4. Januar 2015

Tatort: Deckname Kidon (Wien)


Unglaublich in welcher Kadenz uns zu dieser Jahreszeit neue Tatorte um die Ohren gehauen werden. Das Barometer kommt kaum nach mit Vorberichten vorzurichten. Ich bin noch völlig gaga von Weimar, schon muss ich mich mit einem Wiener-Agenten-Thriller auseinandersetzen. Vielleicht sollten sich die Sendeanstalten mal überlegen, ob sie über die Festtage 2-3 richtig gute Tatorte, anstatt gefühlte 45 Mittelmass- bis Endgrütze-Folgen zeigen sollten. Gut, für die allgemeine Frage der Qualität oder Quantität haben wir leider absolut keine Zeit, Wien alleine wird das Barometer mehr als füllen.

Wien also. Ich liebe Wien. Ich liebe den Wiener Tatort. Der jedoch hat langsam aber sicher ein ernsthaftes Problem. Wien gehen die ganz grossen Bösewichte aus. Es gibt mittlerweile in Österreich keine kriminelle Organisation mehr, gegen welche Kommissar Eisner und Kommissarin Fellner nicht schon ermittelt haben. Nach der kroatischen, der tschechischen, der italienischen, der kärntnerischen, der bosnischen, der steiermärkischen, der chinesischen, der irakischen und der slowakischen, gibt es schlicht keine Mafia mehr, welche die Ermittler noch bekämpfen könnten. Sie hatten sie alle. Zudem wurden bettelarme und dadurch bösartige Rentner überführt, die Baubranche wurde gesäubert, die Rest-Nazis wurden hinter Gitter gebracht, korrupte Polizisten und Politiker wurden entlarvt und sämtliche Zuhälterringe im Grossraum Wien wurden gesprengt. Auch mit dem ungarischen Geheimdienst haben sich die Zwei schon angelegt und sie haben natürlich die ganze Kinderschänder-Elite Österreichs eingelocht. Ein ganz normaler Tatort-Fall wäre der Bibi und dem Moritz also schon lange nicht mehr würdig. Ein simpler Mord, schier undenkbar. In Wien wird mittlerweile auf James Bond-Niveau ermittelt, und da geht es nicht um eine Leiche im Park, sondern um nichts Geringeres als um den Weltfrieden. Jaja! Und genau da setzt dieser Tatort ein. Ein iranischer Diplomat stürzt aus einem Nobelhotel und in einem Zug von Wien nach Bratislava werden Teile für Nuklearwaffen transportiert, welche danach illegal nach Teheran geliefert werden sollen. Für jedes andere Tatort-Team wäre hier schon längstens Feierabend, aber für die zwei Wiener Geheimagenten, ist das Iraner Atomprogramm natürlich not enough, darum mischt von der andern Seite auch noch der dubiose Mossad mit. Eine aufgeblasene Riesensause also, und mittendrin stehen die 00Bibi und der Moritz Hunt.
Mit dem hohen Wiener-Tempo der letzten Folgen, wird dieser Tatort zwar nicht mehr mithalten können (oder auch nicht mithalten wollen), viel läuft ziemlich gemächlich, dafür hat man bei der Geschichte nochmals drei Gänge hoch geschaltet. Leider kann ich mir kaum vorstellen, dass bei dieser Story die Glaubwürdigkeit nicht komplett auf der Strecke bleiben wird. Und damit meine ich nicht den grenzwertig suspekten Herrn Trachtenfels-Lissé, welcher barock wohnt und sich barock kleidet. Diese absurde Figur wird am Ende dieses Tatorts vielleicht das Authentischste gewesen sein. Denn seit 1.9.1.4. weiss ich aus erster Hand, dass es auf unserer bizarren Welt für alles, aber wirklich für alles irgendwo einen Fetisch zu finden gibt. Sei es für das Leben vor 100 oder eben auch vor 300 und mehr Jahren.

Erwartungs-Barometer: 4.5

Lange fand ich „Wiener Kommissare gegen den Rest der Welt“ irgendwie cool. Das Konzept gefiel mir. Die übertriebenen Stories erschienen nur mit diesen zwei Kommissaren und nur in dieser Stadt möglich. Wenn das irgendwo glaubwürdig funktionierte, dann war das in Wien. Aber damit ist nun langsam Schluss. Die weite Wiener Welt ist ausgereizt, jetzt wäre ein unspektakulärer Mord in einem unspektakulären Vorort fast schon das wahre Spektakel.
Und trotzdem. Ich werde Wien und den Tatort aus Wien auch weiterhin urlieb haben.

0 = Quantität
6 = Qualität

Die Note danach: 4.5
So ein Schmarrn, aber eben... urlieb.


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