Der Tatort aus Konstanz kann für einmal richtig
schön jubeln! Nicht etwa weil diese Folge eine gute sein wird, sondern vielmehr
wegen der Programmierung der ARD. Wer nämlich eine Woche nach dem neuen Tatort
aus Saarbrücken senden darf, der kann eigentlich bringen was er will, gewinnen
wird er sowieso. Denn im Vergleich zu der saarländischen
Jahrhundert-Katastrophe vom letzten Sonntag, wird auch die hinterletzte
Konstanz-Kiste wie ein monumentales Meisterwerk wirken.
Vielleicht ist euch schon mal aufgefallen, dass ich
kein allzu grosser Freund der seichten Bodensee-Unterhaltung bin und über mehr
als die konstante Konstanzer-Langweile gäbe es auch bei dieser Folge nicht zu
berichten. Aus diesem Grund verschone ich euch für einmal mit meinem negativ
angehauchten Sekten-Geschwafel, möchte dafür aber ein Interview abdrucken,
welches ich netterweise mit einem der Produzenten des Konstanzer Tatorts führen
durfte.
Lieber Herr Produzent. Sie sind ja
quasi für das Gesamtprodukt verantwortlich. Was ist Ihnen eigentlich wichtiger,
gute Qualität oder viele Zuschauer?
Grundsätzlich will natürlich jeder, der Filme
macht, auch gute Filme machen, das ist keine Frage. Aber unter dem Strich entscheiden
nicht die Kritiker, sondern die Zuschauer, was gut ist, was Qualität bedeutet.
Und wenn ich sehe, dass wir Jahr für Jahr mit unseren Zuschauerzahlen in den
Top 4 auftauchen, noch vor München und vor Kiel, dann können wir nicht so
falsch liegen. Also Qualität ist wichtig, aber wer entscheidet, was Qualität
ist?
Finden Sie selber Ihren Tatort gut?
Das ist eine heikle Frage. Ich persönlich finde ihn
unter aller Sau. Aber ich mache ja die Filme nicht für mich, sondern zum einen
für das Publikum und zum anderen auch für meine Geldgeber. Mit meinem Geschmack
hat das herzlich wenig zu tun. Im Gegenteil. Je schlechter ich ein Drehbuch
jeweils finde, desto mehr Zuschauer hat am Ende der fertige Tatort. Ein
absurdes Phänomen, welches lustigerweise immer wieder zu beobachten ist. Nehmen
Sie doch einmal Münster als Beispiel. Das ist doch kein guter Tatort mehr, der
ist nur noch gaga, und trotzdem hat er jedes Mal die Jahresbest-Quote. 
Wollen Sie damit sagen, dass Sie
extra schlechte Tatorte produzieren?
Nein, so ist es natürlich nicht. Sicher nicht
absichtlich. Aber was bleibt mir auch anderes übrig, als schlechte Folgen zu
machen? 
Was soll das denn bedeuten?
Sehen Sie, ich kriege vom SWR zwei Mal im Jahr
einen Haufen Kohle, mit dem ich einen guten Film machen sollte. Was natürlich
eine absolute Luxussituation wäre, aber suchen sie mir mal einen Drehbuchautor
aus der Umgebung Konstanz, der mehr als vier gerade Sätze zu Papier bringen
kann. (Fügt an) …die aber auch in einem Zusammenhang noch Sinn machen
sollten. Für einen Regisseur muss ich beim freien Kasperle-Theater Mainau
anklopfen, weil dort die am besten ausgebildeten Leute der Region zu finden
sind. Zudem kriegen wir öfters Geld aus der Schweiz. Wir müssen also auch immer
mal wieder irgendeinen völlig unnötigen Strang ins langweilige Nachbarland
einbauen, der meistens völlig frei von jeglicher Logik ist. Wie soll ich unter
diesen Umständen jemals einen guten Film produzieren können?
