24. Februar 2013

Tatort: Puppenspieler (Bremen)


Vor paar Wochen hat mich ein guter Kollege gefragt, ob es sich lohnen würde, mit seiner Freundin paar Tage nach Bremen zu fahren. Einfach so, ohne bestimmten Grund. Ich doch ziemlich überrascht, da ich eigentlich niemanden kenne, der einfach so nach Bremen fahren möchte, ohne dass es da irgendwas Bestimmtes zu tun gäbe. Ich aber natürlich hell begeistert, habe die Stadt sogleich wärmstens empfohlen. Er also ab ans Buchen und zu seiner eigenen Überraschung gleich einen Direktflug Zürich-Bremen gefunden. Mit der Bremischen Regional-Fluggesellschaft OLT. (Quasi die Skyworks aus Bremen). Die Frage an dieser Stelle sei erlaubt, welche Klientel wohl diese Flugroute benutzt, ausser eben mein guter Kollege und dessen Freundin? Die also voller Vorfreude, kriegten ein paar Tage vor Abflug per Mail mitgeteilt, dass die OLT total unerwartet Insolvenz anmelden musste, und ihr Flug somit leider ersatzlos gestrichen werde. Etwas ärgerlich, aber er, als extrem „bereister“ Mensch, liess natürlich nicht von seinen Plänen ab und buchte bei der Swiss/Lufthansa einen Flug von Zürich nach Hamburg, um von da aus den letzten Abschnitt mit der Deutschen Bahn zurück zu legen. Mein Kollege und seine Freundin also am Tage des Abfluges am Züricher Flughafen, kriegten die Nachricht überreicht, dass in Hamburg total unerwartet das Bodenpersonal streike und ihr Flug leider ersatzlos gestrichen werden müsse. Die Swiss biete ihnen aber eine Alternative an. Ab Zürich via Frankfurt nach Bremen fliegen und von da aus den Zug nach Hamburg nehmen. Jetzt also die Beiden hell begeistert, da sie ja eigentlich sowieso nach Bremen wollten und Hamburg nur eine Notlösung war. Nach zwei Flügen (inklusive viel Wartezeit in Frankfurt) wurde ihnen in Bremen jedoch mitgeteilt, dass man als Service für die geschundenen Fluggäste, das Gepäck gleich mit einem Transporter nach Hamburg bringen würde, damit sie die Taschen nicht im Zug mitschleppen müssen. Sie also total am Rotieren, ob man das Gepäck nicht irgendwie schon in Bremen in Empfang nehmen könnte, Bodenpersonal also auch total am Rotieren, wollen ja alles für den Kunden möglich machen, aber der Laster war leider schon unterwegs. Die Zwei also ab zum Bremer Hauptbahnhof, um von da nach Hamburg zu fahren, um dort ihr Gepäck an einem provisorischen Schalter abzuholen, um danach von Hamburg wieder nach Bremen zu fahren, da man ja eigentlich nicht nach Hamburg, sondern eben nach Bremen fahren wollte.
Anstatt eines gemütlichen 1h-Fluges Zürich-Bremen waren sie am Ende 16 Stunden unterwegs um von Zürich via Frankfurt, via Bremen, via Hamburg, wieder nach Bremen zu kommen. Ich also irgendwie total schlechtes Gewissen, weil ich ja diese Stadt empfohlen habe. Aber irgendwie auch egal, denn wollt ihr wissen, was er nach seiner Rückkehr als erstes zu mir gesagt hatte?
"Wenn du ein paar Tage in dieser Stadt erleben durftest, dann weisst du, dass es jede Minute dieses extrem beschwerlichen Trips wert war!"
Das hat mit dem Tatort natürlich herzlich wenig zu tun, und doch könnte es besser nicht passen:
Höchst ominöse Machenschaften einer geheimen Eliteeinheit, erwarten uns. Macht, Korruption, Intrigen im Wirtschafts- und Politikbereich. (So was hatten wir doch in der letzten Zeit des Öftern.) Und das alles wird untermauert durch einen flippigen Look im Splitscreen Modus.
Also wenn das nicht nach einem unheimlich beschwerlichen Trip klingt! Und trotzdem denke (hoffe) ich, dass es jede einzelne der 90 Minuten wert sein wird.

