschauer in einem Freudenschrei enden. Die Depression klang lange nicht mehr so vielversprechend.
Die Geschichte beginnt mit einem Komplett-Absturz des Herrn Borowskis. Er ertränkt seinen Kummer im Alkohol.
Um jedoch den Grund seines Tuns zu verstehen, muss ich etwas weiter ausholen. Diese „aktuelle“ Folge wurde bereits 2015 gedreht, gleich anschliessend an „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“, also an Teil 2 vom verrückten Pösteler, der durch Wände gehen konnte. Damals wurde am Ende der frisch verliebte Borowski von seiner Freundin verlassen, weil die mit seinem Job und mit solch krassen Fällen nicht umgehen konnte. Sein jetziges Besäufnis ist also eigentlich auf Liebeskummer aus dem Jahre 2015 zurückzuführen.
Warum diese Folge erst jetzt ausgestrahlt wird, erschliesst sich mir nicht so ganz. Es ist zu lesen, dass sie möglichst zeitnah mit der Kieler Woche* ausgestrahlt werden sollte. Aber da dieses Fest alljährlich stattfindet, hätte man den Tatort ja auch vor einem Jahr schon senden können.
Kann uns aber eigentlich völlig egal sein, denn was fürs Erste etwas absurd klingt, könnte sich als Glücksfall entpuppen. Da dieser Tatort bereits vor zwei Jahren gedreht wurde, stammt er nämlich aus einer Zeit, in welcher die Kieler Tatorte zur absoluten Spitze gehörten. Dieser Tatort entstand quasi am Ende der Kieler Erfolgswelle. Ob er aber noch auf dem Zenit entstand, oder bereits auf dem Weg nach unten, wie die anschliessenden Folgen, die wir in den letzten zwei Jahren sehen konnten, können wir erst wissen, wenn wir ihn gesehen haben. Fakt ist, dass die letzten Folgen mit Borowski nie mehr an die Qualität von damals herankamen und Fakt ist auch, dass nun dieser Tatort äusserst deftig daherkommen wird. Kiel geht wieder einmal an die Grenzen. Bzw. ging damals immer mal wieder an die Grenzen.

-Ein Borowski am Ende. Grosser Kummer. Tragische Arbeit.
-Ein Täter am Ende. Tickt völlig aus. Gewalt pur.
-Eine Kekilli am Ende. Ihr letzter Tatort Auftritt. (Obwohl sie das bei den Dreharbeiten 2015 noch nicht wusste).
-Ein Drehbuch am Ende. Das Script basiert auf einer Idee von Henning Mankell. Dem Krimigott aus Schweden, der bereits früher an zwei Borowski Masterstücken mitgeschrieben hat, jedoch mittlerweile leider verstorben ist. Aussgerechnet im Jahre 2015.
-Ein Film am Ende. Herkömmliches Tatortmachen könnt ihr vergessen. Sehr viel Handkamera, keine Beleuchtung, Dogma 95 lässt grüssen.
-Eine Stadt am Ende. Kiel wie man es kaum kennt. Zwischen Volksfest und Armenviertel.
-Eine Serie am Ende. Mit diesem Kunststück entlässt uns die ARD in die Sommerpause.

Erwartungs Hoffnungs-Barometer: 5.5

Wie immer wenn beim Tatort etwas riskiert wird, besteht eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, dass es komplett in die Hosen geht. Bin mir sicher, dass viele Zuschauer/innen mit dieser Folge überhaupt nichts anfangen können. Aber wie immer, wenn beim Tatort etwas riskiert wird, schäumt das Barometer vor Hoffnung auf ein Meisterwerk und verneigt sich mit grossem Respekt vor den Filmemacher/innen, die sich splitterfasernackt ausziehen und über die im Sommer so selten gefrorene Kieler Bucht tänzeln. Es wird eine deftige Geschichte. Ein trauriger Film, aber vielleicht ein richtig guter Tatort.

