25. Januar 2015

Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel (Kiel)


Während draussen, in der Kälte, die frische Pferdescheisse noch immer vor sich hindampft, möchte ich hier drinnen, im Barometer, auf mein Versprechen zurück kommen.

„Ludwigshafen ist und bleibt ein typisches Beispiel, wie man einen Tatort mal für mal verkacken kann. (Es geht auch anders rum, das werden wir zum Glück sehr bald erfahren)“...

Ich löse auf. Kurz und knapp:
Die Leiden des Barometers sind vorbei. Meine Depression in weiter Ferne. Kiel wird mir einmal mehr beweisen, dass meine Ansprüche nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. So kann ein Tatort sein. So muss ein Tatort sein.
Natürlich wird die Kekilli noch immer völlig planlos durch den Tatort irren (eine Fehlinszenierung, welche ich übrigens nicht verstehen kann, da ich sie für sehr talentiert halte und sie mittlerweile selbst in Hollywood relativ gefragt ist), und natürlich würde das Thema „Crystal Meth in Deutschland“ bei jedem andern Tatort eine Note im tiefen ungenügenden Bereich nach sich ziehen. Wir alle wissen mittlerweile, dass der Tatort am Versuch sich mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen, immer wieder kläglich scheitert und oft in klischeegeschwängerten Exzessen ausartet. Kiel jedoch wird zeigen, dass man durchaus auch solch schwierige Aufgaben meistern kann. Und Kiel meistert noch ganz anderes. Es wird in diesem Tatort angeblich vielmehr um die Droge selber, als um einen Kriminalfall gehen. Auch das eigentlich ein sicherer Tatort-Killer. Nicht so in Kiel. Und Kiel wird auch beweisen, dass bei einer guten Inszenierung und bei einem sehr guten Cast (sogar mit Schweizer Beteiligung), eine nach wie vor ziemlich deplatziert wirkende Kommissarin gar nicht gross auffallen wird, weil der Rest des Filmes richtig gut ist. Punkt.

Erwartungs-Barometer: 5.5

Seht her, ihr andern Teams. Es müsste nicht mal auf diesem hohen Niveau sein. Aber versucht doch zumindest annähernd an die Qualität von Kiel heran zu kommen. Selbst aus tatortungeeigneten Themen, mit (zu)vielen Rückblenden, ziemlich überzeichnet, und sogar ohne allzu spannende Mordgeschichte, machen die sehr ansprechendes Kino! So viel Ehrgeiz muss doch sein. Es gibt doch nichts Geileres als ein richtig gutes Produkt gemacht zu haben! Kein Perfektes, auch dieses wird kein Meisterwerk, aber ein, den Umständen entsprechend, richtig Gutes! Seht her, seht her, ihr Tatortmacher!

0 = Viel zu tiefer Anspruch
6 = Ansprechender Anspruch

Die Note danach: 5.5


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18. Januar 2015

Tatort: Die Sonne stirbt wie ein Tier (Ludwigshafen)



Die Sonne stirbt wie ein Tier? WTF? Die Sonne stirbt, wsss? Das Einzige was hier endlich sterben sollte ist der Tatort aus Ludwigshafen. Oder besser gleich jeder Tatort auf diesem tiersterbenden Niveau. Die Sonne scheint im Barometer jedenfalls schon lange, lange nicht mehr. Mittlerweile bin ich ein kleines, flennendes und verlorenes Häufchen Elend. Alle scheinen irgendwie zufrieden mit dieser Art von Leben, während ich mich beschissen fühle. Das also nennt man eine Tatort-Depression. Ich komm da irgendwie nicht mehr raus. Während die Welt frohlockt, schiebe ich die Krise. So ungefähr muss sich ein Geisterfahrer missverstanden fühlen. Bei jedem einzelnen Wagen, der ihm entgegenkommt, von Neuem.
Ich weiss, viele fanden München, Weimar, Wien und nun natürlich Dortmund ganz famose. Natürlich waren die alle irgendwie okay, aber doch nicht wirklich gut. Meine Fresse, was sind das mittlerweile für niedrige Ansprüche, wenn man so was richtig gut findet? Sind wir so tief gesunken? Die Quoten waren toll, die Kritiken noch viel besser, ganz Tatorthausen feiert seinen Krimi, auch meine geschätzte Leserschaft. Ich jedoch bin sichtlich angezählt und kann meine Enttäuschung einmal mehr nicht verbergen. Von Authentizität absolut keine Spur! Mein Realitäts- und Glaubwürdigkeitsfanatismus zerstört mir die Freude an solch mittelmässigen Ausgaben. Ich muss mir endlich eingestehen, dass der Anspruch, welcher ich an einen Tatort (und irgendwie auch an die Welt) habe, schlicht zu hoch ist. Und was noch viel, viel schlimmer ist: Das Barometer schreibt mittlerweile komplett an seiner Leserschaft vorbei. Da ist sie, die eigentlich Katastrophe.