Erwartungs-Barometer: 5
Die Note danach: Eigentlich eine 4.5, obwohl eine solche Geschichte in Deutschland unglaubwürdiger nicht sein könnte.

Natürlich gibt es spektakulärere Städte und natürlich gibt es bessere Tatorte, aber Bremen weiss mit seiner Leichtigkeit, mit seiner natürlichen Bescheidenheit irgendwie immer zu überraschen, wenn auch nicht auf allerhöchstem Niveau.

0 = ungefähr so viel Erwartung wie von der OLT Express Germany (zuvor OLT – Ostfriesische Lufttransport)!
6 = „Modernes, Modernes, Modernes“!
(Text gesungen mit Melodie von „Marroni, Marroni, Marroni“!)

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17. Februar 2013

Tatort: Zwischen den Fronten (Wien)


Als ich vor ein paar Wochen sah, dass gleich nach dem Schweizer Tatort einer aus Österreich kommen wird, befürchtete ich das Allerschlimmste. Welch Höchststrafe für die Luzerner! Nur eine Woche nach einem erneuten Luzerner Debakel, kann die ganze Welt sehen, dass auch ein kleiner unbedeutender Alpenstaat gute Tatorte produzieren kann, dachte ich mir.
Aber siehe da, es ist alles etwas anders gekommen, als gedacht. Luzern und Wien liegen nicht mehr so weit auseinander wie auch schon. Wenn ich es ganz simpel erklären müsste: Luzern wurde etwas besser, Wien ist nicht mehr ganz so gut wie auch schon.
Ich war letzten Sonntag doch ziemlich überrascht, wie die Schweizer plötzlich genau mit dieser österreichischen Stärke auftrumpfen konnten. Als hätte ich es geahnt, spielte Luzern phasenweise auf allerhöchstem Niveau mit den Klischees. So clever und frech, dass sich in Luzern so mancher Zünftler ziemlich vor den Kopf gestossen fühlte. Diese unglaubliche Stimmung zu Beginn, Dani Levy war drauf und dran ein Meisterstück zu präsentieren, aber leider konnte selbst er das miserable Drehbuch und das Ende des Films nicht wirklich retten. Und wer den Tatort auf Schweizerdeutsch gesehen hat, dem wird wohl auch ziemlich missfallen haben, dass selbst in einer Luzerner Zunft nur Berner, Bündner und Zürcher zu sehen bzw. zu hören waren. Unverständlich. Wenn es in Luzern keine Schauspieler gibt, sollte man entweder den Tatort nicht da ansiedeln, oder man sollte Schauspieler auf einem Niveau engagieren, die vielleicht auch einen Dialekt nachahmen können. Aber egal. Unter dem Strich zeigte die Schweiz immer mal wieder genau das, was ich an Österreich immer so mochte, und das ist extrem erfreulich.
Tja, jetzt kommt er, dieser Österreicher. Wie so oft in letzter Zeit, wird zu Beginn erst einmal eine Bombe gezündet. Riesen Knall vor dem UN- Gebäude, ein Terroranschlag auf einen US-Diplomaten und ein Verdächtiger ist schnell gefunden. Ein Iraker. Womit wir auch gleich wissen, welche Rasse dieses Mal aufschreien wird. Die Kommissare also mitten in einem weltpolitischen Verschwörungsthriller und im stetigen Kampf mit der militärischen Staatspolizei. Ob das wohl zu einem Tatort passt?
Wenn es irgendwo klappt, dann in Wien. Die Stadt ist äusserst international und irgendwie hat das ORF immer die richtigen Töne gefunden, um auch bei solch übertrieben Geschichten gerade noch glaubwürdig zu bleiben. Aber trotzdem, …ich weiss nicht. Die leisen Tatorte aus Österreich haben mir irgendwie besser gefallen. Ich wünschte mir, dass einfach mal wieder in einem Tiroler Bergdorf ein Jesusdarsteller an ein Kreuz genagelt wird, anstatt zwei Ermittler, die sich durch die halbe Stadt Wien ballern, oder dass gar das UN- Gebäude in die Luft gesprengt wird.

