28. Februar 2016

Tatort: Kartenhaus (Köln)


Nach all den Jahren, in welchen ich Sonntag für Sonntag die unendliche Wichtigkeit der Authentizität und der Glaubwürdigkeit der Tatorte proklamiert habe, muss ich seit der letzten Woche eingestehen, dass ich wahrscheinlich falsch gelegen bin. Was einige Leser/innen mir schon immer versucht haben zu erklären, musste ich nun in einer tatortischen Erleuchtung schmerzlich erfahren. Die alleinige Glaubwürdigkeit eines Filmes tut zur Endzufriedenheit des Zuschauers überhaupt nichts zur Sache. Die Geschichte eines Tatortes muss gut funktionieren, mehr nicht. Es geht einzig und allein um das Funktionieren. Natürlich ist es, gerade für einen Authentizitäts-Fetischisten wie mich, umso erfreulicher, wenn eine Folge auch noch glaubwürdig daher kommt, aber unter dem Strich ist das völlig egal, wenn die Geschichte funktioniert. Die Story vom letzten Sonntag war teilweise haarsträubend unglaubwürdig, aber für das Barometer hat sie funktioniert. Ich störte mich nicht einmal ab dem kitschigsten aller kitschigen Drama-Happy-Ends. Nein, irgendwie fand ich das stimmig, irgendwie hat die Geschichte, haben die Schauspieler, hat der Tatort funktioniert.
Und natürlich bleibe ich dabei: Ganz oft stört mich ein unglaubwürdiger Tatort extrem, aber jetzt bemerke ich, dass das immer erst dann ist, wenn er nicht funktioniert. Dann, und nur dann fällt die Unglaubwürdigkeit auf. Als bestes Beispiel für diese Erkenntnis können wir die letzten zwei Stuttgart Tatorte miteinander vergleichen.

Ein trauerndes Ehepaar entführte in ihrem alten Camper ein Mädchen und nach gescheiterter Übergabe auch gleich noch die Tochter vom Bootz. Der war zwar spannend gemacht, hatte gute Ansätze, aber funktionierte überhaupt nicht. Und so bemängelte ich die Unglaubwürdigkeit extrem.

In dieser Folge nun ging es um ein völlig anderes Thema. Die war auch spannend, hatte mehr als nur gute Ansätze, war aber mindestens genauso unglaubwürdig, eher noch schlimmer. Am Ende jedoch hat mich das nicht gestört. Weil die irgendwie funktionierte. Faszinierend, oder?

Schön, dass auch ich es noch kapiert habe, nach Jahren der dilettantischen Bewertung der Dilettanten.

Und mit diesem Wissen mache ich mich nun daran, den kommenden Kölner Tatort zu erahnen. Gerade Köln hat oft relativ authentische Tatorte, aber trotzdem gefallen sie mir schon lange nicht mehr richtig. Und nun weiss ich auch warum. Sie funktionieren einfach nicht. Vielleicht sollte man sich in Köln mal überlegen, die Tatorte nicht mehr wie am Fliessband raus zu lassen, sondern ein paar wenige Folgen, aber dafür richtig gute, zu produzieren. In dieser momentanen Kadenz kann doch gar keine Kunst entstehen.
Und auch diese Folge nun wirkt eher wie nicht funktionierende Massenware, denn liebevoll gestaltete Glaubwürdigkeit.
Natural Born Killers in Köln. Ein junges Pärchen tickt aus. Parallelmontage, tolle Optik, viel Blut, ist zu lesen. Aber ich vermute spätestens mit dem Auftritt der Kommissare eine massive Versoftung der Geschichte. Ballauf und Schenk sind maximal noch Natural Born Penners.

Erwartungs-Barometer: 4

Eine weitere typisch durchschnittliche Kölner Folge also. Dieses Mal zum Thema: Bonnie und Clyde im Kölner Ghetto. Und wenn die Kommissare auch da noch mit schickem Ami-Schlitten vorfahren, kann ich nun zumindest mit meinen neu erworbenen Kenntnissen messerscharf analysieren, ob das einfach nicht funktioniert oder ob es völlig unglaubwürdig ist. In diesem Fall wird es mutmasslich beides sein. Ganz toll, mein neues Wissen.

1 = Quantität
6 = Qualität

Die Note danach: 4
Vor lauter Funktionieren und Glaubwürdigkeit habe ich ganz vergessen, dass ein Tatort auch einfach mal nur langweilig sein kann. Aber Hauptsache: „Da kotzt wenigstens jemand noch, nachdem er jemanden umgebracht hat“.

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