Ja aber eben, die Zuschauer sehen das
anders. Wie erklären Sie sich denn diesen Erfolg?
Dafür gibt es zwei simple Gründe. Also erstens
haben wir zwei gute Hauptdarsteller. Insbesondere die Eva Mattes ist ja
deutschlandweit als grosse Theaterschauspielerin bekannt und ist sicher
mitverantwortlich für die guten Zahlen. Der zweite Grund, aus meiner Sicht, der
Hauptgrund, ist unser See. Der Bodensee! Konstanz ist die einzige deutsche
Tatort-Stadt, die an einem See liegt, und wir Deutschen lieben den Bodensee unendlich.
Wenn ich ein Drehbuch lese und in diesem mindestens 10 Einstellungen vom See
(am liebsten im Nebel)  zu finden sind, dann verfilme ich es. Ohne Wenn
und Aber! Und wenn sich die ganze Geschichte gleich selbst um den See dreht,
ist ein Volltreffer garantiert.
Welche Rolle spielt denn der Bodensee
in Ihrem neuen Tatort?
Keine Ahnung.
Was? Sie wissen nicht, worum es in
dem Tatort geht, den sie selber mitproduziert haben?
Ganz ehrlich. Ich habe wirklich keine Ahnung. Die
Story wird sicher etwas mit dem See zu tun haben. Vielleicht was auf einem
Schiff, Schmuggel in die Schweiz, oder irgendeine Kindes-Entführung in der
Katholiken Schule. (Nach kurzer Pause) …am See selbstverständlich.
Nein, das war die letzte Folge. In
dieser geht es um die schöne Mona, die stirbt. Angeblich soll es um
Lebenslügen, enttäuschte Liebe, Neid und Eifersucht gehen…
(fällt mir ins Wort) … ah ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Bin beim Lesen 2mal
eingenickt, ganz ehrlich. Wir mussten danach das Drehbuch komplett umschreiben,
weil zu wenig See und dafür viel zu viel Mona drin vorkamen. Die tanzt am
Anfang wie ne Gestörte auf dem Tresen und singt Wolfgang Petri, kurze Zeit
später wird sie von der Strasse gedrängt und stirbt im Auto. Entschuldigung,
aber wie soll ich einen solchen Schrott verkaufen? Also hatte ich die Idee,
dass der Mörder die Leiche danach zumindest noch im Bodensee versenken könnte.
Genial, oder? Ich sage doch, eine Katastrophe unsere Drehbuchautoren. Wenn
einer schon keine vier geraden Sätze zu 
Papiere bringen kann, so könnte er doch zumindest in einem 90-minütigen Drehbuch irgendwie den See reinbringen. Oder nicht? Ist das zu viel verlangt, von einem, der dafür auch noch Geld kassiert? Sehen sie, mit solchen Leuten muss ich Filme machen.
Papiere bringen kann, so könnte er doch zumindest in einem 90-minütigen Drehbuch irgendwie den See reinbringen. Oder nicht? Ist das zu viel verlangt, von einem, der dafür auch noch Geld kassiert? Sehen sie, mit solchen Leuten muss ich Filme machen.
Ist es nicht etwas unangebracht,
öffentlich so schlecht über Mitarbeiter zu reden?
Also von öffentlich kann ja keine Rede sein. Wegen
den 2-3 Lesern, die das auf Ihrer Seite sehen werden. (Lacht laut) 
Meine Aussagen über die Mitarbeiter sind ja weder
böse noch irgendwie persönlich gemeint, sondern einfach die Realität. Es sind
alles ganz liebe Leute, ich mag sie wirklich, aber sie sind keine Regisseure,
geschweige denn Autoren. Aber so ist das eben, hier in Süddeutschland. Sind
alles ganz ganz nette Nachbarn, aber die Kreativität, die wohnt woanders.