Erwartungs-Barometer: 4,5
Die Note danach: 3,5

Natürlich sollte man den sehen. Österreich hat immer eine gewisse Qualität, auch wenn sie mit dieser Folge erneut übers Ziel hinaus schiessen werden. Falls es in diesem Stile weitergehen sollte (was bei der Schweiz zwar eher unwahrscheinlich ist), wird Wien irgendwann von Luzern überholt werden. Stellt euch das mal vor!

0 = ungefähr so viel Erwartung wie vom Morgenstraich 2013.
6 = ungefähr so viel Erwartung wie von Halloween 2013.

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10. Februar 2013

Tatort: Schmutziger Donnerstag (Luzern)



Ein Barometer voller Klischees, oder der äusserst oberflächliche Versuch, das Filmklischee in seiner Einfachheit zu ergründen.
Und welche Tatort-Reihe würde wohl besser zu „oberflächlich“, zu „Versuch“ und zu „Klischee“ passen, als die aus der Schweiz?
Fakt ist, jeder Film lebt auf irgendeine Art von Klischees. Von positiven, von negativen, aber vor allem auch von notwenigen. Wenn man in 90 Minuten eine Geschichte erzählen muss, ist man zwingend auf Klischees angewiesen. Klischees erklären binnen Sekunden ganze Situationen. Klischees haben sehr viel mehr mit der Wahrheit gemein, als ihr negativer Ruf vermuten lässt. Aber unabhängig von diesen notwendigen Klischees, gibt es Tatorte, die dermassen überladen mit peinlichsten Klischees sind, dass sich selbst der anspruchsloseste Zuschauer bis auf die Knochen fremdschämen muss. So geschehen vor zwei Wochen in Saarbrücken. Aber es gibt eben auch Folgen, in denen Klischees genutzt werden, in denen äusserst clever mit ihnen gespielt wird. Und wenn das funktioniert, ist es Filmgenuss in Reinkultur. Der Österreichische ist ein typisches Beispiel dafür. Zumindest war er das. In der letzten Zeit hat sich Wien leider etwas mehr der Komplett-Überboardung gewidmet, anstatt diese äusserst feine Schiene des cleveren Klischee-Spiels weiter zu verfolgen. Ganz gross, auf welch geniale Art und Weise Österreich es immer wieder schaffte, aus den eigenen Klischees eine grandiose Geschichte zu flechten. Den Münchnern gelingt das auch immer mal wieder, aber bei den meisten andern, klappen die Versuche leider nicht, und die Klischees kippen knallhart auf die peinliche Seite. Womit wir wieder beim Anfang wären. Der Grat zwischen den peinlichen Klischees und dem genialen Spielen mit Klischees, ist einmal mehr ein ganz, ganz schmaler. Eine extrem hohe Kunst sowohl von den Autoren, wie von den Regisseuren.
Und genau hier setze ich nun mit dem Schweizer Tatort ein. Die Wiedereinführung des Schweizer Tatorts ist ein Musterbeispiel dieses schmalen Grats. Gestartet ist man auf allerunterstem Niveau. Tiefer als bei „Wunschdenken“ wäre kaum möglich. Der Kommissar tuckert mit seinem Schiffchen vom Bodensee nach Luzern und die CSI Miami Tante schreit „Put your hands up in die air“. Aber entgegen meinen Erwartungen, hat man ziemlich schnell einen Weg gefunden, der vielleicht sogar funktionieren könnte. Und ich glaube, dass das nicht zuletzt genau mit den Klischees zu tun hat. Klar, die Geschichte, die Schauspieler, die Sprache, usw. sind alles Dinge die genauso wichtig sind, aber was das Spiel mit Klischees angeht, haben die Luzerner mich wirklich überrascht.
