11. Januar 2015

Tatort: Hydra (Dortmund)


Dank den Agenten Bibi und Moritz fühle ich zumindest eine Art warmes Lichtlein in meiner Tatort-Winter-Depression, aber nur wenn ich nicht allzu sehr über die Iran-Mossad-Wien-Story nachdenke. Im Endeffekt doch ein zwiespältiger Tatort, den wir da erleben durften. Und gespalten geht es weiter. Denn gerade zum Tatort aus Dortmund habe ich ein äußerst gespaltenes Verhältnis. Selten habe ich solche Mühe zu einem Konzept klar Stellung zu beziehen.
Etwas genauer ausgedrückt geht es dabei um die Figur vom Kommissar Faber und um die Nebenstränge in den Drehbüchern.
Da gibt es diesen Jörg Hartmann. Wirklich ein exzellenter Schauspieler, dem ich jede Bewegung glaube, und welcher aus meiner Sicht für diese Rolle perfekter nicht sein könnte. Auf der andern Seite ist aber genau diese Rolle das Problem. Die Ausbrüche und diese Labilität sind in seiner Position dermassen unglaubwürdig, dass ich mich schlicht nicht vollends drauf einlassen kann. Ein solches Psycho-Wrack könnte nie und nimmer eine Mordkommission leiten, zumal ja alle von seinen Aussetzern Kenntnis haben. Das geht einfach nicht auf, und ich frage mich, ob heute eine Figur nur noch spannend sein kann, wenn sie jeden Moment von einem Dach zu springen droht und immer mal wieder das ganze Büro zerdeppert? Schwierige Frage.*
Hinzu kommen die Drehbücher. In Dortmund wurde eigentlich ein geniales Grundkonzept erschaffen. Wirklich spannende Voraussetzungen, interessante Stadt und Geschichten mit viel Potential. Aber gleichzeitig wird so viel unnötiges Privatzeugs reingeschrieben, dass einem die Haare zu Berge stehen. Nehmen wir als plakatives Barometer-Beispiel das Gebumse. Soll das provozieren? Und wieder stellt sich mir eine Frage. Ist heute eine Figur nur noch spannend, wenn sie mindestens einmal pro Folge bumst, besser mehr? Das ist doch lächerlich. Die eine Kommissarin bumst die ganze Zeit irgendwelche Stricher, die zwei Jungkommissare bumsen zusammen und der Faber, der einzige, der endlich mal wieder bumsen sollte, bumst aus lauter Labilität jedes Mal ganze Kommissariats-Einrichtungen zusammen. Bisschen viel Gebumse, dafür, dass es doch eigentlich um einen Mordfall gehen sollte. Nun, wahrscheinlich hat man das beim WDR auch bemerkt und hat in einer ausser terminlich einberufenen Sondersitzung, die 200 besten Autoren von ganz Nordrhein-Westfallen zusammen gezogen um danach in einer Intensiv-Kreativ-Woche ein Thema zu erarbeiten, welches auch neben dem Gebumse die ganze Republik bewegen könnte. Und der unheimliche Aufwand hat sich gelohnt. Die Endlösung ist genial, wenn ich das so sagen darf.
Neonazis!
Geil, oder? Ich finde schon, dass es höchste Zeit ist, mal wieder in der braunen Szene zu ermitteln. Weil ja auch krass und am Puls der Zeit und bewegend und natürlich BVB-Hooligans und niemand kritisieren darf, wenn Nazis böse sind, und blablabla. Natürlich sind Nazis scheisse, das steht ja ausser Frage. Sie sind die grösste Scheisse überhaupt. Aber genau weil Nazis eben nur böse sein können/dürfen, ist es unheimlich schwierig daraus was Spannendes zu machen. Eine Figur, erst recht wenn sie böse ist, sollte beim Zuschauer ja eine gewisse Ambivalenz auslösen. Das macht sie erst richtig interessant. Die Positionen bei Nazis jedoch sind von Anfang ganz klar bezogen, eine jede rechtsextreme Geschichte muss in Deutschland von der ersten Sekunde klar Stellung nehmen, und die Nazis als 1000% schlecht darstellen, sonst würde der Tatort aufs Übelste zerrissen. Das ist zwar verständlich aber halt auch total langweilig. Ich zumindest kann mich nicht erinnern, dass dieses Thema jemals gelungen umgesetzt wurde in einem Tatort. Viel zu heikel, ja nicht die Finger verbrennen. Nun, vielleicht macht es Dortmund ja besser und findet einen Weg damit richtig spannend umzugehen. Wir beim Barometer wären die ersten, die jubilieren würden, wenn wir unsere Dortmunder Gespaltenheit endlich ablegen könnten. Wird das gelingen? Macht euch am besten gleich selber ein Bild. Nach einem Mord am Naziführer von Dortmund wird eine Jüdin verdächtig, deren Mann von einem Nazi ermordet wurde, während sie schwanger war. Zudem wird die junge türkische Kommissarin beim Ermitteln von Nazis angegriffen, während der junge Kommissar vom Dienst suspendiert wird, weil rauskommt, dass sein Bruder auch ein Neonazi ist. So was aber auch. Und was machen die zwei alten Kommissare? Sie versetzen sich mal wieder in die Täter- bzw. Opferrollen und stellen die Szene gekonnt absurd nach. Und was ist mit dem Gebumse? Schwierig einzuschätzen. Die zwei Jungbullen bumsen vorerst eher nicht mehr und Faber hat sich wahrscheinlich auch etwas besser unter Kontrolle. Aber die Frau Hauptkommissarin wird mit Sicherheit irgendwas zum bumsen finden, schliesslich ist ihre Figur ja so geschrieben. Wäre auch komisch, wenn das plötzlich anders wäre. Und ganz was Neues. Der junge Kommissar verbumst angeblich den alten, oder so. Aber eben. Eigentlich geht es ja um eine Nazigruppe, deren Figuren wahrscheinlich von Anfang an alle ganz, ganz böse sein müssen.