Und so wurde ich wieder gefragt, warum ich eigentlich den Tatort noch schaue, wenn ich doch mit keiner Folge mehr zufrieden bin. Liebe Kritiker der Tatort-Kritik. Es ist die Liebe! Ich liebe den Tatort. Ich bin so streng, weil ich ihn so innig liebe. Was will ich andere Dinge kritisieren, die mich nur halb so interessieren? Tatort ist für mich Leidenschaft pur. Und es schmerzt mich einfach zu sehr, wenn aus guten Ideen nicht das Maximum herausgeholt wird. Es bräuchte noch nicht einmal Fachwissen, sondern nur etwas gesunden Menschenverstand, um aus akzeptablen Tatorten richtig gute zu machen, oder wie im heutigen Fall aus miserablen Tatorten zumindest akzeptable. Es bräuchte so wenig. Und so wird das Barometer kämpfen, bis wir Zuschauer das bekommen, was wir eigentlich verdienen. Und zwar Tatorte, welche ihr Potential ausschöpfen. Tatorte, die wirklich gut sind. Sonntag für Sonntag! Irgendwie scheint das meine wahre Mission zu sein. Was bringt uns ein perfekter Tatort, wenn der ganze Rest Müll ist? Nein, die Perfektion ist doch völlig unrealistisch, da ich mittlerweile bereits am Anspruch „einen guten Tatort zu sehen“ meistens kläglich scheitere. Mein wahrer Kampf gilt doch eigentlich der Tilgung des Dilettantismus im Tatort (und auf der Welt) und nicht dem Erreichen der Perfektion.
Und siehe da, die Beharrlichkeit des Barometers zeigt nach drei Jahren nun endlich erste positive Auswirkungen. Der SWR stellt den Konstanz-Tatort ein und die Teenies aus Erfurt haben nach nur zwei Folgen schon genug von diesen jämmerlichen Drehbüchern und kündigten gleich selber. Das muss man sich erst mal vorstellen. Als unbekannter Schauspieler mit unter 30 bereits in der Tatort-Königsliga, aber lieber keinen Job, als sich mit solchen Scripts vor allen Freunden zu blamieren. Krass. Verdient meinen höchsten Respekt! Tja. Bei der ARD wird natürlich niemals jemand zugeben, dass diese Säuberung auch mit dem Barometer zu tun hat, aber insgeheim weiss ich, dass wir alle einen grossen Anteil an diesem Erfolg haben. Zwei der vier Tatort-Krebsgeschwüre sind also weg, und bis ich nicht auch noch Saarbrücken und eben diesen Ludwigshafen zu Fall gebracht habe, werde ich weiterkämpfen müssen. Das ist mein wahrer Auftrag!
Das Barometer also killt die schlechten Tatorte und nicht, die Tiere killen die Sonne. Oder wsss? Das muss auch wieder eine Granate werden:

„In der Nähe von Ludwigshafen treibt seit ein paar Wochen ein Pferderipper sein Unwesen. Mehrere Tiere sind ihm schon zum Opfer gefallen. Ebenfalls dort auf dem Land macht Lena Odenthal nach ihrem Burnout gerade eine Reha (judihuiiii, so ein Zufall aber auch). Die Dorfpolizei bittet sie um Hilfe, da natürlich nicht nur Rösslis geschlachtet werden.“

Also die Geschichte klingt wirklich hufgeiler als der Satchmo in Peking daher kam. Ein Mörder im Rösseler-Milieu. Ich könnte laut wiehern, ob all der Freude. Und das alles auch noch gespickt mit meinem absoluten Lieblingskommissaren Lena als süsses Sünneli und Galopper als wildes Tier! Es ist zum Verzweifeln.
Erschreckenderweise hat dieser Tatort auch noch ziemlich gute Kritiken. Soll einer der besseren aus Ludwigshafen werden...?!? Na wie auch immer. Scheisse bleibt auch mit bisschen Goldstaub oben drauf Scheisse. Würde trotzdem keiner fressen. So einfach ist des.
Ludwigshafen ist und bleibt ein typisches Beispiel, wie man einen Tatort mal für mal verkacken kann. (Es geht auch anders rum, das werden wir zum Glück sehr bald erfahren).