Spätestens jetzt befinden wir uns nun inmitten der Subjektive, dieses Barometers. Gerade bei Klischees, liegen Meinungen meilenweit auseinander. Ich war von der zweiten Folge „Skalpell“ positiv überrascht. Während halb Deutschland zwar damals den Schweizer Tatort als löchrigen Käse beschimpft hat, und sich unendlich darüber echauffierte, wie peinlich voll mit Klischees der Tatort doch gewesen sei, fand ich die Idee mit der Armbrust absolut genial. Für mich war das ein perfektes Beispiel, wie man mit dem Spielen, selbst von peinlichen Klischees einen guten Film, bzw. zumindest einen guten Plot hinkriegen kann. Wenn man eben genau den richtigen Ton trifft. Ich bin mir nämlich zu 100% sicher, dass sich die Deutschen vor Freude in die Arme gefallen wären, wenn der Wilhelm Tell ursprünglich aus Münster kommen würde, und wenn im Münsteraner Tatort ein früherer Studienkollege von Boerne mit einer Armbrust, jemandem ein Skalpell in den Hals gejagt hätte. Und das erst noch in der hohlen Gasse. Ich fand diese Idee fantastisch. Wirklich erfrischend für die Schweiz! Aber eben. Der Grat ist schmal und die Meinung dazu äusserst subjektiv. Und so kommen wir zur dritten Folge: „Hanglage mit Aussicht“. Nationalfeiertag auf der Alp, Opfer aus dem Seilbähndli gestossen, böser KV Lehrling in einer Bank und Alpöi, der mit der Mistgabel auf die Innerschweizer Immobilienfuzzis losgeht, die seine Beiz an ausländische Investoren verkaufen wollen. Gegen zehn Schweizer Klischees der übelsten Sorte gleich in einem Satz bzw. in der Grundgeschichte dieses Tatorts. Eigentlich müssten da sämtliche Sirenen auf den Schweizer Schulhäusern 24 Stunden durchheulen, und trotzdem hat es irgendwie funktioniert. Für mich zwar weniger gut, als bei „Skalpell“, aber man hat gespürt, was die Macher ausprobieren möchten. Wie sie zumindest versuchen auf diesem Grat zu balancieren. Wo befindet sich die Grenze des Klischees? Wo kippt die Geschichte? Wann ist es ein spannendes Spielen mit Klischees, und ab wann ist es für den Zuschauer nur noch peinlich? Klischees sind eben nicht nur Klischees. Klischees strotzen oft vor lauter Echtheit. Und auf diesem Weg befindet sich Luzern. Man versucht was, man riskiert was, und genau das haben nach der dritten Folge auch unsere geliebten Nachbarn bemerkt. Die Kritiken wurden zusehends besser.
Und jetzt kommt Nummer Vier! Ein Tatort über die Luzerner Fasnacht! So was wie die Meisterprüfung des Schweizer-Klischee-Verfilmens. Drei Folgen lang konnte man nun ausprobieren, konnte man sich finden, jetzt werden wir sehen, was Luzern daraus gelernt hat, was Luzern aus ihrer eigenen Fasnacht macht. Die Voraussetzungen scheinen sehr gut. Regisseur Dani Levy ist ein Meister, wenn es um das geniale Spielen mit Klischees geht. Wer seinen Film „Alles auf Zucker!“ gesehen hat, der weiss wovon ich rede. Es gibt wohl kaum eine heiklere Aufgabe, als eine Komödie über das jüdische Leben, gespickt mit jüdischen Klischees, zu drehen. Ihm ist es famos gelungen. Der Film wurde eigentlich fürs Fernsehen gedreht, war am Ende aber im Kino ein grosser Überraschungserfolg und gewann den Deutschen Filmpreis 2005.
Jetzt ist jedoch 2013 und das jüdische Berlin ist weit weg. Jetzt ist schmutziger Donnerstag, die Fasnacht in Luzern kann beginnen. Und noch bevor die ersten bekloppten Fasnächtler richtig besoffen sind, wird einer vom „Tod“ höchstpersönlich mit einem alten Dolch ermordet. Das Opfer ist ausgerechnet ein ehrenhaftes Mitglied des Bauausschusses und der Zunft „Wächter des Pilatus“. Des Ermordeten Doppellebens fliegt nun langsam auf, und die Kommissarin ist plötzlich auch eine Lesbe?!? Das tut natürlich überhaupt nichts zur Sache, aber es spielt eine grosse Rolle, wenn es um die genialen und die total unnützen Klischees meines Barometers bzw. eines Filmes geht. Ein Barometer also gespickt mit eigenen Klischees, auf der Suche nach dem perfekten Filmklischee?  Funktioniert das? Als Barometer eher nicht, als Film hoffentlich schon!
Schmutziger Donnerstag, dreckige Bilder, viel Brauchtum, leicht absurd, ziemlich unheimlich und unendlich viele Klischees! Wenn es einer kann, dann er: Dani Levy, mach uns glücklich!

