9. Dezember 2012

Tatort: Wegwerfmädchen (Hannover)


Hannover ist ein Schwarz/Weiss-Tatort. Egal mit wem man darüber spricht, egal welche Kommentare man darüber liest, jeder hat eine klare Meinung. Entweder findet man ihn gut oder man findet ihn schlecht. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Das hat bestimmt auch mit der Kommissarin zu tun. Auch sie spaltet die Meinungen, auch sie mag man entweder sehr, oder man mag sie nicht. Einen Graubereich dazwischen ist auch bei ihr kaum auszumachen. Der Tatort aus Hannover scheint zu polarisieren, und das spricht für ihn. Komischerweise geht es mir, mit meiner Meinung, für einmal genau umgekehrt. Während ich sonst doch ziemlich genau weiss, ob mir etwas gefällt oder nicht und während ich sonst doch ein Musterschüler bin, was das Schwarz/Weiss-Denken angeht, kann ich mich bei Hannover einfach nicht entscheiden. Ich kann bis heute nicht sagen, ob ich diese Reihe mag, oder nicht. Ich kann mich nicht auf mein Urteilsvermögen verlassen. Irgendwie mag ich, dass die Folgen auf dem Lande spielen (obwohl das ja mittlerweile zum guten Ton einer jeden Tatort-Stadt gehört), ich mag, dass die Geschichten ruhig und unaufgeregt erzählt werden, aber mir fehlen dann eben doch die Stadt, die Unruhe und die Aufgeregtheit. Sicher spielt bei meiner schizophrenen Suche nach einer Meinung, eben auch die Kommissarin eine grosse Rolle. Auch von ihr kann ich nicht sagen, ob ich ihre kühle, arrogante Art eigentlich mag, oder ob sie mich einfach nur nervt. Ich kann nicht sagen, ob sie sau gut spielt, oder ob sie nur überspielt, dass sie eigentlich gar nicht spielen kann. Ich weiss nicht einmal, ob es die Kommissarin Lindholm ist, die ich nicht durchschauen kann, oder die Maria Furtwängler selber, die mir total unsympathisch ist. Keine Ahnung! Diese Umstände tragen natürlich herzlich wenig dazu bei, eine anständige Einschätzung abliefern zu können. Aber ich lasse meine schwammige Meinung über die Gesamtsituation nun mal beiseite und versuche mich an klare Fakten, was diese Folge angeht, zu halten. Bzw. eigentlich sind es ja zwei Folgen. Die Idee ist genial. Eine Milieustudie, in einer Doppelfolge. (Teil 2 folgt nächsten Sonntag). Es geht um den ganzen Filz in Hannover. Um Politik, Macht und Rotlicht. Um den krassen Menschenhandel mitten in Deutschland, um ein weissrussisches Mädchen, welches tot auf der Mülldeponie gefunden wird. Und so wie ich das verstanden habe, sind die Figuren nicht zufällig ausgewählt. Gerade die Parallele zu den „Hells Angels“ könnte nicht passender angesiedelt sein, und auch bei anderen Figuren aus Lokal-Politik und Wirtschaft, seien Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen. Zudem gehören mittlerweile die Ostblock-Hostessen zu jedem guten Firmenweihnachtsessen, zumindest wenn die Chefetage was zu feiern hat. Das macht diese Geschichte äusserst brisant und der Drehbuchautor scheint wohl selber etwas überrascht, wie aktuell seine Story heute ist. Eine ziemlich spannende Ausgangslage also, und beim Hannover Tatort ist für einmal alles etwas anders. Die Furtwängler fährt nicht in irgendein Kaff, um sich dort mit einem Dorfpolizisten zu streiten, der selber noch irgendwie in das Verbrechen verwickelt ist. Nein, dieses Mal kriegen wir Hannover pur. Die brutale und äusserst tragische Realität. Das wirft doch einige Fragen auf. Schafft der gemächliche Tatort vom Lande den Sprung ins harte Rotlichtmilieu der Rockerbanden? Wie verhält sich die leicht störrische Egotrip-Ermittlerin in diesem neuen Umfeld? Schaffen die Macher aus dieser brisanten Ausgangslage vielleicht wirklich einen ganz grossen Tatort? Eins ist klar, ein Jeder wird sich seine klare Meinung bilden. Vielleicht nicht so wie sonst, aber sicher Schwarz oder Weiss. (Ganz egal, ob die Folge nun auf dem Lande oder in der Stadt spielt, ob mit oder ohne Mann, mit oder ohne Dorfpolizist, mit oder ohne Sohn, mit oder ohne beschränkten Mitbewohner…). Ich hingegen werde wohl weiterhin keinen blassen Schimmer haben, ob ich den Tatort aus Hannover und die Kommissarin Lindholm eigentlich mag oder nicht. Aber ich werde zumindest wissen, ob ich mich auf den zweiten Teil freuen werde oder nicht.

Erwartungs-Barometer: 4,5
Die Note danach: Eine gute 5

Vorsichtig optimistisch: Hannover versucht etwas ganz Grosses, da steigt das Risiko zu scheitern überproportional. Aber sie versuchen es, und ich bin sehr gespannt aufs Resultat.

0 = ungefähr so viel Erwartung wie von Toms Ankunftsort.
6 = ungefähr so viel Erwartung wie von Toms Abflugort.

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2 Kommentare:

Tom hat gesagt…

Ein kleiner Lichtblick im sonst eher tristen CH-Wiedereingliederungsprozess: Das Tatort-Barometer! Und nach dem Lesen des selbigen bin ich wirklich sehr gespannt auf die heutige Folge!

Schreibtischtäter hat gesagt…

Nicht nur das Barometer ist ein Lichtblick, sondern auch die heutige Folge. Ich wage mich mal auf die Äste raus und sage: Wer die nicht gut gfunden hat, kann aufhören mit Tatort schauen. Viel besser war's nie und wird's auch nicht mehr.

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