Erwartungs-Barometer: 2.5

Da dieses Barometer auch von einem Leser gelesen wird, der in den USA weilt, wurde die hier folgende Zusammenfassung von der MPAA leider mit NC-17* zensiert.
(*Rated NC-17: No one 17 and under admitted. Clearly adult. Children are not admitted.)

(Hiermit bestätige ich, dass ich über 17 Jahre alt und für die Zeilen, die ich lese selber verantwortlich bin. Ich habe verstanden, dass ich egal, was nun kommt, keinen Anspruch auf Entschädigung habe und ich akzeptiere die Tatsache, dass ich das Barometer in keiner Art und Weise verklagen darf.)

- I am not yet 17 years old
(Hiermit bestätige ich, dass ich noch nicht 17 Jahre alt bin und somit nur die zensierte Version der Zusammenfassung sehen darf.)


0 = Rösseler in Süddeutschland
6 = Rösseler in der Ostschweiz

Die Note danach: Go fuck yourself Ludwigshafen! 
...oder wie der Tatort gleich selber sagte: Zur Mitte, zur Titte, zum Sack, zack, zack! 

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11. Januar 2015

Tatort: Hydra (Dortmund)


Dank den Agenten Bibi und Moritz fühle ich zumindest eine Art warmes Lichtlein in meiner Tatort-Winter-Depression, aber nur wenn ich nicht allzu sehr über die Iran-Mossad-Wien-Story nachdenke. Im Endeffekt doch ein zwiespältiger Tatort, den wir da erleben durften. Und gespalten geht es weiter. Denn gerade zum Tatort aus Dortmund habe ich ein äußerst gespaltenes Verhältnis. Selten habe ich solche Mühe zu einem Konzept klar Stellung zu beziehen.
Etwas genauer ausgedrückt geht es dabei um die Figur vom Kommissar Faber und um die Nebenstränge in den Drehbüchern.
Da gibt es diesen Jörg Hartmann. Wirklich ein exzellenter Schauspieler, dem ich jede Bewegung glaube, und welcher aus meiner Sicht für diese Rolle perfekter nicht sein könnte. Auf der andern Seite ist aber genau diese Rolle das Problem. Die Ausbrüche und diese Labilität sind in seiner Position dermassen unglaubwürdig, dass ich mich schlicht nicht vollends drauf einlassen kann. Ein solches Psycho-Wrack könnte nie und nimmer eine Mordkommission leiten, zumal ja alle von seinen Aussetzern Kenntnis haben. Das geht einfach nicht auf, und ich frage mich, ob heute eine Figur nur noch spannend sein kann, wenn sie jeden Moment von einem Dach zu springen droht und immer mal wieder das ganze Büro zerdeppert? Schwierige Frage.*
Hinzu kommen die Drehbücher. In Dortmund wurde eigentlich ein geniales Grundkonzept erschaffen. Wirklich spannende Voraussetzungen, interessante Stadt und Geschichten mit viel Potential. Aber gleichzeitig wird so viel unnötiges Privatzeugs reingeschrieben, dass einem die Haare zu Berge stehen. Nehmen wir als plakatives Barometer-Beispiel das Gebumse. Soll das provozieren? Und wieder stellt sich mir eine Frage. Ist heute eine Figur nur noch spannend, wenn sie mindestens einmal pro Folge bumst, besser mehr? Das ist doch lächerlich. Die eine Kommissarin bumst die ganze Zeit irgendwelche Stricher, die zwei Jungkommissare bumsen zusammen und der Faber, der einzige, der endlich mal wieder bumsen sollte, bumst aus lauter Labilität jedes Mal ganze Kommissariats-Einrichtungen zusammen. Bisschen viel Gebumse, dafür, dass es doch eigentlich um einen Mordfall gehen sollte. Nun, wahrscheinlich hat man das beim WDR auch bemerkt und hat in einer ausser terminlich einberufenen Sondersitzung, die 200 besten Autoren von ganz Nordrhein-Westfallen zusammen gezogen um danach in einer Intensiv-Kreativ-Woche ein Thema zu erarbeiten, welches auch neben dem Gebumse die ganze Republik bewegen könnte. Und der unheimliche Aufwand hat sich gelohnt. Die Endlösung ist genial, wenn ich das so sagen darf.
Neonazis!
Geil, oder? Ich finde schon, dass es höchste Zeit ist, mal wieder in der braunen Szene zu ermitteln. Weil ja auch krass und am Puls der Zeit und bewegend und natürlich BVB-Hooligans und niemand kritisieren darf, wenn Nazis böse sind, und blablabla. Natürlich sind Nazis scheisse, das steht ja ausser Frage. Sie sind die grösste Scheisse überhaupt. Aber genau weil Nazis eben nur böse sein können/dürfen, ist es unheimlich schwierig daraus was Spannendes zu machen. Eine Figur, erst recht wenn sie böse ist, sollte beim Zuschauer ja eine gewisse Ambivalenz auslösen. Das macht sie erst richtig interessant. Die Positionen bei Nazis jedoch sind von Anfang ganz klar bezogen, eine jede rechtsextreme Geschichte muss in Deutschland von der ersten Sekunde klar Stellung nehmen, und die Nazis als 1000% schlecht darstellen, sonst würde der Tatort aufs Übelste zerrissen. Das ist zwar verständlich aber halt auch total langweilig. Ich zumindest kann mich nicht erinnern, dass dieses Thema jemals gelungen umgesetzt wurde in einem Tatort. Viel zu heikel, ja nicht die Finger verbrennen. Nun, vielleicht macht es Dortmund ja besser und findet einen Weg damit richtig spannend umzugehen. Wir beim Barometer wären die ersten, die jubilieren würden, wenn wir unsere Dortmunder Gespaltenheit endlich ablegen könnten. Wird das gelingen? Macht euch am besten gleich selber ein Bild. Nach einem Mord am Naziführer von Dortmund wird eine Jüdin verdächtig, deren Mann von einem Nazi ermordet wurde, während sie schwanger war. Zudem wird die junge türkische Kommissarin beim Ermitteln von Nazis angegriffen, während der junge Kommissar vom Dienst suspendiert wird, weil rauskommt, dass sein Bruder auch ein Neonazi ist. So was aber auch. Und was machen die zwei alten Kommissare? Sie versetzen sich mal wieder in die Täter- bzw. Opferrollen und stellen die Szene gekonnt absurd nach. Und was ist mit dem Gebumse? Schwierig einzuschätzen. Die zwei Jungbullen bumsen vorerst eher nicht mehr und Faber hat sich wahrscheinlich auch etwas besser unter Kontrolle. Aber die Frau Hauptkommissarin wird mit Sicherheit irgendwas zum bumsen finden, schliesslich ist ihre Figur ja so geschrieben. Wäre auch komisch, wenn das plötzlich anders wäre. Und ganz was Neues. Der junge Kommissar verbumst angeblich den alten, oder so. Aber eben. Eigentlich geht es ja um eine Nazigruppe, deren Figuren wahrscheinlich von Anfang an alle ganz, ganz böse sein müssen.