1 = Keil im Jahre 2017
6 = Keil im Jahre 2007

Die Note danach: 5 für den Tatort + 0,5 Extra* = 5.5
Man kann dem Film durchaus vorwerfen, dass es ihm an einer gewissen Tiefe fehlt. Die Figuren sind immer nur am Agieren (Austicken, Saufen, Streiten, Töten...), was sie jedoch dazu treibt, wird komplett ignoriert. Das macht sie für uns Zuschauer natürlich etwas unnahbar. Schade, denn die Machart fand ich wirklich grandios. War genau nach Barometer-Gusto.
Aber je länger der Tatort dauerte, desto weniger fragte ich mich, warum sie tun, was sie tun. Für mich spielte es irgendwann keine Rolle mehr. Also eine gute 5.
*Zudem kommt eine 0.5 Note als Extrapunkt dazu. Diese hat der Tatort der Ex-Frau des Mörders zu verdanken. Die Szenen mit ihr waren absolut fantastisch. Streit mit ihrem Ex-Man am Anfang und als die Polizei bei ihr war. Absolut genial, selbst als Nebendarstellerin spielte die alle und alles an die Wand. Selten sieht man im Deutschen Fernsehen so authentisches Schauspiel! Halleluja!!!

Wünsche einen schönen Sommer!
Euer Barometer

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11. Juni 2017

Tatort: Level X (Dresden)


- Aller guten Dinge sind drei! -
Zum guten Glück, für das neue Tatort-Team aus Dresden. Wären nämlich aller guten Dinge nur zwei, wäre dieses Experiment aus dem Osten für mich bereits gestorben. Die erste Folge im Milieu der Volksmusik fand ich ganz ansprechend, teilweise richtig gut, aber die Nummer Zwei mit dem Obdachlosen-Chasperlitheater war unter aller Sau. Für einen neu entwickelten Tatort wirklich der Supergau.
Ein guter und ein miserabler Tatort also. Eigentlich ganz interessante Kommissarinnen, aber ein Team, welches sich nicht entscheiden konnte, ob es eher lustig oder eher ernst daherkommen soll. Vieles noch neu, vieles noch ungeformt und nun kommt Folge Drei. Quasi die alles entscheidende Folge Drei. Diese Folge wird uns zeigen, in welche Richtung Dresden reisen wird.
War der güldene Schlager-Einstieg ein purer Sonntagstreffer? Oder war die desolate Penner-Chose ein einmaliger Aussetzer? Mit Folge Drei werden wir einen ersten klaren Anhaltpunkt kriegen, auf welchem Niveau sich Dresden zukünftig bewegen wird.
Als Barometer ist das Vorrausschauen unter diesen Umständen natürlich schier unmöglich. Es gibt kaum etwas, woran man sich verlässlich halten könnte. Aus zwei solch unterschiedlichen Krimis lassen sich eigentlich nur ganz vage Schlüsse ziehen. Darum möchte ich jetzt erst einmal einen Experten zitieren, welcher sich der Problematik angenommen hat.

„Also wenn man die Gruppe genau anschaut und ein bisschen mit den Punkten rechnet, dann glaube ich, dass man die Färöer Inseln schlagen muss, wenn man Gruppensieger werden will“.
Alain Sutter, SRF Experte

Ja, Alain. Ich denke, da liegst du richtig. Wenn ich ein bisschen rechne und die Situation so anschaue, dann glaube ich auch, dass Dresden jetzt einfach einen rauslassen muss, wenn es in der Barometer-Rangliste gegen oben klettern will. Absolut.
Diese Analyse ist zwar pfefferscharf, bringt mich aber kaum weiter. Dass sie sollten, ist schon klar, aber ob sie es auch wirklich tun, weiss ich natürlich noch immer nicht.
Und auch die Kritiken für diese neue Folge scheinen ambivalent. Von „gut“ bis „schlecht“ ist alles dabei.
Ich bin ja nach wie vor der Meinung, dass ein neues Team zwingend an der Tabellenspitze einsteigen müsste, da man mit all dem heutigen Wissen und all der Qualität, die in Deutschland durchaus vorhanden wäre, quasi von Feld Eins aus eine geniale Sache erschaffen kann. Das muss doch für jede Autorin und für jeden Autoren das absolut Grösste sein! Das Allerbeste, was einem passieren kann. Da musst du doch deinen letzten kreativen Tropfen rauspressen, deine ganze Seele auf den Tisch kotzen und am Ende eine absolute Granate erschaffen. Aber irgendwie macht es den Anschein, dass sich die Fernsehmacher heutzutage gerne mit Mittelmass - oder gar noch weniger - zufrieden geben und sich somit die meisten neuen Tatort-Teams irgendwo zwischen Langeweile und Bullshit einpendeln.
Und je mehr ich mich nun mit diesem Tatort beschäftige, desto klarer wird mir, dass das auch mit Dresden so geschehen wird. Nach Volksmusik und Clochard macht man sich nun an die Youtube-Star Generation. Wir alle wissen, dass beim Versuch sich an die Internet-Jugend zu wagen, noch ein jeder Tatort gescheitert ist. Einen Mord live im Netz wird es geben, der kleeene (von uns fast verprügelte) Ochsenknecht hält seine Fresse auch mal wieder rein und gleichzeitig soll das alles auch noch mit einem Schuss Religion angereichert werden. Ääähh?!?
Greise Autoren, Gottes Prediger und Social Media-Kinder... bisschen viel Fremdschäm-Potential auf einmal. Zudem wissen wir jetzt auch, warum man bei der einen Kommissarin einen Problemsohn mit krassem Butterflymesser eingebaut hat. Der wird in dieser Folge sicher seinen Auftritt kriegen. Einer muss ja der planlosen Mama sagen, wie die neue Welt funktioniert.
Irgendwie scheint die Richtung nun doch viel klarer, als ich anfangs angenommen habe...