Erwartungs-Barometer: 4,5
Die Note danach: 4,5
(Auf einer 5,5 eingestiegen und mit einer 3,5 beendet!)

Wenn der neue Schweizer Tatort jeweils vor der Türe steht, findet sich neben NZZ, Bund, Glückspost, selbst im Bätterkindner Gemeindeblatt vorgängig eine Rezension. Ich habe bewusst keine einzige gelesen. Aber alleine die Überschriften zeigen, dass die Meinungen der Kritiker in eine ziemlich positive Richtung zielen. Das Barometer traut der Sache selbstverständlich nicht so ganz und wie immer bei der Schweiz, bin ich nur vorsichtig optimistisch. Es wird mit Bestimmtheit der Beste aus Luzern, aber mal sehen, wie er mit Deutschland und vor allem mit Österreich mithalten kann.

0 = ungefähr so viel Erwartung wie von jedem erdenklichen Bauausschuss.
6 = ungefähr so viel Erwartung wie von der „Zunft der Wächter der heiligen SGBAT“

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3. Februar 2013

Tatort: Die schöne Mona ist tot (Konstanz)



Der Tatort aus Konstanz kann für einmal richtig schön jubeln! Nicht etwa weil diese Folge eine gute sein wird, sondern vielmehr wegen der Programmierung der ARD. Wer nämlich eine Woche nach dem neuen Tatort aus Saarbrücken senden darf, der kann eigentlich bringen was er will, gewinnen wird er sowieso. Denn im Vergleich zu der saarländischen Jahrhundert-Katastrophe vom letzten Sonntag, wird auch die hinterletzte Konstanz-Kiste wie ein monumentales Meisterwerk wirken.
Vielleicht ist euch schon mal aufgefallen, dass ich kein allzu grosser Freund der seichten Bodensee-Unterhaltung bin und über mehr als die konstante Konstanzer-Langweile gäbe es auch bei dieser Folge nicht zu berichten. Aus diesem Grund verschone ich euch für einmal mit meinem negativ angehauchten Sekten-Geschwafel, möchte dafür aber ein Interview abdrucken, welches ich netterweise mit einem der Produzenten des Konstanzer Tatorts führen durfte.

Lieber Herr Produzent. Sie sind ja quasi für das Gesamtprodukt verantwortlich. Was ist Ihnen eigentlich wichtiger, gute Qualität oder viele Zuschauer?
Grundsätzlich will natürlich jeder, der Filme macht, auch gute Filme machen, das ist keine Frage. Aber unter dem Strich entscheiden nicht die Kritiker, sondern die Zuschauer, was gut ist, was Qualität bedeutet. Und wenn ich sehe, dass wir Jahr für Jahr mit unseren Zuschauerzahlen in den Top 4 auftauchen, noch vor München und vor Kiel, dann können wir nicht so falsch liegen. Also Qualität ist wichtig, aber wer entscheidet, was Qualität ist?