Wollen Sie mir damit also sagen, dass
Sie noch nie einen guten Tatort produziert haben, oder noch nie ein gutes
Drehbuch in Ihrer Hand hatten?
Doch, hatte ich. Aber das war vor meiner Zeit am
Bodensee. Das klingt zwar brutal, aber auch das ist die Realität. Ich werde
Ihnen nun ein ganz persönliches Beispiel nennen. Als ich dieses aktuelle
Drehbuch gelesen habe, hat mir wie erwähnt der See gefehlt, und ich bin zweimal
eingeschlafen. Aber gegen Ende der Geschichte las ich einen Satz, der hat mich
so was von umgehauen. Hören sie genau hin (sagt ihn ganz deutlich):
„Da ermittelt man auf Teufel komm raus – und dann
kommt der Teufel raus“!
Ich hatte weiche Knie vor lauter Entzückung, ich
habe am ganzen Körper gezittert vor Freude. Zum ersten Mal seit ich vor neun
Jahren bei diesem Tatort eingestiegen bin, habe ich gefühlt wie es wäre, gute
Storys verfilmen zu können. 
(Macht eine lange Pause) 
Für Konstanz ist das ein Jahrhundertsatz… 
(Seine Augen werden feucht)
Er ist die pure Poesie! 
(Tränen kullern ihm über die Wangen)
Als hätte Shakespeare persönlich das Drehbuch
geküsst!
(Er bricht schluchzend zusammen)
(Ich helfe ihm wieder auf die Beine) Alles ok?
Ja. Schon gut, danke. Es könnte so schön sein.
Keine Ahnung wie einem meiner  Dilettanten
ein solch unendlich berührender Moment gelungen ist. (Reibt sich nochmals in
den immer noch feuchten Augen)Vielleicht ist es ein purer Glückstreffer?
Oder auch nicht. Ich weiss es nicht. Wahrscheinlich hat er diesen Satz irgendwo
mal gelesen und einfach geklaut. Keine Ahnung.
Aber nur wegen einem Satz muss man ja
kaum einen Tatort sehen, zumal Sie ihn jetzt schon verraten haben. Würden Sie
abschliessend meinen Lesern nun diesen Tatort empfehlen oder nicht?
Was soll ich denn da sagen? Ich bin doch der
Produzent. Ich würde ihn natürlich empfehlen. Wunderschöne Bilder vom Bodensee,
eine gute Hauptdarstellerin und ein Autor, der zum Schluss der Geschichte
komplett über sich hinausgewachsen ist…  (fügt an) …auch wenn es nur in einem
einzigen Satz war. Was will man mehr? Erwarten sie einfach unter keinen
Umständen eine gute Geschichte, oder gar einen guten Film.
Vielen Dank für dieses interessante
Gespräch.
Gern geschehen. Wirklich interessant. Für mich
jedenfalls spannender als die neuen Drehbücher für 2014, die ich auf meinem
Tisch liegen habe. (Schüttelt den Kopf und lächelt verschmitzt) Etwas
dazu kann ich Ihnen und Ihren Lesern übrigens schon mal verraten - Es wird
nicht besser!
Erwartungs-Barometer: 3,5
Die Note danach: 4
Die Note danach: 4
Falls dieser Barometer-Blog nicht euren
Vorstellungen entspricht, könnt ihr ihn unter folgendem Link löschen:
4 Kommentare:
Gröhl
Hmm...jetzt mal abgesehen vom drögen Ermittlerpaar, dem langweiligen Ort und der altbackenen Machart: Nicht mal so unoriginell, gut gecastet und ohne gröbere Logikhänger. Sicher genügend. Im Vergleich zu letzter Woche gar eine Offenbarung.
Hast du das bei Clint Eastwood abgeschaut?
Statist hat gesagt...
Ein wahnsinns Interview!! Klasse klasse und irgendwie erinnert es mich an Klibi & Caroline. Aber egal, was will man mehr als solche Texte...
Kommentar veröffentlichen