Ein Barometer voller Klischees, oder der äusserst oberflächliche
Versuch, das Filmklischee in seiner Einfachheit zu ergründen. 
Und welche Tatort-Reihe würde wohl besser zu „oberflächlich“, zu
„Versuch“ und zu „Klischee“ passen, als die aus der Schweiz?
Fakt ist, jeder Film lebt auf irgendeine Art von Klischees. Von
positiven, von negativen, aber vor allem auch von notwenigen. Wenn man in 90
Minuten eine Geschichte erzählen muss, ist man zwingend auf Klischees
angewiesen. Klischees erklären binnen Sekunden ganze Situationen. Klischees
haben sehr viel mehr mit der Wahrheit gemein, als ihr negativer Ruf vermuten
lässt. Aber unabhängig von diesen notwendigen Klischees, gibt es Tatorte, die
dermassen überladen mit peinlichsten Klischees sind, dass sich selbst der
anspruchsloseste Zuschauer bis auf die Knochen fremdschämen muss. So geschehen
vor zwei Wochen in Saarbrücken. Aber es gibt eben auch Folgen, in denen
Klischees genutzt werden, in denen äusserst clever mit ihnen gespielt wird. Und
wenn das funktioniert, ist es Filmgenuss in Reinkultur. Der Österreichische ist
ein typisches Beispiel dafür. Zumindest war er das. In der letzten Zeit hat
sich Wien leider etwas mehr der Komplett-Überboardung gewidmet, anstatt diese
äusserst feine Schiene des cleveren Klischee-Spiels weiter zu verfolgen. Ganz
gross, auf welch geniale Art und Weise Österreich es immer wieder schaffte, aus
den eigenen Klischees eine grandiose Geschichte zu flechten. Den Münchnern
gelingt das auch immer mal wieder, aber bei den meisten andern, klappen die
Versuche leider nicht, und die Klischees kippen knallhart auf die peinliche
Seite. Womit wir wieder beim Anfang wären. Der Grat zwischen den peinlichen
Klischees und dem genialen Spielen mit Klischees, ist einmal mehr ein ganz,
ganz schmaler. Eine extrem hohe Kunst sowohl von den Autoren, wie von den
Regisseuren.
Und genau hier setze ich nun mit dem Schweizer Tatort ein. Die
Wiedereinführung des Schweizer Tatorts ist ein Musterbeispiel dieses schmalen
Grats. Gestartet ist man auf allerunterstem Niveau. Tiefer als bei
„Wunschdenken“ wäre kaum möglich. Der Kommissar tuckert mit seinem Schiffchen
vom Bodensee nach Luzern und die CSI Miami Tante schreit „Put your hands up in
die air“. Aber entgegen meinen Erwartungen, hat man ziemlich schnell einen Weg
gefunden, der vielleicht sogar funktionieren könnte. Und ich glaube, dass das
nicht zuletzt genau mit den Klischees zu tun hat. Klar, die Geschichte, die
Schauspieler, die Sprache, usw. sind alles Dinge die genauso wichtig sind, aber
was das Spiel mit Klischees angeht, haben die Luzerner mich wirklich
überrascht. 
Spätestens jetzt befinden wir uns nun inmitten der Subjektive, dieses
Barometers. Gerade bei Klischees, liegen Meinungen meilenweit auseinander. Ich
war von der zweiten Folge „Skalpell“ positiv überrascht. Während halb
Deutschland zwar damals den Schweizer Tatort als löchrigen Käse beschimpft hat,
und sich unendlich darüber echauffierte, wie peinlich voll mit Klischees der
Tatort doch gewesen sei, fand ich die Idee mit der Armbrust absolut genial. Für
mich war das ein perfektes Beispiel, wie man mit dem Spielen, selbst von
peinlichen Klischees einen guten Film, bzw. zumindest einen guten Plot
hinkriegen kann. Wenn man eben genau den richtigen Ton trifft. Ich bin mir
nämlich zu 100% sicher, dass sich die Deutschen vor Freude in die Arme gefallen
wären, wenn der Wilhelm Tell ursprünglich aus Münster kommen würde, und wenn im
Münsteraner Tatort ein früherer Studienkollege
von Boerne mit einer Armbrust, jemandem ein Skalpell in den Hals gejagt hätte.
Und das erst noch in der hohlen Gasse. Ich fand diese Idee fantastisch. Wirklich erfrischend für die
Schweiz! Aber eben. Der Grat ist schmal und die Meinung dazu äusserst
subjektiv. Und so kommen wir zur dritten Folge: „Hanglage mit Aussicht“.