Finden Sie selber Ihren Tatort gut?
Das ist eine heikle Frage. Ich persönlich finde ihn unter aller Sau. Aber ich mache ja die Filme nicht für mich, sondern zum einen für das Publikum und zum anderen auch für meine Geldgeber. Mit meinem Geschmack hat das herzlich wenig zu tun. Im Gegenteil. Je schlechter ich ein Drehbuch jeweils finde, desto mehr Zuschauer hat am Ende der fertige Tatort. Ein absurdes Phänomen, welches lustigerweise immer wieder zu beobachten ist. Nehmen Sie doch einmal Münster als Beispiel. Das ist doch kein guter Tatort mehr, der ist nur noch gaga, und trotzdem hat er jedes Mal die Jahresbest-Quote.

Wollen Sie damit sagen, dass Sie extra schlechte Tatorte produzieren?
Nein, so ist es natürlich nicht. Sicher nicht absichtlich. Aber was bleibt mir auch anderes übrig, als schlechte Folgen zu machen?

Was soll das denn bedeuten?
Sehen Sie, ich kriege vom SWR zwei Mal im Jahr einen Haufen Kohle, mit dem ich einen guten Film machen sollte. Was natürlich eine absolute Luxussituation wäre, aber suchen sie mir mal einen Drehbuchautor aus der Umgebung Konstanz, der mehr als vier gerade Sätze zu Papier bringen kann. (Fügt an) …die aber auch in einem Zusammenhang noch Sinn machen sollten. Für einen Regisseur muss ich beim freien Kasperle-Theater Mainau anklopfen, weil dort die am besten ausgebildeten Leute der Region zu finden sind. Zudem kriegen wir öfters Geld aus der Schweiz. Wir müssen also auch immer mal wieder irgendeinen völlig unnötigen Strang ins langweilige Nachbarland einbauen, der meistens völlig frei von jeglicher Logik ist. Wie soll ich unter diesen Umständen jemals einen guten Film produzieren können?

Ja aber eben, die Zuschauer sehen das anders. Wie erklären Sie sich denn diesen Erfolg?
Dafür gibt es zwei simple Gründe. Also erstens haben wir zwei gute Hauptdarsteller. Insbesondere die Eva Mattes ist ja deutschlandweit als grosse Theaterschauspielerin bekannt und ist sicher mitverantwortlich für die guten Zahlen. Der zweite Grund, aus meiner Sicht, der Hauptgrund, ist unser See. Der Bodensee! Konstanz ist die einzige deutsche Tatort-Stadt, die an einem See liegt, und wir Deutschen lieben den Bodensee unendlich. Wenn ich ein Drehbuch lese und in diesem mindestens 10 Einstellungen vom See (am liebsten im Nebel)  zu finden sind, dann verfilme ich es. Ohne Wenn und Aber! Und wenn sich die ganze Geschichte gleich selbst um den See dreht, ist ein Volltreffer garantiert.

Welche Rolle spielt denn der Bodensee in Ihrem neuen Tatort?
Keine Ahnung.

Was? Sie wissen nicht, worum es in dem Tatort geht, den sie selber mitproduziert haben?
Ganz ehrlich. Ich habe wirklich keine Ahnung. Die Story wird sicher etwas mit dem See zu tun haben. Vielleicht was auf einem Schiff, Schmuggel in die Schweiz, oder irgendeine Kindes-Entführung in der Katholiken Schule. (Nach kurzer Pause) …am See selbstverständlich.

Nein, das war die letzte Folge. In dieser geht es um die schöne Mona, die stirbt. Angeblich soll es um Lebenslügen, enttäuschte Liebe, Neid und Eifersucht gehen…
(fällt mir ins Wort) … ah ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Bin beim Lesen 2mal eingenickt, ganz ehrlich. Wir mussten danach das Drehbuch komplett umschreiben, weil zu wenig See und dafür viel zu viel Mona drin vorkamen. Die tanzt am Anfang wie ne Gestörte auf dem Tresen und singt Wolfgang Petri, kurze Zeit später wird sie von der Strasse gedrängt und stirbt im Auto. Entschuldigung, aber wie soll ich einen solchen Schrott verkaufen? Also hatte ich die Idee, dass der Mörder die Leiche danach zumindest noch im Bodensee versenken könnte. Genial, oder? Ich sage doch, eine Katastrophe unsere Drehbuchautoren. Wenn einer schon keine vier geraden Sätze zu
Papiere bringen kann, so könnte er doch zumindest in einem 90-minütigen Drehbuch irgendwie den See reinbringen. Oder nicht? Ist das zu viel verlangt, von einem, der dafür auch noch Geld kassiert? Sehen sie, mit solchen Leuten muss ich Filme machen.