Erwartungs-Barometer: 3

Nach einer sehr guten und einer dramatisch schlechten Folge, scheint sich der Tatort aus Dresden nun entschieden zu haben: „Wir halten uns an Folge Zwei, machen es wie die meisten andern und werden einfach nur peinlich.“
Hätte man doch gscheiter auf den Alain hören sollen.

1 = Tatort und Youtube
6 = Tatort und Rentner

Die Note danach: 2 bis 5
Ui, die Bewertung ist ja wesentlich komplexer als gedacht. Auch im Tatort ist nicht immer alles nur gut oder schlecht.
Von unfassbar peinlichen Szenen, bis zu richtig packenden Momenten, war da irgendwie alles mit dabei. Von miserablen Darstellern, bis ganz grosses Schauspiel-Kino. Von lächerlichen Internet-Momenten, bis erstaunlich gut umgesetztem YouTube-Fernsehen. 
Wir müssen auf die 4. Folge warten, um  zu sehen, in welche Richtung es wirklich gehen wird.

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5. Juni 2017

Tatort: Amour fou (Berlin)


Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Kennen wir das nicht alle? Das ist der Lauf der Zeit und zu keiner Stadt passt diese Aussage besser als zu Berlin. Egal ob vor dem Mauerfall, kurz danach, in den 90ern oder ob erst vor 10 Jahren. Egal zu welcher Zeit man Berlin erleben durfte, und zu welcher Zeit man die Leute fragen würde, oder gefragt hätte, eine jede und ein jeder hätte mit diesem Satz geantwortet. Berlin ist nicht mehr das, was es einmal war. Berlin war nie das, was es einmal war. Berlin ist das Paradebeispiel für eine Stadt im Wandel. Auf der einen Seite ist da dieses Berlin, wie ich es mir vorstelle. Das Berlin, welches mit uns zu einer pochenden Masse verschmolz, das Berlin, welches mir alleine beim Einkauf im Späti weiche Knie, ob all dieser Energie, dieser Gerüche und Eindrücke, bescherte. Auf der anderen Seite gibt es das Berlin von heute. Irgendwie ist die Stadt beliebig geworden. Oder bin ich es? Ist das Barometer beliebig geworden? Immer noch auf der Suche nach ähnlichem, nach den Glücksmomenten und natürlich ist es immer noch zu finden, nur sind die Ecken rarer geworden. Das Barometer verliert den Fokus und die Stadt erleidet eine Heuschreckenplage. Ja, die Suche ist schwieriger geworden. Oder sind es die Suchenden, die nur weniger gut finden?
Nichts also ist mehr wie es einmal war in Berlin... bis auf eine Sache.
Der Berliner Tatort war, ist und bleibt schlecht. Einfach zu schlecht für eine solche Stadt. Ich schreibe es seit Barometerbeginn, und auch wenn sich das ganze Team geändert hat, nichts mehr so ist, wie es mit Ritter und Stark war, die Drehbücher bleiben schlecht. Richtig schlecht.
Man hat also diese neue Story lanciert. Dieser horizontal erzählte Tatort entwickelt mit einem episodenübergreifenden Fall, welcher in der 4. und bisher letzten Folge ja auch endlich aufgeklärt wurde. Aber hat uns das berührt?
Macht mal einen Test mit euch selber. Was wisst ihr noch von eurem letzten Berlin-Besuch? Bestimmt so ziemlich alles. Ihr könnt euch mit Sicherheit an jede spannende Begegnung, an jede eindrückliche Ansicht, an jeden fremden Duft, ihr könnt euch bestimmt bestens an all die bereichernden Dinge erinnern. Und nun überlegt euch, an was ihr euch von diesen 4 Tatort-Folgen erinnern könnt.