Nationalfeiertag auf der Alp, Opfer aus dem Seilbähndli gestossen, böser KV
Lehrling in einer Bank und Alpöi, der mit der Mistgabel auf die Innerschweizer
Immobilienfuzzis losgeht, die seine Beiz an ausländische Investoren verkaufen
wollen. Gegen zehn Schweizer Klischees der übelsten Sorte gleich in einem Satz
bzw. in der Grundgeschichte dieses Tatorts. Eigentlich müssten da sämtliche
Sirenen auf den Schweizer Schulhäusern 24 Stunden durchheulen, und trotzdem hat
es irgendwie funktioniert. Für mich zwar weniger gut, als bei „Skalpell“, aber
man hat gespürt, was die Macher ausprobieren möchten. Wie sie zumindest
versuchen auf diesem Grat zu balancieren. Wo befindet sich die Grenze des
Klischees? Wo kippt die Geschichte? Wann ist es ein spannendes Spielen mit
Klischees, und ab wann ist es für den Zuschauer nur noch peinlich? Klischees
sind eben nicht nur Klischees. Klischees strotzen oft vor lauter Echtheit. Und
auf diesem Weg befindet sich Luzern. Man versucht was, man riskiert was, und
genau das haben nach der dritten Folge auch unsere geliebten Nachbarn bemerkt.
Die Kritiken wurden zusehends besser.
Und jetzt kommt Nummer Vier! Ein Tatort über die Luzerner Fasnacht! So
was wie die Meisterprüfung des Schweizer-Klischee-Verfilmens. Drei Folgen lang
konnte man nun ausprobieren, konnte man sich finden, jetzt werden wir sehen,
was Luzern daraus gelernt hat, was Luzern aus ihrer eigenen Fasnacht macht. Die
Voraussetzungen scheinen sehr gut. Regisseur Dani Levy ist ein Meister, wenn es
um das geniale Spielen mit Klischees geht. Wer seinen Film „Alles auf Zucker!“
gesehen hat, der weiss wovon ich rede. Es gibt wohl kaum eine heiklere Aufgabe,
als eine Komödie über das jüdische Leben, gespickt mit jüdischen Klischees, zu
drehen. Ihm ist es famos gelungen. Der Film wurde eigentlich fürs Fernsehen
gedreht, war am Ende aber im Kino ein grosser Überraschungserfolg und gewann
den Deutschen Filmpreis 2005.
Jetzt ist jedoch 2013 und das jüdische Berlin ist weit weg. Jetzt ist
schmutziger Donnerstag, die Fasnacht in Luzern kann beginnen. Und noch bevor
die ersten bekloppten Fasnächtler richtig besoffen sind, wird einer vom „Tod“
höchstpersönlich mit einem alten Dolch ermordet. Das Opfer ist ausgerechnet ein
ehrenhaftes Mitglied des Bauausschusses und der Zunft „Wächter des Pilatus“.
Des Ermordeten Doppellebens fliegt nun langsam auf, und die Kommissarin ist
plötzlich auch eine Lesbe?!? Das tut natürlich überhaupt nichts zur Sache, aber
es spielt eine grosse Rolle, wenn es um die genialen und die total unnützen
Klischees meines Barometers bzw. eines Filmes geht. Ein Barometer also gespickt
mit eigenen Klischees, auf der Suche nach dem perfekten Filmklischee?
 Funktioniert das? Als Barometer eher nicht, als Film hoffentlich schon! 
Schmutziger Donnerstag, dreckige Bilder, viel Brauchtum, leicht absurd,
ziemlich unheimlich und unendlich viele Klischees! Wenn es einer kann, dann er:
Dani Levy, mach uns glücklich! 
Erwartungs-Barometer: 4,5
Die Note danach: 4,5
(Auf einer 5,5 eingestiegen und mit einer 3,5 beendet!)
Wenn der neue Schweizer Tatort jeweils vor der Türe steht, findet sich
neben NZZ, Bund, Glückspost, selbst im Bätterkindner Gemeindeblatt vorgängig
eine Rezension. Ich habe bewusst keine einzige gelesen. Aber alleine die
Überschriften zeigen, dass die Meinungen der Kritiker in eine ziemlich positive
Richtung zielen. Das Barometer traut der Sache selbstverständlich nicht so ganz
und wie immer bei der Schweiz, bin ich nur vorsichtig optimistisch. Es wird mit
Bestimmtheit der Beste aus Luzern, aber mal sehen, wie er mit Deutschland und
vor allem mit Österreich mithalten kann.
0 = ungefähr so viel Erwartung wie von jedem erdenklichen Bauausschuss.
6 = ungefähr so viel Erwartung wie von der „Zunft der Wächter der
heiligen SGBAT“
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