Erwartungs-Barometer: 4.5

Ich warte sehnlichst darauf, dass endlich eine Folge aus Dortmund kommen wird, welche den Spagat zwischen Psycho und trotzdem (den Umständen entsprechend) glaubwürdig schaffen wird. Weit davon entfernt sind sie nicht. Ob es bereits diese sein wird, wage ich zu bezweifeln, obwohl die Kritiken wieder durchwegs positiv sind. Müssen sie ja aber auch, bei einer "Nazis sind böse"-Geschichte. Jeder der auch nur ein bisschen schlecht darüber berichten würde, würde sich schon wieder massiv aufs Glatteis wagen. Ist ja keiner gegen Anti-Nazi-Filme.
Tja, eine richtig gute Folge aus Dortmund würde mich jedenfalls extrem freuen. Denn wie gesagt, es gibt vieles, was ich an Dortmund mag. Für den Moment sieht es für mich aber eher danach aus, als dass die barometerische Winterlaune weiterhin ziemlich mies bleiben wird. Ich kriege die Tatort-Müdigkeit wahrscheinlich nicht so schnell weg.

*Ich frage mich, ob heute eine Figur nur noch spannend sein kann, wenn sie jeden Moment von einem Dach zu springen droht und immer mal wieder das ganze Büro zerdeppert? Schwierige Frage, zumal ich zu meiner Schande gestehen muss, dass der Toni in „Sonntag“ ja irgendwie auch so angelegt war. Und apropos Toni. Der spielt in diesem Tatort auch mal wieder mit... also nicht verpassen.

0 = Die eine Seite von Dortmund halt.
6 = Die andere Seite von Dortmund halt.

Die Note danach: 4.5
Ich bleibe dabei. Viel Potential, viel Unglaubwürdiges.