Erwartungs-Barometer: 4.5

Ich warte sehnlichst darauf, dass endlich eine Folge aus Dortmund kommen wird, welche den Spagat zwischen Psycho und trotzdem (den Umständen entsprechend) glaubwürdig schaffen wird. Weit davon entfernt sind sie nicht. Ob es bereits diese sein wird, wage ich zu bezweifeln, obwohl die Kritiken wieder durchwegs positiv sind. Müssen sie ja aber auch, bei einer "Nazis sind böse"-Geschichte. Jeder der auch nur ein bisschen schlecht darüber berichten würde, würde sich schon wieder massiv aufs Glatteis wagen. Ist ja keiner gegen Anti-Nazi-Filme.
Tja, eine richtig gute Folge aus Dortmund würde mich jedenfalls extrem freuen. Denn wie gesagt, es gibt vieles, was ich an Dortmund mag. Für den Moment sieht es für mich aber eher danach aus, als dass die barometerische Winterlaune weiterhin ziemlich mies bleiben wird. Ich kriege die Tatort-Müdigkeit wahrscheinlich nicht so schnell weg.

*Ich frage mich, ob heute eine Figur nur noch spannend sein kann, wenn sie jeden Moment von einem Dach zu springen droht und immer mal wieder das ganze Büro zerdeppert? Schwierige Frage, zumal ich zu meiner Schande gestehen muss, dass der Toni in „Sonntag“ ja irgendwie auch so angelegt war. Und apropos Toni. Der spielt in diesem Tatort auch mal wieder mit... also nicht verpassen.

0 = Die eine Seite von Dortmund halt.
6 = Die andere Seite von Dortmund halt.

Die Note danach: 4.5
Ich bleibe dabei. Viel Potential, viel Unglaubwürdiges.


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