3. Februar 2013

Tatort: Die schöne Mona ist tot (Konstanz)



Der Tatort aus Konstanz kann für einmal richtig schön jubeln! Nicht etwa weil diese Folge eine gute sein wird, sondern vielmehr wegen der Programmierung der ARD. Wer nämlich eine Woche nach dem neuen Tatort aus Saarbrücken senden darf, der kann eigentlich bringen was er will, gewinnen wird er sowieso. Denn im Vergleich zu der saarländischen Jahrhundert-Katastrophe vom letzten Sonntag, wird auch die hinterletzte Konstanz-Kiste wie ein monumentales Meisterwerk wirken.
Vielleicht ist euch schon mal aufgefallen, dass ich kein allzu grosser Freund der seichten Bodensee-Unterhaltung bin und über mehr als die konstante Konstanzer-Langweile gäbe es auch bei dieser Folge nicht zu berichten. Aus diesem Grund verschone ich euch für einmal mit meinem negativ angehauchten Sekten-Geschwafel, möchte dafür aber ein Interview abdrucken, welches ich netterweise mit einem der Produzenten des Konstanzer Tatorts führen durfte.

Lieber Herr Produzent. Sie sind ja quasi für das Gesamtprodukt verantwortlich. Was ist Ihnen eigentlich wichtiger, gute Qualität oder viele Zuschauer?
Grundsätzlich will natürlich jeder, der Filme macht, auch gute Filme machen, das ist keine Frage. Aber unter dem Strich entscheiden nicht die Kritiker, sondern die Zuschauer, was gut ist, was Qualität bedeutet. Und wenn ich sehe, dass wir Jahr für Jahr mit unseren Zuschauerzahlen in den Top 4 auftauchen, noch vor München und vor Kiel, dann können wir nicht so falsch liegen. Also Qualität ist wichtig, aber wer entscheidet, was Qualität ist?

Finden Sie selber Ihren Tatort gut?
Das ist eine heikle Frage. Ich persönlich finde ihn unter aller Sau. Aber ich mache ja die Filme nicht für mich, sondern zum einen für das Publikum und zum anderen auch für meine Geldgeber. Mit meinem Geschmack hat das herzlich wenig zu tun. Im Gegenteil. Je schlechter ich ein Drehbuch jeweils finde, desto mehr Zuschauer hat am Ende der fertige Tatort. Ein absurdes Phänomen, welches lustigerweise immer wieder zu beobachten ist. Nehmen Sie doch einmal Münster als Beispiel. Das ist doch kein guter Tatort mehr, der ist nur noch gaga, und trotzdem hat er jedes Mal die Jahresbest-Quote.

Wollen Sie damit sagen, dass Sie extra schlechte Tatorte produzieren?
Nein, so ist es natürlich nicht. Sicher nicht absichtlich. Aber was bleibt mir auch anderes übrig, als schlechte Folgen zu machen?

Was soll das denn bedeuten?
Sehen Sie, ich kriege vom SWR zwei Mal im Jahr einen Haufen Kohle, mit dem ich einen guten Film machen sollte. Was natürlich eine absolute Luxussituation wäre, aber suchen sie mir mal einen Drehbuchautor aus der Umgebung Konstanz, der mehr als vier gerade Sätze zu Papier bringen kann. (Fügt an) …die aber auch in einem Zusammenhang noch Sinn machen sollten. Für einen Regisseur muss ich beim freien Kasperle-Theater Mainau anklopfen, weil dort die am besten ausgebildeten Leute der Region zu finden sind. Zudem kriegen wir öfters Geld aus der Schweiz. Wir müssen also auch immer mal wieder irgendeinen völlig unnötigen Strang ins langweilige Nachbarland einbauen, der meistens völlig frei von jeglicher Logik ist. Wie soll ich unter diesen Umständen jemals einen guten Film produzieren können?

Ja aber eben, die Zuschauer sehen das anders. Wie erklären Sie sich denn diesen Erfolg?
Dafür gibt es zwei simple Gründe. Also erstens haben wir zwei gute Hauptdarsteller. Insbesondere die Eva Mattes ist ja deutschlandweit als grosse Theaterschauspielerin bekannt und ist sicher mitverantwortlich für die guten Zahlen. Der zweite Grund, aus meiner Sicht, der Hauptgrund, ist unser See. Der Bodensee! Konstanz ist die einzige deutsche Tatort-Stadt, die an einem See liegt, und wir Deutschen lieben den Bodensee unendlich. Wenn ich ein Drehbuch lese und in diesem mindestens 10 Einstellungen vom See (am liebsten im Nebel)  zu finden sind, dann verfilme ich es. Ohne Wenn und Aber! Und wenn sich die ganze Geschichte gleich selbst um den See dreht, ist ein Volltreffer garantiert.

Welche Rolle spielt denn der Bodensee in Ihrem neuen Tatort?
Keine Ahnung.

Was? Sie wissen nicht, worum es in dem Tatort geht, den sie selber mitproduziert haben?
Ganz ehrlich. Ich habe wirklich keine Ahnung. Die Story wird sicher etwas mit dem See zu tun haben. Vielleicht was auf einem Schiff, Schmuggel in die Schweiz, oder irgendeine Kindes-Entführung in der Katholiken Schule. (Nach kurzer Pause) …am See selbstverständlich.