Beim Barometer ist es Folgendes. Und das ist wirklich nicht wertend gemeint. Es ist ein Fakt und zeigt, wie der Tatort aufgebaut ist.
Ich erinnere mich an eine jüdische Kommissarin, die den Bar Mitzwa ihres Sohnes verpasst, weil sie lieber nachts durch die Strassen zieht, sich die Birne wegknallt und danach mit fremden Typen in die Kiste hüpft.
Und ich erinnere mich an einen gutaussehenden, homosexuellen Ermittler, der in einem Youtube-Video mit einem Typen gebumst hat und der irgendwie aufklären wollte, warum sein früherer Partner ermordet wurde.
Am Ende steckte glaub irgendein Baufuzzi dahinter, der das Land des verlotterten Spreewaldparks kaufte. Oder war er in den Baufilz vom neuen Flughafen verwickelt?
Alles schwammig und an die vier Fälle, die nebenbei noch gelöst wurden, hab ich absolut null Erinnerung.
Bottom Line also zum Berliner Tatort: Jüdin, Schwuler, Sex und Baufilz. Das ist, was den Süddeutschen Drehbuchautoren zu dieser Stadt einfällt. Versteht mich nicht falsch. Das alles gehört natürlich massiv zu Berlin, aber ist das alles? Mehr bringen die besten Autoren Deutschlands nicht hin? Also Entschuldigung.
Nun gut. Zumindest ist nun diese Geschichte abgeschlossen und heute werden wir die erste Folge sehen, die als einzelne funktioniert. Oder funktionieren sollte. Eine zu Ende erzählte Geschichte. Und wer weiss, vielleicht ermöglicht das Wegfallen dieses endöden Nebenstrangs der eigentlichen Story, sich etwas mehr auszubreiten. Vielleicht wird dieser Raum nun damit genutzt, die eigentlichen Themen auch etwas zu vertiefen. Das wäre gerade bei einer solchen Geschichte wie in diesem Tatort, extrem wünschenswert. Es geht um ein schwules Paar, welches in Neukölln eine Art Ziehsohn bei sich aufnimmt und gegen all die Vorurteile kämpfen muss. Eine Geschichte also mit grossem Potential, wenn man sich die Zeit dafür nimmt und sich nicht wieder zu sehr im Privatleben der Kommissare verliert. Wir dürfen gespannt sein.

Erwartungs-Barometer: 4.5

Nichts ist mehr, wie es einmal war. Schon gar nicht in Berlin. Grandioses gibt es noch immer, aber nicht mehr gleich und viel versteckter. Nur der Berliner Tatort scheint sich nicht zu ändern und ist so bescheiden, wie er immer schon war. Zumindest vermute ich das. Aber wer weiss? Vielleicht ist ja jetzt wirklich nichts mehr so, wie es einmal war.

1 = Dass leider nichts mehr so ist, wie es mal war.
6 = Dass glücklicherweise nichts mehr so ist, wie es mal war.

Die Note danach: 4.75
Wow! Berlin und Ärmelkanal in einem Tatort! Unaufgeregt erzählt und die Story ganz okay. Aber ich werde einfach nicht warm mit diesem Team, wenn ich das so schreiben darf. Auch diese oberpeinliche Familienstory der Kommissarin. Äääähhh. Und wie naiv Autoren auch heute noch die Welt sehen? Ein mutmaßlicher Mörder versteckt sich in einem Ferienhaus und das Fräulein fliegt mal eben an die französische Küste, spaziert dann fröhlich pfeifend und ganz alleine um das Häuschen. Ja genau. Na zumindest findet sie den Toten am Strand und merkt, dass sie nicht nach Bayern ziehen will. Ist ja auch nicht schlecht.


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