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4. Januar 2015

Tatort: Deckname Kidon (Wien)


Unglaublich in welcher Kadenz uns zu dieser Jahreszeit neue Tatorte um die Ohren gehauen werden. Das Barometer kommt kaum nach mit Vorberichten vorzurichten. Ich bin noch völlig gaga von Weimar, schon muss ich mich mit einem Wiener-Agenten-Thriller auseinandersetzen. Vielleicht sollten sich die Sendeanstalten mal überlegen, ob sie über die Festtage 2-3 richtig gute Tatorte, anstatt gefühlte 45 Mittelmass- bis Endgrütze-Folgen zeigen sollten. Gut, für die allgemeine Frage der Qualität oder Quantität haben wir leider absolut keine Zeit, Wien alleine wird das Barometer mehr als füllen.

Wien also. Ich liebe Wien. Ich liebe den Wiener Tatort. Der jedoch hat langsam aber sicher ein ernsthaftes Problem. Wien gehen die ganz grossen Bösewichte aus. Es gibt mittlerweile in Österreich keine kriminelle Organisation mehr, gegen welche Kommissar Eisner und Kommissarin Fellner nicht schon ermittelt haben. Nach der kroatischen, der tschechischen, der italienischen, der kärntnerischen, der bosnischen, der steiermärkischen, der chinesischen, der irakischen und der slowakischen, gibt es schlicht keine Mafia mehr, welche die Ermittler noch bekämpfen könnten. Sie hatten sie alle. Zudem wurden bettelarme und dadurch bösartige Rentner überführt, die Baubranche wurde gesäubert, die Rest-Nazis wurden hinter Gitter gebracht, korrupte Polizisten und Politiker wurden entlarvt und sämtliche Zuhälterringe im Grossraum Wien wurden gesprengt. Auch mit dem ungarischen Geheimdienst haben sich die Zwei schon angelegt und sie haben natürlich die ganze Kinderschänder-Elite Österreichs eingelocht. Ein ganz normaler Tatort-Fall wäre der Bibi und dem Moritz also schon lange nicht mehr würdig. Ein simpler Mord, schier undenkbar. In Wien wird mittlerweile auf James Bond-Niveau ermittelt, und da geht es nicht um eine Leiche im Park, sondern um nichts Geringeres als um den Weltfrieden. Jaja! Und genau da setzt dieser Tatort ein. Ein iranischer Diplomat stürzt aus einem Nobelhotel und in einem Zug von Wien nach Bratislava werden Teile für Nuklearwaffen transportiert, welche danach illegal nach Teheran geliefert werden sollen. Für jedes andere Tatort-Team wäre hier schon längstens Feierabend, aber für die zwei Wiener Geheimagenten, ist das Iraner Atomprogramm natürlich not enough, darum mischt von der andern Seite auch noch der dubiose Mossad mit. Eine aufgeblasene Riesensause also, und mittendrin stehen die 00Bibi und der Moritz Hunt.
Mit dem hohen Wiener-Tempo der letzten Folgen, wird dieser Tatort zwar nicht mehr mithalten können (oder auch nicht mithalten wollen), viel läuft ziemlich gemächlich, dafür hat man bei der Geschichte nochmals drei Gänge hoch geschaltet. Leider kann ich mir kaum vorstellen, dass bei dieser Story die Glaubwürdigkeit nicht komplett auf der Strecke bleiben wird. Und damit meine ich nicht den grenzwertig suspekten Herrn Trachtenfels-Lissé, welcher barock wohnt und sich barock kleidet. Diese absurde Figur wird am Ende dieses Tatorts vielleicht das Authentischste gewesen sein. Denn seit 1.9.1.4. weiss ich aus erster Hand, dass es auf unserer bizarren Welt für alles, aber wirklich für alles irgendwo einen Fetisch zu finden gibt. Sei es für das Leben vor 100 oder eben auch vor 300 und mehr Jahren.

Erwartungs-Barometer: 4.5

Lange fand ich „Wiener Kommissare gegen den Rest der Welt“ irgendwie cool. Das Konzept gefiel mir. Die übertriebenen Stories erschienen nur mit diesen zwei Kommissaren und nur in dieser Stadt möglich. Wenn das irgendwo glaubwürdig funktionierte, dann war das in Wien. Aber damit ist nun langsam Schluss. Die weite Wiener Welt ist ausgereizt, jetzt wäre ein unspektakulärer Mord in einem unspektakulären Vorort fast schon das wahre Spektakel.
Und trotzdem. Ich werde Wien und den Tatort aus Wien auch weiterhin urlieb haben.

0 = Quantität
6 = Qualität

Die Note danach: 4.5
So ein Schmarrn, aber eben... urlieb.


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