Nein, das war die letzte Folge. In dieser geht es um die schöne Mona, die stirbt. Angeblich soll es um Lebenslügen, enttäuschte Liebe, Neid und Eifersucht gehen…
(fällt mir ins Wort) … ah ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Bin beim Lesen 2mal eingenickt, ganz ehrlich. Wir mussten danach das Drehbuch komplett umschreiben, weil zu wenig See und dafür viel zu viel Mona drin vorkamen. Die tanzt am Anfang wie ne Gestörte auf dem Tresen und singt Wolfgang Petri, kurze Zeit später wird sie von der Strasse gedrängt und stirbt im Auto. Entschuldigung, aber wie soll ich einen solchen Schrott verkaufen? Also hatte ich die Idee, dass der Mörder die Leiche danach zumindest noch im Bodensee versenken könnte. Genial, oder? Ich sage doch, eine Katastrophe unsere Drehbuchautoren. Wenn einer schon keine vier geraden Sätze zu
Papiere bringen kann, so könnte er doch zumindest in einem 90-minütigen Drehbuch irgendwie den See reinbringen. Oder nicht? Ist das zu viel verlangt, von einem, der dafür auch noch Geld kassiert? Sehen sie, mit solchen Leuten muss ich Filme machen.

Ist es nicht etwas unangebracht, öffentlich so schlecht über Mitarbeiter zu reden?
Also von öffentlich kann ja keine Rede sein. Wegen den 2-3 Lesern, die das auf Ihrer Seite sehen werden. (Lacht laut)
Meine Aussagen über die Mitarbeiter sind ja weder böse noch irgendwie persönlich gemeint, sondern einfach die Realität. Es sind alles ganz liebe Leute, ich mag sie wirklich, aber sie sind keine Regisseure, geschweige denn Autoren. Aber so ist das eben, hier in Süddeutschland. Sind alles ganz ganz nette Nachbarn, aber die Kreativität, die wohnt woanders.

Wollen Sie mir damit also sagen, dass Sie noch nie einen guten Tatort produziert haben, oder noch nie ein gutes Drehbuch in Ihrer Hand hatten?
Doch, hatte ich. Aber das war vor meiner Zeit am Bodensee. Das klingt zwar brutal, aber auch das ist die Realität. Ich werde Ihnen nun ein ganz persönliches Beispiel nennen. Als ich dieses aktuelle Drehbuch gelesen habe, hat mir wie erwähnt der See gefehlt, und ich bin zweimal eingeschlafen. Aber gegen Ende der Geschichte las ich einen Satz, der hat mich so was von umgehauen. Hören sie genau hin (sagt ihn ganz deutlich):

„Da ermittelt man auf Teufel komm raus – und dann kommt der Teufel raus“!

Ich hatte weiche Knie vor lauter Entzückung, ich habe am ganzen Körper gezittert vor Freude. Zum ersten Mal seit ich vor neun Jahren bei diesem Tatort eingestiegen bin, habe ich gefühlt wie es wäre, gute Storys verfilmen zu können.
(Macht eine lange Pause)
Für Konstanz ist das ein Jahrhundertsatz…
(Seine Augen werden feucht)
Er ist die pure Poesie!
(Tränen kullern ihm über die Wangen)
Als hätte Shakespeare persönlich das Drehbuch geküsst!
(Er bricht schluchzend zusammen)

(Ich helfe ihm wieder auf die Beine) Alles ok?
Ja. Schon gut, danke. Es könnte so schön sein. Keine Ahnung wie einem meiner  Dilettanten ein solch unendlich berührender Moment gelungen ist. (Reibt sich nochmals in den immer noch feuchten Augen)Vielleicht ist es ein purer Glückstreffer? Oder auch nicht. Ich weiss es nicht. Wahrscheinlich hat er diesen Satz irgendwo mal gelesen und einfach geklaut. Keine Ahnung.

Aber nur wegen einem Satz muss man ja kaum einen Tatort sehen, zumal Sie ihn jetzt schon verraten haben. Würden Sie abschliessend meinen Lesern nun diesen Tatort empfehlen oder nicht?
Was soll ich denn da sagen? Ich bin doch der Produzent. Ich würde ihn natürlich empfehlen. Wunderschöne Bilder vom Bodensee, eine gute Hauptdarstellerin und ein Autor, der zum Schluss der Geschichte komplett über sich hinausgewachsen ist…  (fügt an) …auch wenn es nur in einem einzigen Satz war. Was will man mehr? Erwarten sie einfach unter keinen Umständen eine gute Geschichte, oder gar einen guten Film.

Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.
Gern geschehen. Wirklich interessant. Für mich jedenfalls spannender als die neuen Drehbücher für 2014, die ich auf meinem Tisch liegen habe. (Schüttelt den Kopf und lächelt verschmitzt) Etwas dazu kann ich Ihnen und Ihren Lesern übrigens schon mal verraten - Es wird nicht besser!

Erwartungs-Barometer: 3,5
Die Note danach: 4 

Falls dieser Barometer-Blog nicht euren Vorstellungen entspricht, könnt ihr ihn unter folgendem Link löschen:



4 Kommentare:

Schreibtischtäter hat gesagt…

Gröhl

Schreibtischtäter hat gesagt…

Hmm...jetzt mal abgesehen vom drögen Ermittlerpaar, dem langweiligen Ort und der altbackenen Machart: Nicht mal so unoriginell, gut gecastet und ohne gröbere Logikhänger. Sicher genügend. Im Vergleich zu letzter Woche gar eine Offenbarung.

Anonym hat gesagt…

Hast du das bei Clint Eastwood abgeschaut?

Anonym hat gesagt…

Statist hat gesagt...

Ein wahnsinns Interview!! Klasse klasse und irgendwie erinnert es mich an Klibi & Caroline. Aber egal, was will man mehr als solche Texte...

Kommentar veröffentlichen