15. November 2015

Tatort: Ätzend (Berlin)


Was habe ich mich gefreut auf den Start der neuen Berliner Tatort-Reihe. Ich mochte zwar Ritter und Stark als Kommissare, aber die Drehbücher waren teilweise auf unterst möglichem Niveau. Einer Hauptstadt definitiv nicht würdig. Was habe ich also gejubelt, als ich hörte, dass ein völlig neues Team hinter dem völlig neuen Tatort aus Berlin stecken wird. Was habe ich getanzt, als ich hörte, dass ein Konzept ausgearbeitet wird, welches die Stadt viel mehr miteinbeziehen soll.
Mit einer Berliner Nachtbusreise durch die energetisch geladenen Strassen zu Kreuzberg habe ich die erste Folge damals verglichen. Also mit dem vielleicht intensivsten, was man überhaupt erleben kann. Wie habe ich die Erwartungen in den Himmel geschraubt, in meinen Barometer-Himmel, und nun sitze ich da und hab absolut keine Ahnung mehr, worum es in dieser ersten Folge überhaupt ging. Ich versuche mich zu erinnern, aber ich weiss es schlicht nicht mehr. Spannend daran ist, dass ich gestern eine euphorische Nachricht von einem Barometer-Leser erhalten habe, weil er mir mitteilen wollte, wie sehr er sich auf diesen ersten Tatort mit dem neuen Berliner-Team freue. Nein mein Freund, dies wird die zweite Folge sein, nicht die erste.
Es geht also nicht nur mir so. Und nun ein kleines Quiz an all meine Leser/innen? Kann sich irgendjemand noch an diese erste Ausgabe erinnern? Nicht?
Berlin? Verschiedene Geschichten? Ich weiss natürlich noch wie Meret Becker als Kommissarin ausgesehen hat, weil man die halt kennt, aber der Kommissar? Die Geschichte? Die Bilder? Keine Ahnung.
Ich erinnere mich besser an jede einzelne Nachtbusfahrt zum Schlesi, als an diesen Tatort, dabei ist das gerade mal 8 Monate her und nicht 8 Jahre. Absurd.
So oberflächlich und vergänglich also scheint diese Stadt zu sein. Egal wie sehr wir sie verehren, sie interessiert sich einen Dreck für uns. Aber nun, da Berlin einmal mehr direkt vor mir steht, fangen meine Knie wieder an zu zittern. Wieder kommt da diese leise Hoffnung auf, dass Berlin es irgendwann schaffen wird, einen Tatort zu produzieren, der diese geballte Ladung an Energie auf die Bildschirme übertragen kann. Vielleicht eine Art Meisterwerk.

Ich habe mittlerweile gelesen, um was es damals in der ersten Folge gegangen ist. Viel schlauer bin ich nicht. Irgendeine Muli hat in Kondomen verpackte Drogen geschluckt und nach Deutschland transportiert. Sie wird gejagt und versteckt sich im neuen Berliner Flughafen (der jeden Moment eröffnet werden sollte). Die Erinnerung kommt nur vage zurück. Sehr schade, angeblich wäre es gut, wenn man für die zweite Folge, die erste gesehen habe. Wird natürlich schwierig, wenn sich kein Mensch mehr daran erinnern kann.
Es soll irgendwo da weitergehen. Episodenübergreifende Story also, eine Geschichte, die sich von Fall zu Fall weiterzieht. Horizontale Erzählweise nennt man das angeblich und die ist beim Tatort momentan topchic. Fabers Dortmund, Schweigers Hamburg, und jetzt auch noch Berlin. Nun gut, dagegen ist ja absolut nichts einzuwenden, wenn die Geschichte gut sein sollte. Betonung auf „wenn“.
Kommissar Karow versucht immer noch die Mörder seines früheren Partners zu finden. Hat er das schon in der ersten Folge gemacht? Auch da, keine Ahnung. Es geht also weiter und er kriegt Ärger mit der Libanesischen Mafia. Daneben passieren irgendwelche Säure-Morde, Flüchtlinge kommen natürlich auch noch vor und Kommissarin Rubin scheint sexsüchtig zu sein. Juheee, welch bombastische Drehbuch-Erleuchtung. Das Ganze angereichert mit einer Prise Depro und weil so modern auch noch ganz schnell geschnitten. Also irgendwann verliere sogar ich den Glauben in diese Stadt. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber allzu lange lässt sich das Barometer nicht mehr nur aus Liebe verarschen. Das ist ja, wie wenn man 5mal von derselben Frau verlassen werden würde. Absurd.
Na zumindest liest man, dass die Stadt Berlin nun endlich auch eine Art Hauptdarsteller werden soll. So was predigt das Barometer ja seit über 2000 Jahren. Das wäre zumindest mal ein erster, klitzekleiner Schritt in die richtige Richtung. Einmal Fernsehturm in der Totale pro Tatort reicht einfach nicht mehr aus. Obwohl - so wie ich den Berliner Tatort in den letzten Jahren kennen gelernt habe, wird das eher in einer Klischeeorgie ausarten, als in einem fein zu spürenden Stadtgefühl.

Erwartungs-Barometer: 4.5

Nimm es mir nicht übel, meine Liebe, aber der Glaube an dich schwindet dramatisch. Hab ich zu deinem Neustart noch eine 6 prophezeit, muss ich mir nun langsam aber sicher eingestehen, dass ich vielleicht leicht, wenn auch nur gaaaanz leicht, verblendet war. Ein letztes Fünkchen Hoffnung auf ein Meisterwerk von deiner Seite werde ich jedoch immer wahren. Möge doch dein Tatort mich ähnlich verzaubern, wie es z.B. Wedding grad eben wiedermal geschafft hat. Aber das passiert wohl nur im Märchen und vielleicht im Leben, aber sicher nicht im Tatort.

0 = Sonntag, Montag, Mittwoch
6 = Dienstag, Donnerstag, Freitag, Samstag

Die Note danach: 4
Was? Also Ritter und Stark fand ich besser.


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1 Kommentar:

Kriminaltango hat gesagt…

Till Schweiger, Hamburg, Helene Fischer, ich erwarte neue Rekordwerte auf der Richterskala des Barometers am nächsten Sonntag! Möge "Der große Schmerz" ein grosser Spass werden! Ein Quotenrenner wirds wohl allemal...

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