Ist es nicht etwas unangebracht, öffentlich so schlecht über Mitarbeiter zu reden?
Also von öffentlich kann ja keine Rede sein. Wegen den 2-3 Lesern, die das auf Ihrer Seite sehen werden. (Lacht laut)
Meine Aussagen über die Mitarbeiter sind ja weder böse noch irgendwie persönlich gemeint, sondern einfach die Realität. Es sind alles ganz liebe Leute, ich mag sie wirklich, aber sie sind keine Regisseure, geschweige denn Autoren. Aber so ist das eben, hier in Süddeutschland. Sind alles ganz ganz nette Nachbarn, aber die Kreativität, die wohnt woanders.

Wollen Sie mir damit also sagen, dass Sie noch nie einen guten Tatort produziert haben, oder noch nie ein gutes Drehbuch in Ihrer Hand hatten?
Doch, hatte ich. Aber das war vor meiner Zeit am Bodensee. Das klingt zwar brutal, aber auch das ist die Realität. Ich werde Ihnen nun ein ganz persönliches Beispiel nennen. Als ich dieses aktuelle Drehbuch gelesen habe, hat mir wie erwähnt der See gefehlt, und ich bin zweimal eingeschlafen. Aber gegen Ende der Geschichte las ich einen Satz, der hat mich so was von umgehauen. Hören sie genau hin (sagt ihn ganz deutlich):

„Da ermittelt man auf Teufel komm raus – und dann kommt der Teufel raus“!

Ich hatte weiche Knie vor lauter Entzückung, ich habe am ganzen Körper gezittert vor Freude. Zum ersten Mal seit ich vor neun Jahren bei diesem Tatort eingestiegen bin, habe ich gefühlt wie es wäre, gute Storys verfilmen zu können.
(Macht eine lange Pause)
Für Konstanz ist das ein Jahrhundertsatz…
(Seine Augen werden feucht)
Er ist die pure Poesie!
(Tränen kullern ihm über die Wangen)
Als hätte Shakespeare persönlich das Drehbuch geküsst!
(Er bricht schluchzend zusammen)

(Ich helfe ihm wieder auf die Beine) Alles ok?
Ja. Schon gut, danke. Es könnte so schön sein. Keine Ahnung wie einem meiner  Dilettanten ein solch unendlich berührender Moment gelungen ist. (Reibt sich nochmals in den immer noch feuchten Augen)Vielleicht ist es ein purer Glückstreffer? Oder auch nicht. Ich weiss es nicht. Wahrscheinlich hat er diesen Satz irgendwo mal gelesen und einfach geklaut. Keine Ahnung.

Aber nur wegen einem Satz muss man ja kaum einen Tatort sehen, zumal Sie ihn jetzt schon verraten haben. Würden Sie abschliessend meinen Lesern nun diesen Tatort empfehlen oder nicht?
Was soll ich denn da sagen? Ich bin doch der Produzent. Ich würde ihn natürlich empfehlen. Wunderschöne Bilder vom Bodensee, eine gute Hauptdarstellerin und ein Autor, der zum Schluss der Geschichte komplett über sich hinausgewachsen ist…  (fügt an) …auch wenn es nur in einem einzigen Satz war. Was will man mehr? Erwarten sie einfach unter keinen Umständen eine gute Geschichte, oder gar einen guten Film.

Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.
Gern geschehen. Wirklich interessant. Für mich jedenfalls spannender als die neuen Drehbücher für 2014, die ich auf meinem Tisch liegen habe. (Schüttelt den Kopf und lächelt verschmitzt) Etwas dazu kann ich Ihnen und Ihren Lesern übrigens schon mal verraten - Es wird nicht besser!

Erwartungs-Barometer: 3,5
Die Note danach: 4 

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